Posted: 14 Oct. 2021 5 min Lesezeit

Economic Trend Briefing: Neue Risiken für den Aufschwung – aber Investitionen im Höhenflug

Nach dem Ende des Lockdowns sprang in Deutschland und Europa die Konjunktur im zweiten Quartal 2021 sehr dynamisch an, vor allem dank der Konsumlaune der Verbraucher. Allerdings entstanden im Sommer neue Risiken für die Konjunktur und für Unternehmen: Zuerst durch die Verbreitung der Delta-Variante des Corona-Virus, dann durch die verschärften Probleme in den Lieferketten, Knappheiten bei Vorprodukten, die steigenden Rohstoff- und Transportkosten, sowie durch die steigenden Inflationsraten.

In diesem Kontext zeigt der aktuelle Deloitte CFO Survey ein nach wie vor grundsätzlich positives Bild, aber mit steigenden Risiken. Konjunktur- und Geschäftsaussichten bleiben positiv, wenn auch der Ausblick im Frühjahr von den Finanzvorständen positiver beurteilt wurde. Gleichzeitig nehmen aber auch die Inflationserwartungen deutlich zu, und bei den Risiken machen sich die engen Arbeitsmärkte stark bemerkbar. Der Fachkräftemangel ist inzwischen wieder das wichtigste Risiko für die Unternehmen, gefolgt von steigenden Rohstoffkosten, zunehmender Regulierung sowie Energiekosten.

Ein wichtiger Trend ist, dass die Investitionsabsichten der Unternehmen weiter steigen, genauso wie ihre Einstellungsbereitschaft. Beide Werte liegen auf Rekordniveau, beziehungsweise nur noch knapp darunter. Gleichzeitig steigen die Investitionen in digitale Technologie als Reaktion auf die Corona-Krise. Hier deuten sich zwei langfristige, sehr folgenreiche Entwicklungen an: Zum einen weiter zunehmende Knappheit auf den Arbeitsmärkten, die sich im laufenden Jahrzehnt durch die demographische Entwicklung noch weiter verschärfen dürfte. Zum anderen könnten höhere Investitionen in digitale Technologie die seit langem schwächelnde gesamtwirtschaftliche Produktivität und somit das Wachstum erhöhen.

 

Konjunktur- und Geschäftsaussichten insgesamt positiv, aber im Sinken

 

Die zwischen dem 10. und 30. September 2021 befragten 158 CFOs sehen in ihrer überwiegenden Mehrheit von drei Vierteln die aktuelle Konjunkturlage vor allem in Deutschland und den USA sehr positiv. Für China und die Eurozone wird die derzeitige Situation etwas weniger optimistisch eingeschätzt. Die Aussichten für die nächsten zwölf Monate sind grundsätzlich positiv, gehen aber im Vergleich zum Frühjahr merklich zurück. Gut die Hälfte der CFOs erwartet eine weitere Verbesserung der Konjunktur in Deutschland, der Eurozone, USA und China. Auch die Inflationserwartungen der CFOs zeigen eine deutliche Bewegung nach oben: Für die nächsten 12 Monate erwarten die CFOs für Deutschland eine Preissteigerung von 3,2 Prozent, die damit klar über dem Ziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent liegen würde. Im letzten Survey vor der Corona-Krise im Herbst 2019 lag die Inflationserwartung noch bei einem Prozent.

Die Erwartungen zu den Aussichten für das eigene Unternehmen zeigen ein ähnliches Muster wie die zur Konjunktur. Die positivste Einschätzung der Geschäftsaussichten – auch im Vergleich der letzten neun Jahre – hatten die Unternehmen im Herbst 2020 nach dem Ende des ersten Lockdowns und in der damals gerade einsetzenden Aufschwungsphase. Im Frühjahr 2021, mitten im zweiten Lockdown, war die positive Stimmung von der hohen Nachfrage aus dem Ausland und der Erwartung des baldigen Lockdown-Endes getrieben.

Aktuell sehen 40 Prozent die Lage ihres Unternehmens optimistischer und 17 Prozent pessimistischer als vor drei Monaten, was zu einer nach wie vor positiven, wenn auch sinkenden Stimmung unter den Unternehmen führt. Besonders optimistisch zeigen sich aktuell der Handel sowie die Konsumgüter- und die Technologieindustrie. Besonders optimistisch zeigen sich aktuell der Handel sowie die Konsumgüter- und die Technologieindustrie. Generell lässt sich sagen, dass die exportorientierten Firmen generell optimistischer sind als die am Binnenmarkt orientierten Unternehmen. Aus Industriesicht ein wichtiger Ausreißer ist die Autoindustrie, die sehr viel pessimistischer als die anderen Branchen auf die nächsten zwölf Monate blickt.

Geschäftsaussichten

 

Größte Risiken: Fachkräftemangel und Rohstoffkosten

Ein Blick auf die Risiken zeigt, worauf die zurückgehende Stimmung zurückzuführen sein könnte: Der Fachkräftemangel, der schon in den Jahren vor der Corona-Krise das wichtigste Risiko aus Sicht der Unternehmen war, ist aktuell wieder an die Spitze gerückt. Für ziemlich genau zwei Drittel der Unternehmen ist der Fachkräftemangel ein hohes Risiko – ein Wert, der im Vergleich zum Frühjahr sehr stark gestiegen ist. Das bedeutet, dass die engen Arbeitsmärkte die Unternehmen deutlich zurückhalten. Der Fachkräftemangel zieht sich durch alle Industrien, am meisten leidet aktuell die Immobilien- und Baubranche, wo er fast drei Viertel der Unternehmen betrifft.

 

Risikofaktoren

 

Ebenfalls stark gestiegen sind die Energiekosten als Risikofaktor, die für 42 Prozent der Unternehmen bedrohliche Ausmaße erreicht haben. In der Automobil- und der Chemieindustrie liegt der entsprechende Wert sogar bei 70 Prozent beziehungsweise knapp darunter. Die Rohstoffkosten sind von hohem Niveau aus noch einmal gestiegen. Dagegen sind die Befürchtungen, dass die In- oder die Auslandsnachfrage schwächeln könnte, deutlich gesunken; ein Zeichen, dass der Aufschwung in Deutschland und der Welt von den Unternehmen inzwischen robuster als bisher eingeschätzt wird.

 

Investitionen und Einstellungsbereitschaft im Höhenflug

 

Die wohl erfreulichsten aktuellen Trends sind bei den Investitionen und der Einstellungsbereitschaft der Unternehmen zu verzeichnen. Die Einstellungsbereitschaft liegt sehr viel höher als jemals seit Beginn des CFO Surveys im Jahr 2012, die Investitionsbereitschaft lag nur einmal – in 2018 – höher. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Unternehmen Vertrauen in die Fortsetzung des Aufschwungs haben; ebenso wichtig ist, dass die Investitionsschwäche, die seit der Finanzkrise angehalten hat, überwunden wird. Als wichtiger Treiber dafür gilt sicherlich die überraschend schnell anziehende Nachfrage nach der unmittelbaren Krise, die viele Unternehmen an die Grenzen ihrer bestehenden Kapazitäten gebracht hat. 

Kennzahlen

 

Ebenso erfreulich ist, dass Digitalisierung ein wichtiger, wenn nicht schlechthin der Schwerpunkt der Investitionsaktivitäten ist. Die deutschen Unternehmen scheinen die Corona-Krise tatsächlich zu nutzen, um die Digitalisierung voranzutreiben. 84 Prozent haben als Reaktion auf die Corona-Krise ihre Investitionen in digitale Technologien erhöht, in der chemischen Industrie waren es sogar 100, im Handel 90 Prozent. 20 Prozent der Unternehmen haben ihre digitalen Investitionen stark erhöht, hier war die Immobilienbranche führend. 

Digitale Investitionen

Der Trend zu mehr Investitionen und zu höheren digitalen Investitionen eröffnet ein positives langfristiges Szenario. Ein paradoxer Nebeneffekt der Corona-Krise könnte die Überwindung der Investitionsschwäche der Unternehmen und eine stark beschleunigte Digitalisierung sein. Dadurch könnte das lange schwächelnde Produktivitätswachstum Deutschlands, das sich seit Anfang des Jahrtausends halbiert hat, einen neuen und dringend benötigten Schub erhalten und in der Folge zu mehr Wachstum führen. 

Download

Hier können Sie sich den Blogbeitrag als PDF herunterladen:

Weitere Beiträge der Economic Trend Briefings:

Die Economic Trend Briefings analysieren die wichtigsten kurz- und langfristigen Herausforderungen sowie die relevantesten Trends für die deutsche Wirtschaft.

Ihr Ansprechpartner

Dr. Alexander Börsch

Dr. Alexander Börsch

Chefökonom & Director Research

Dr. Alexander Börsch ist Chefökonom und Leiter Research Deloitte Deutschland. Sein Fokus liegt auf der Analyse ökonomischer Trends und ihren Auswirkungen auf Unternehmen und Unternehmensumfeld. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen Wachstum und Konjunktur, Brexit, digitale Ökonomie sowie Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Städten und Ländern.