Posted: 12 Nov. 2020 5 min Lesezeit

Economic Trend Briefing: Die neue US-Administration und ihre Pläne für Handel, Konjunktur und Klima

Ab Januar wird das Weiße Haus mit Joe Biden einen neuen Bewohner haben – vorausgesetzt, die juristischen Einwände der aktuellen Administration zeigen keinen Erfolg. Der Machtwechsel in den USA wird in Kernbereichen der nationalen und internationalen US-Wirtschaftspolitik einen neuen Kurs mit sich bringen und sich damit auch auf die deutsche Wirtschaft auswirken. Vor allem die US-Konjunkturprogramme sowie die Handels- und Klimapolitik dürften für deutsche Unternehmen relevant werden.

 

Die transatlantische Wirtschaft ist eng verflochten

 

Die Verflechtung der deutschen und europäischen Wirtschaft mit der amerikanischen ist nach wie vor sehr hoch, die USA sind der wichtigste Exportmarkt für die deutsche Wirtschaft. Trotz der Handelskonflikte während der Trump-Administration sind die deutschen Güterexporte dorthin seit 2017 um 6 Prozent gestiegen. Wie man im Zusammenhang mit dem Brexit sieht, ist dies ganz und gar nicht selbstverständlich – so sind die deutschen Ausfuhren nach Großbritannien nach der Ausstiegsentscheidung deutlich gesunken. Die hauptsächlichen deutschen Exportartikel sind Autos und Autoteile sowie Maschinen und pharmazeutische Produkte. 

Die deutsche Exportstärke gegenüber den USA führt zu dem oft diskutierten Handelsüberschuss von aktuell knapp 50 Milliarden Euro und Hauptgrund für die Spannungen in der transatlantischen Handelspolitik. Allerdings ist der Fokus auf den Handelsüberschuss zumindest unvollständig. Die Handelsbilanz erfasst nämlich nur den Güterhandel, während die digitalen Dienstleistungsexporte der USA nach Deutschland meistens über Tochtergesellschaften amerikanischer Firmen in anderen europäischen Ländern abgewickelt werden. Sie gelten somit nicht als Import aus den USA, sondern werden anderen Ländern zugezählt. Daher ist es für diese Diskussion und für ein vollständiges Bild zielführender, nicht die deutsche Handelsbilanz mit den USA zu betrachten, sondern die umfassendere Leistungsbilanz der EU mit den USA. Die Leistungsbilanz erfasst neben dem Güterhandel auch Dienstleistungsexporte der USA und Einkommen amerikanischer Unternehmen in Europa. Sie wies laut einer Analyse des ifo-Instituts in 2017 einen kleinen US-Überschuss auf. Dies impliziert, dass die Verflechtungen weit über den traditionellen Handel hinausgehen, was sich auch daran zeigt, dass die USA mit weitem Abstand das wichtigste Zielland für deutsche Direktinvestitionen sind; deutsche Unternehmen haben nach den letzten Zahlen der Bundesbank dort insgesamt 360 Milliarden Euro investiert.

 

Die Pläne in der US-Handelspolitik: Mehr Kooperation, aber kein Freihandels-Enthusiasmus

 

Die Handelspolitik der Biden-Administration dürfte sich von der Vorgängerregierung zwar unterscheiden und die Spannungen mit Europa deutlich reduzieren, aber nicht unbedingt zu einem Schub für den Freihandel führen. Änderungen sind in einigen, aber nicht in allen Bereichen zu erwarten.

Erstens dürfte die Unterstützung für internationale Organisationen, vor allem für die Welthandelsorganisation (WTO), auf US-Seite wieder deutlich zunehmen. Die Trump-Administration hat die Besetzung offener Stellen an WTO-Schiedsgerichten verhindert und so die Funktionsfähigkeit der WTO stark beeinträchtigt. Diese Blockade dürfte durch die neue Regierung aufgelöst werden. Zweitens dürfte die Kooperation in Handelsfragen mit Europa zunehmen, auch wenn die Strafzölle zwischen den USA und der EU, beispielsweise auf Stahl, Aluminium und Wein, nicht über Nacht verschwinden werden. Die Gegenzölle der EU auf US-Erzeugnisse im Bereich Flugzeugbau, die Anfang dieser Woche in Kraft getreten sind, sind hoffentlich die letzten Maßnahmen dieser Art.

In zwei zentralen Bereichen sind keine grundlegenden Änderungen zu erwarten: Zum einen dürften einige protektionistische Tendenzen bestehen bleiben. Die Demokraten waren bis zum Amtsantritt der Trump-Administration stets protektionistischer orientiert als die Republikaner und das demokratische Wahlprogramm enthält einige Ideen dazu, wie US-einheimische Produzenten bevorzugt werden können. Das schließt „Buy American“-Klauseln in öffentlichen Förderprogrammen und der öffentlichen Beschaffung ebenso ein wie monetäre Sanktionen bei Produktionsverlagerungen ins Ausland. Daneben hat Joe Biden im Wahlkampf angekündigt, neue Handelsabkommen erst dann schließen zu wollen, wenn die US-Wirtschaft besser für den globalen Wettbewerb gerüstet sei. Eine Neuauflage von TTIP, der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft, die seit 2016 offiziell pausiert, steht somit erstmal nicht auf der Agenda; vorstellbar ist höchstens mittelfristig eine weniger umfassende Version.

Zum anderen sind in der grundlegenden Strategie der USA gegenüber China keine Änderungen zu erwarten, da der durch die Trump-Administration vertretene konfrontative Ansatz auf einem Konsens zwischen Republikanern und Demokraten basiert. Ob die China-Politik der USA künftig allerdings genauso stark auf Zölle setzt oder andere Maßnahmen bevorzugt, bleibt abzuwarten – schließlich treffen diese über Preiserhöhungen oft den amerikanischen Verbraucher. Aus diesem Grund hat der künftige Präsident im Wahlkampf eine Streichung der Einfuhrzölle auf chinesische Waren angekündigt. Eine stärkere Einbindung der Europäer in die amerikanische Strategie gegenüber China wird von vielen Analysten erwartet.

 

Ambitionierte Konjunktur- und Klimaprogramme

 

Generell wird die Biden-Administration eine aktivere Rolle des Staates in der Wirtschaft anstreben, im Einklang mit der grundlegenden politischen Ausrichtung der Demokratischen Partei sowie mit dem Wahlprogramm. Dazu gehört eine teilweise Rücknahme der Steuerreform der Trump-Regierung, vor allem bezüglich der Senkung der Spitzensteuersätze. Auf der Ausgabenseite sind zwei große Programme geplant: eines mit Fokus auf die Konjunktur und Technologie, das zweite mit dem Schwerpunkt Klima.

Teil des ersten Programms ist ein 400 Milliarden Dollar schwerer staatlicher Beschaffungsplan. Er soll durch einen Fokus auf „Buy American“-Regeln die Nachfrage nach US-Produkten und damit die Konjunktur ankurbeln. Das 300 Milliarden Dollar-Programm zur Förderung von Zukunftstechnologien will vor allem Feldern wie der künstlichen Intelligenz, der Elektromobilität oder der 5G-Technologie einen Schub verpassen.

Gleichzeitig rückt die Klimapolitik wieder ins Zentrum der US-Politik. Das im Wahlkampf ausgegebene Ziel des künftigen Präsidenten ist es, die USA bis 2050 klimaneutral zu machen. Es ist zu erwarten, dass das Land dem Pariser Klimaschutzabkommen wieder beitritt. Das Klimaziel soll durch ein großangelegtes Investitionsprogramm mit einem Volumen von zwei Billionen Dollar über zehn Jahre erreicht werden, also rund 200 Milliarden Dollar gezielter Ausgaben pro Jahr. Diese massiven Investitionen in den Klimaschutz sollen vor allem in den Ausbau von erneuerbaren Energien fließen, ebenso in die Reduktion von CO2 in Sektoren wie Verkehr und Gebäude sowie in Maßnahmen zur Digitalisierung und Gestaltung einer emissionsarmen Infrastruktur.

 

Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft

 

Inwieweit die geplanten wirtschaftspolitischen Kursänderungen tatsächlich durchgesetzt werden können, wird entscheidend vom Ausgang der Stichwahlen zum Senat in Georgia Anfang Januar abhängen. In Georgia sind aufgrund eines Rücktritts gleich zwei Senatssitze zu besetzen, die das derzeitige Patt zwischen Republikanern und Demokraten im Senat entscheiden werden. Bei einer republikanischen Mehrheit im Senat sind die Ausgabenprogramme in ihrem vollen Umfang sowie Steuererhöhungen sehr schwer durchsetzbar. Ebenso könnte das inzwischen mehrheitlich konservativ besetzte oberste Gericht Teile der Programme stoppen.

Nichtsdestotrotz ist eine zu erwartende Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Deutschland in Handelsfragen eine gute Nachricht für alle exportorientierten Unternehmen. Die Chancen für ein weiterhin offenes Handelssystem steigen ebenso wie diejenigen für eine stärker dialogorientierte politische Entscheidungsfindung. Inwieweit die Konjunktur- und Klimaprogramme auch neue Exportpotenziale für deutsche Firmen bringen, wird entscheidend von der Ausgestaltung der geplanten „Buy American“-Regeln abhängen. Der von der EU anvisierte Neustart der Beziehungen könnte aber auch zu ganz neuen Kooperationsmöglichkeiten in Bereichen der Klimapolitik bis hin zu neuen Technologien führen. Diese müssen sich nach dem Stabwechsel im Weißen Haus aber erst einmal entwickeln.

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Dr. Alexander Börsch

Dr. Alexander Börsch

Chefökonom & Director Research

Dr. Alexander Börsch ist Chefökonom und Leiter Research Deloitte Deutschland. Sein Fokus liegt auf der Analyse ökonomischer Trends und ihren Auswirkungen auf Unternehmen und Unternehmensumfeld. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen Wachstum und Konjunktur, Brexit, digitale Ökonomie sowie Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Städten und Ländern.