Die USA sind der wichtigste Exportmarkt für deutsche Unternehmen, gefolgt von China. Entsprechend stark wirken sich die Entwicklungen in diesen beiden Ländern auf die deutsche Konjunktur aus. Tatsächlich konnte sich Deutschland durch die hohe Nachfrage aus China aus der Rezession nach der Finanzkrise 2008/2009 “herausexportieren“ und die schnelle Erholung Chinas letztes Jahr gab dem Welthandel und den deutschen Exporten einen dringend benötigten Schub. Die deutschen Ausfuhren nach China waren 2020 fast genauso hoch wie im Jahr davor, während die Ausfuhren in die USA und die Eurozone um mehr als 11 Prozent einbrachen.¹
Ein Blick zurück zeigt, dass die Corona-Rezession 2020 in den USA sehr viel milder war als in der Eurozone und in Deutschland. Während die Eurozone um fast 7 Prozent schrumpfte und Deutschland etwas mehr als fünf Prozent, betrug der Rückgang der Wirtschaftsleistung in den USA vergleichsweise geringe 3,5 Prozent. China dagegen gelang etwas sehr Seltenes im letzten Jahr, nämlich positives Wachstum: Das Land wuchs dank der schnellen und erfolgreichen Bekämpfung der Corona-Pandemie als einzige der größeren Volkswirtschaften, und zwar mit 2,3 Prozent.
Stimmungsindikatoren zur derzeitigen konjunkturellen Situation zeigen sowohl für China wie auch für die USA Wachstum an. Der Einkaufsmanagerindex, ein konjunktureller Frühindikator, bei dem Werte über 50 eine wachsende Wirtschaft anzeigen, ist sowohl für China wie auch für die USA im expansiven Bereich, wenn auch mit rückläufiger Tendenz für China. Die Expansion erstreckt sich dabei in beiden Ländern sowohl auf die Industrie als auch auf den Dienstleistungssektor.
Insgesamt sind die Aussichten beider Volkswirtschaften für das laufende Jahr ausgesprochen positiv. Die prognostizierten Wachstumsraten liegen mit rund acht Prozent für China und über sechs Prozent für die USA in einer Höhe, die China seit einigen Jahren und die USA seit einigen Jahrzehnten nicht mehr erreicht haben. Sie liegen auch sehr viel höher als in der Eurozone.
Die Impfungen in den USA schreiten mit hoher Geschwindigkeit voran und treiben die konjunkturelle Erholung. Am 9. März 2021 hatten die Vereinigten Staaten 94 Millionen Menschen geimpft und damit 28 Prozent der Bevölkerung, ein dreimal so hoher Wert wie in Deutschland.² Die Arbeitslosigkeit in den USA sinkt und liegt bei etwas über sechs Prozent. Damit haben sich die Befürchtungen einer Massenarbeitslosigkeit im Zuge der Corona-Krise nicht bestätigt.
Die positive Wachstumsdynamik, die der Einkaufsmanagerindex anzeigt, dürfte sich im zweiten Quartal mit der steigenden Zahl der Impfungen noch deutlich erhöhen. Auf diese positive Grundstimmung trifft das gigantische neue Corona-Hilfspaket der Biden-Administration, das die parlamentarischen Hürden am 10. März endgültig gemeistert hat. Es beläuft sich auf eine Summe von 1,9 Billionen Dollar und damit acht Prozent des US-Bruttosozialprodukts. Das Paket sieht direkte Transfers über 1.400-Dollar-Schecks für alle Amerikaner mit einem Jahreseinkommen unter 80.000 Dollar vor, eine Aufstockung des Arbeitslosengeldes, steuerliche Freibeträge für Eltern, Zuschüsse für Bundesstaaten und Schulen sowie mehr Mittel für Impfungen, Corona-Tests und Impfstoffherstellung.
Diese Maßnahmen werden zwar einerseits die Staatsverschuldung noch einmal massiv erhöhen, aber auch das Wachstum deutlich anschieben. Der starke Impuls der Fiskalpolitik und die damit einhergehende Erhöhung der Nachfrage dürfte auch mit steigender Inflation einhergehen. Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass die US-Geldpolitik im Einklang mit ihrer neuen Strategie expansiv bleiben wird und Leitzinserhöhungen nicht stattfinden werden.
Die OECD rechnet damit, dass sich das Wachstum 2021 in den USA infolge des Konjunkturpakets um drei Prozentpunkte erhöht. Insgesamt dürfte es somit in diesem Jahr den meisten Prognosen zufolge bei über sechs Prozent liegen. Auch wenn das Wachstum nach der Schrumpfung im letzten Jahr von einem niedrigeren Level startet, ist das ein Wert, den die USA seit fast 40 Jahren nicht mehr erreicht haben.
Nach den aktuellsten Impfdaten für China waren Ende Februar 52 Millionen Menschen geimpft. Allerding zählt China aktuell auch nur 23 Neuinfektionen pro Tag, so dass das Corona-Virus hier grundsätzlich unter Kontrolle ist und die wirtschaftliche Aktivität nicht mehr direkt beeinträchtigt.³ Im letzten Quartal 2020, in dem die europäischen Länder mit der zweiten Corona-Welle zu kämpfen hatten, lag die Wirtschaftsleistung Chinas um über sechs Prozent über dem entsprechenden Quartal 2019. Vor allem der private Konsum, der davor sehr zögerlich gewachsen war, erholte sich; im Außenhandel konnten stark steigende Exporte verzeichnet werden.
Insgesamt waren staatliche Investitionen und Industrieexporte die Treiber der Erholung 2020 nach der ersten Wellte der Pandemie in China. Auch die chinesischen Importe stiegen deutlich, was wiederum deutschen Exporteuren half. Die deutschen Exporte nach China lagen nach Daten des Statistischen Bundesamtes im vierten Quartal 2020 um fast neun Prozent über dem entsprechenden Vorjahresquartal. Die Daten des Einkaufsmanagerindex legen nahe, dass sich die Geschwindigkeit der Erholung abschwächt, wenn auch auf hohem Niveau. Die konjunkturpolitischen Impulse in China dürften im laufenden Jahr zurückgefahren werden, so dass sich die Wachstumstreiber ändern und die privaten Investitionen wieder eine größere Rolle spielen werden.
Das Wachstum des laufenden Jahres startet von einer niedrigeren Basis als gewöhnlich, weshalb die Wachstumsraten hoch sein werden und laut OECD bei knapp acht Prozent liegen dürften und damit so hoch wie das letzte Mal 2013. Andere Prognosen sehen China bei deutlich über 8 Prozent Wachstum. Längerfristig dürfte das Wachstum in der Volksrepublik wieder auf den Vor-Corona-Wachstumspfad einbiegen, der eher bei um die sechs Prozent liegt. Die Zielsetzung der chinesischen Führung, das Land in eine stärker Binnen- und Dienstleistungs-orientierte Wirtschaft zu transformieren, bleibt bestehen.
Insgesamt sind die Aussichten für China und die USA im laufenden Jahr sehr positiv, und die beiden größten Volkswirtschaften der Welt dürften die Corona-Krise hinter sich lassen. Dies setzt allerdings voraus, dass das Virus durch Impfen oder andere Maßnahmen unter Kontrolle bleibt und es zu keiner neuen Welle kommt. Eine langfristige makroökonomische Konsequenz hatte die Corona-Krise allerdings in jedem Fall. Durch die Wachstumslücke im letzten Jahr nähert sich die chinesische Wirtschaftsleistung der amerikanischen schneller an als ursprünglich angenommen. Ursprünglich war erwartet worden, dass China die USA Anfang der 2030er Jahre als größte Volkswirtschaft der Welt ablösen wird. Nach Berechnung des Center for Economics and Business Research wird dies nun ungefähr fünf Jahre früher geschehen und China könnte bereits 2028 die größte Wirtschaft des Planeten sein.
¹ BDI Research. Quartalsbericht Deutschland Q1-2021 – Wirtschaft wächst im Jahr 2021 um 3,5 Prozent.
² Our World in Data. Cumulative Covid-19 Doses Administered. Accesses 11.3.2021
³ Our World in Data. Daily New Confirmed Covid-19 Cases sowie Cumulative Covid-19 Vaccine Doses Administered.
Dr. Alexander Börsch ist Chefökonom und Leiter Research Deloitte Deutschland. Sein Fokus liegt auf der Analyse ökonomischer Trends und ihren Auswirkungen auf Unternehmen und Unternehmensumfeld. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen Wachstum und Konjunktur, Brexit, digitale Ökonomie sowie Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Städten und Ländern.