Posted: 07 Oct. 2022 5 min Lesezeit

Economic Trend Briefing: Der Abschwung ist da – Flash-Ergebnisse des Deloitte CFO Survey Herbst 2022

Das Jahr 2022 brachte für Unternehmen und Konjunktur bisher sehr wenig gute, dafür umso mehr schlechte Nachrichten. Der Krieg in der Ukraine, die in der Folge explodierenden Energiepreise, die hohe Inflation, die wirtschaftliche Schwäche in China und den USA und die Kehrtwende in der Geldpolitik sind dabei nur die wichtigsten Faktoren. Im Zusammenspiel sorgten diese neuen Risiken dafür, dass der noch zu Beginn des Jahres erwartete starke Aufschwung ausblieb. Stattdessen mussten die Konjunkturprognosen kontinuierlich herabgesetzt werden, auch wenn das Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr immerhin noch positiv war.

Nachdem die Unternehmen seit Herbst 2020 sehr positiv gestimmt waren, hatte der vorangegangene CFO Survey im Frühjahr 2022 in der Folge des Ukraine-Kriegs einen tiefen Stimmungsumschwung konstatiert. Der aktuelle Deloitte CFO Survey Herbst 2022 zeigt nun, dass die Stimmung in den Unternehmen noch einmal stark gesunken ist und dass sie sich im Abschwung sehen. An der Umfrage, die zwischen dem 9. und dem 29. September 2022 durchgeführt wurde, nahmen 124 Finanzvorstände deutscher Großunternehmen teil.

Die Konjunktur- und Geschäftsaussichten gehen weiter zurück und nähern sich den Werten zu Zeiten der ersten Corona-Welle an. Gleichzeitig bleiben die Inflationserwartungen der Finanzvorstände für 2023 hoch und liegen auch für 2024 sehr deutlich über den Zielen der Europäischen Zentralbank. Die Beschäftigungsabsichten rutschen in den leicht negativen, die Investitionsabsichten in den deutlich negativen Bereich – und die Erwartungen für die operativen Margen sind noch einmal pessimistischer als vor einem halben Jahr. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass Kostensenkungen strategische Priorität für die deutschen Unternehmen haben.

Die wahrgenommene Unsicherheit im ökonomischen Umfeld erreicht die höchsten Werte seit Beginn des CFO Survey im Jahr 2012. Gleichzeitig verschieben sich die wichtigsten Risikofaktoren: Neben zunehmenden Energiekosten sind steigende Lohnkosten und – nach wie vor – der Fachkräftemangel aus Sicht der deutschen Unternehmen die gravierendsten Risiken. 

 

Konjunktur- und Geschäftserwartungen auf dem Weg Richtung Tiefststand

 

Ein wichtiger Unterschied zu den Konjunkturerwartungen vom Frühjahr ist, dass inzwischen nicht mehr nur die wirtschaftlichen Aussichten, sondern auch die Lage in Deutschland und in der Eurozone negativ gesehen werden. Über die Hälfte der Befragten beurteilt die Lage als schlecht oder sehr schlecht, ein gutes Drittel als neutral und nur sehr wenige als gut (Indexwert Deutschland: -38, Indexwert Eurozone: -46).

Bei den Aussichten für Deutschland und die Eurozone für die nächsten zwölf Monate erwarten über zwei Drittel der Finanzvorstände eine Verschlechterung und nur eine Minderheit eine Verbesserung (Indexwert Deutschland: -53, Indexwert Eurozone: -57). Für die USA und China sind die CFOs deutlich positiver gestimmt. Die wirtschaftliche Lage in den USA wird positiv gesehen (Indexwert: +26), in China negativer (Indexwert: -15). Bei den Aussichten liegen die entsprechenden Indexwerte sehr viel höher als für Deutschland und die Eurozone, wenn auch knapp negativ (-5 für die USA, -4 für China).

Bei den Geschäftsaussichten für das eigene Unternehmen im Vergleich zu vor drei Monaten setzt sich der Abschwung vom Frühjahr unvermindert fort. Deutlich über zwei Drittel sehen sie pessimistischer, nur noch neun Prozent positiver, was einem Indexwert von -63 entspricht. Damit liegen die Werte sehr nahe am bisherigen Tiefstwert der ersten Corona-Welle im März bzw. April 2020. 

Besonders pessimistisch hinsichtlich der Geschäftsaussichten sind die Chemiebranchen (Indexwert: -100), die Immobilienwirtschaft (-88) und die Autoindustrie (-78), während sich die Konsumgüterindustrie zumindest im Vergleich noch relativ optimistisch zeigt (-33). 

 

Inflationserwartungen bleiben hoch

 

Die derzeit hohe Inflation ist aus Sicht der CFOs keine vorübergehende Erscheinung. Auf Deutschland bezogen rechnen sie für 2023 mit 7,1 Prozent Inflation. Damit sind sie etwas optimistischer als die letzten Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute, die Werte von knapp unter beziehungsweise knapp über neun Prozent annehmen.¹ Dafür geben sich die CFOs etwas pessimistischer, was die Dauer der Inflationsphase angeht. Während die meisten Konjunkturforscher von einem deutlichen Rückgang der Inflation im Jahr 2024 in Richtung zwei Prozent ausgehen, erwarten die CFOs für das übernächste Jahr immer noch 4,8 Prozent Inflation – und damit eine deutlich mehr als doppelt so hohe Inflation wie von der EZB angepeilt. Für die Eurozone gehen die CFOs von noch höheren Werten aus – 7,5 Prozent für 2023 und 5,2 Prozent für 2024.

Ein wichtiger Inflationstreiber ist die Lohn- und Gehaltsentwicklung, die entscheidend für die Zweitrundeneffekte der Inflation ist. Auch hier erwarten die CFOs eine deutliche Dynamik nach oben. Im Durchschnitt gehen sie davon aus, dass Löhne und Gehälter in ihrem eigenen Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten um 5,4 Prozent steigen werden. Interessanterweise gehen hier sowohl die Großunternehmen mit über einer Milliarde Euro Umsatz wie auch der große Mittelstand von derselben Zunahme aus. In der Chemieindustrie sollen die Löhne mit 6,3 Prozent besonders stark steigen. 

 

Pläne für Investitionen und Beschäftigung negativ

 

Das wirtschaftliche Umfeld schlägt sich zunehmend in den Planungen der Unternehmen nieder. Während die Investitions- und Beschäftigungspläne im letzten Herbst nahe an ihren Höchstständen lagen und im Frühjahr 2022 stark fielen, liegen jetzt beide Indikatoren im negativen Bereich. Der Indexwert für Investitionen fällt von vier im Frühjahr auf -25, der für Beschäftigung von 17 auf minus drei. Sprich: Die Unternehmen agieren sehr viel vorsichtiger. Am niedrigsten liegt die Investitionsbereitschaft in der Autoindustrie und im Maschinenbau. Angesichts der steigenden Kosten durch Inflation, Energiepreise und Lohnkosten beurteilen die befragten Unternehmen die Aussichten für ihre operativen Margen sehr negativ (Indexwert: -45). In einer langfristigen Perspektive liegen die Werte für Umsatz, Investitionen und Beschäftigung deutlich über den Tiefstständen zu Zeiten der Eurokrise oder der ersten Corona-Welle; bei den operativen Margen liegt der Wert nur noch knapp über dem bisher erreichten Tiefststand in der Eurokrise.

In diesem Umfelds ändern sich die strategischen Prioritäten der Unternehmen. Vor allem eher offensiv ausgerichtete Strategien, wie beispielsweise Expansion in neue Märkte, treten in den Hintergrund, während Kostensenkungen für über 70 Prozent der Firmen nun klare Priorität haben. Innovation in Form Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen bleibt aber durchaus wichtig für viele Unternehmen. 

Risiken

 

Der Ukraine-Krieg hatte im Frühjahr die Risikokarte der CFOs stark geändert und geopolitische Risiken an die Spitze des Rankings katapultiert. Im Herbst 2022 sind es die steigenden Energiekosten, die die Liste der wichtigsten Risikofaktoren für das eigene Unternehmen in den nächsten 12 Monaten anführen, gefolgt von der Sorge um steigende Lohnkosten und dem Dauerthema Fachkräftemangel. Geopolitische Risiken folgen knapp dahinter, während das Risiko einer schwächeren Inlandsnachfrage vor dem Hintergrund von Kaufkraftverlusten durch Inflation und Rezessionssorgen stark zunimmt. Dagegen hat die Gefahr steigender Rohstoffkosten im Vergleich zum Frühjahr deutlich abgenommen.

In einer Industrieperspektive sind die steigenden Energiekosten für alle Teilnehmer aus den Sektoren Automobil, Chemie, Gesundheitswesen und Pharma ein hohes Risiko. Der Fachkräftemangel wiederum birgt für die überwältigende Mehrheit der Teilnehmer in der Automobilindustrie, dem Bauwesen, dem Gesundheitssektor sowie der Transport- und Logistikindustrie ein hohes Risiko. 

Die Ballung der aktuell herrschenden Risiken zeigt sich im Niveau der Unsicherheit, welche die CFOs momentan im ökonomischen Umfeld sehen. Aktuell erreicht die Unsicherheit einen neuen Rekordwert in der zehnjährigen Geschichte des CFO Survey – und liegt damit höher als während der Corona-Pandemie oder während der Eurokrise am Beginn des letzten Jahrzehnts. 85 Prozent der Unternehmen schätzen mittlerweile die Unsicherheit als hoch oder sehr hoch ein.

Fazit

 

Insgesamt zeigen die Ergebnisse des CFO Survey Herbst 2022, dass die schlechten Aussichten aus dem Frühjahr mittlerweile bei den Unternehmen angekommen sind. Der Stimmungsabschwung setzt sich weiter fort und nähert sich bei einigen Indikatoren wie Geschäftsaussichten oder operativen Margen den Tiefstständen in der zehnjährigen Geschichte des CFO Survey.

Dies passt zum neuen konjunkturellen Umfeld in Deutschland, in dem eine Rezession ab dem vierten Quartal bis zum Frühjahr 2023 das wahrscheinlichste Szenario ist. Allerdings gibt es auch einige stabilisierende Faktoren, wie den hohen Auftragsbestand in der Industrie und den nach wie vor sehr stabilen Arbeitsmarkt. Das Winterhalbjahr wird eine Herausforderung für die deutsche Wirtschaft, bevor dann hoffentlich ab dem Frühjahr 2023 die Wachstumskräfte wieder einsetzen. 

 

 

¹  Ifo Institut. Ifo Konjunkturprognose Herbst 2022, 12.9.2022. https://www.ifo.de/fakten/2022-09-12/ifo-konjunkturprognose-herbst-2022-inflation-wuergt-privaten-konsum-ab-deutsche; Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2022. Energiekrise: Inflation, Rezession, Wohlstandsverlust. https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/-ifw/Gemeinschaftsdiagnose/Langfassungen/IfW_Kiel_GD_2_2022_unkorrigiert_RZ.pdf

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Dr. Alexander Börsch

Dr. Alexander Börsch

Chefökonom & Director Research

Dr. Alexander Börsch ist Chefökonom und Leiter Research Deloitte Deutschland. Sein Fokus liegt auf der Analyse ökonomischer Trends und ihren Auswirkungen auf Unternehmen und Unternehmensumfeld. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen Wachstum und Konjunktur, Brexit, digitale Ökonomie sowie Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Städten und Ländern.