Posted: 09 Feb. 2024 5 min Lesezeit

Trends im Welthandel: Comeback oder andauernde Flaute?

Das weltweit eher schwache Wirtschaftsjahr 2023 hat auch im Welthandel deutliche Spuren hinterlassen. So entwickelte sich das globale Handelswachstum durch den Nachfragerückgang vor allem in den USA, China und Europa sehr verhalten. Daneben belasteten die anhaltenden geopolitischen Spannungen weiterhin das Wachstum. So erreichte die Anzahl der neu errichteten Handelshemmnisse im vergangenen Jahr ihren Höhepunkt.

Im Jahr 2024 kristallisieren sich vor allem drei Trends heraus, die den Handel prägen dürften. Erstens, geopolitische Krisen und neue Risiken für die Lieferketten, etwa durch den Konflikt im Roten Meer oder die Dürre im Panamakanal. Zweitens dürfte der Rückgang der Rohstoffpreise und der Inflation den globalen Handel wieder stärken. Drittens bietet der digitale Handel einen Hoffnungsschimmer und dürfte in diesem Jahr und darüber hinaus weiter an Bedeutung gewinnen.

 

Welthandel entwickelte sich 2023 schwach

 

Der Welthandel entwickelte sich in den letzten Jahren höchst volatil. Während der Corona-Krise zeigte sich der Welthandel erstaunlich widerstandsfähig und half Deutschland, die Krise konjunkturell gut zu durchstehen. Anfang 2022 erreichte der globale Handel ein Rekordhoch, angetrieben von der Erholung nach der Corona-Krise. Seitdem ist der Welthandel allerdings stetig zurückgegangen. Im Jahr 2023 sank er im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent.¹

Diese Schwäche des Welthandels ist insbesondere auf das eher dürftige Wachstum der Industrieländer und die schleppende Entwicklung der ostasiatischen Länder zurückzuführen. Obwohl das gehandelte Volumen nur leicht zurückgegangen ist, hat der starke Rückgang der Rohstoffpreise zu einem geringeren monetären Wert des globalen Handels insgesamt geführt.²

Auf der positiven Seite ist der Dienstleistungshandel, der in den letzten Jahren zu einem entscheidenden Treiber des Welthandels geworden ist, weiter gestiegen.

Auch die Entwicklung der Exporte von Waren und Dienstleistungen aus den drei wichtigsten Wirtschaftsräumen USA, China und der EU zeigt, dass 2023 ein schwaches Jahr war. Diese machen zusammen 53 Prozent des Welthandels aus und haben sich recht unterschiedlich entwickelten (Abbildung 1).³

 

Abbildung 1: Entwicklung der Exporte Chinas, USA und der EU (Veränderung in Prozent)

2023 sind Chinas Exporte vor allem im Januar und im Februar stark eingebrochen. Im zweiten Quartal kam es zu einer deutlichen Erholung, jedoch nur für eine kurze Dauer. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Volksrepublik und wegen des Rückgangs der weltweiten Nachfrage sind die chinesischen Exporte bis zum Jahresende deutlich gesunken.

Das Handelswachstum in den USA und der EU war weniger volatil. In der Jahresmitte kam es in beiden Wirtschaftsräumen zu einem Einbruch des Warenhandels, wobei sich die USA schneller und deutlicher erholten als die EU. Mit Ausnahme des ersten Quartals in den USA waren die Exportwachstumsraten im Dienstleistungssektor in beiden Wirtschaftsräumen leicht positiv. Vor allem in der EU war die Exportwachstumsrate im Dienstleistungshandel höher als bei den Güterexporten.

Auch Deutschland, das traditionell vom Export und damit von den drei großen Märkten China, USA und EU abhängig ist, verzeichnete eine ähnliche Entwicklung im Handel. Wie Abbildung 2 zeigt, stiegen die Exporte und Importe zu Beginn des Jahres im Februar, gingen dann aber bis Oktober 2023 kontinuierlich zurück. Wie abhängig Deutschland von der wirtschaftlichen Lage in anderen Ländern ist, zeigt auch ein Blick nach China: Die deutschen Exporte in Reich der Mitte sanken zwischen Februar und Oktober um sieben Prozent. Aber auch die Exporte in die USA, den größten deutschen Exportmarkt, und innerhalb der EU gingen in der Jahresmitte zunächst stärker zurück. Im November kam es zwar zu einer leichten Erholung, aber zum Jahresende hin war der Handel wieder deutlich rückläufig.⁴

 

Abbildung 2: Entwicklung des deutschen Handels in 2023 (in Milliarden Euro)

Ausblick 2024

Für die Entwicklung des Welthandels 2024 dürften drei Trends entscheidend sein und den Handel maßgeblich beeinflussen:

Geopolitische Unabwägbarkeiten 

Die geopolitischen Spannungen dürften auch 2024 hoch bleiben und können den Welthandel weiterhin beeinträchtigen. So können zum einen die Spannungen aufgrund des Krieges in der Ukraine und des Konflikts im Nahen Osten den Handel und die Lieferketten weiterhin massiv unter Druck setzen. Zum anderen könnte sich auch der schwelende Konflikt zwischen Taiwan und China deutlich negativ auswirken.

Aktuell ist der Handel im Roten Meer durch den Angriff der Huthi-Miliz auf Frachter massiv beeinträchtigt. Im Dezember 2023 ging die Frachtkapazität im Roten Meer um 70 Prozent zurück.5 Wie Abbildung 3 zeigt, werden rund 19 Prozent des Welthandels über diese Schifffahrtsroute abgewickelt, so dass die Angriffe erhebliche Auswirkungen auf den Handel haben. Der aktuelle Drewry WCI Composite Index, der die Kosten pro Hochseecontainer angibt, erreichte im Januar mit 3.964 USD den höchsten Stand seit Oktober 2022. Dies entspricht einem Anstieg von 186 Prozent im Vergleich zum Vormonat Dezember 2023.6

Dies zeigt auch der Vergleich mit der Blockade des Suezkanals durch das Schiff „Ever Given" im Jahr 2021, die zu Kosten von rund 10 Milliarden USD pro Tag führte.Darüber hinaus beeinträchtigt die anhaltende Dürre in Panama derzeit den Panamakanal, was sich vor allem auf den Handel in Nordamerika negativ auswirkt. Ein weiteres Risiko ist, dass etwa 30 Prozent des Welthandels durch die Meerenge des Südchinesischen Meeres fließen, was im Falle eines Konflikts zu erheblichen Störungen des Welthandels führen könnte.

 

Abbildung 3: Engstellen im globalen Containerhandel (Gemessen am Anteil am weltweiten Handel in Prozent)

Rückgang der Inflation treibt weltweite Nachfrage

Ein positiver Trend, der sich weltweit beobachten lässt, ist der Rückgang der Inflation. Dies kann zu einem Anstieg der konsumgetriebenen Nachfrage führen, mit möglicher Stimulanz für den Welthandel. Darüber hinaus dürften Mitte bis Ende des Jahres die ersten Zinssenkungen in der EU und den USA erfolgen, was die Wirtschaft ankurbeln könnte. Dies wird zu einer Belebung der weltweiten Nachfrage führen und den Welthandel vor allem in der zweiten Jahreshälfte fördern.

Digitaler Handel stark im Kommen

Weiterhin lohnt es sich auch einen Blick auf die Zusammensetzung des Welthandels zu werfen. Bei genauerer Betrachtung lässt sich feststellen, dass insbesondere der digitale Handel bereits heute ein sehr rasantes Wachstum erfährt und im Vergleich zu anderen Dienstleistungssektoren und dem Warenhandel am schnellsten wächst. Im Jahr 2022 machte der digitale Handel bereits 54 Prozent des Dienstleistungssektors mit 3,82 Billionen USD aus und wuchs zwischen 2019 und 2022 um 40 Prozent.8 Der digitale Handel entspricht etwa 12 Prozent des gesamten internationalen Handels.9 Angesichts weiterer Digitalisierungstendenzen ist davon auszugehen, dass der digitale Handel weiter kräftig wachsen wird und eine entscheidende Triebkraft für die Weltwirtschaft sein kann.

 

Abbildung 4: Wachstumsraten des Welthandels (Veränderung in Prozent)

Insgesamt dürfte sich der globale Handel in den ersten sechs Monaten verhalten entwickeln. Für die zweite Jahreshälfte ist mit einer positiven Entwicklung zu rechnen, vor allem aufgrund niedrigerer Zinsen und einer weiteren Ankurbelung der weltweiten Konjunktur. So erwartet Deloitte Economic Research in seinen Berechnungen auf Basis von Oxford Economics ein Wachstum des Welthandels in 2024 von etwa zwei Prozent.

Das ist mehr als im Jahr 2023, aber immer noch deutlich unter der durchschnittlichen langfristigen Wachstumsrate des Welthandels von knapp vier Prozent. Dies alles unter dem Vorbehalt, dass der Welthandel nicht durch aufkeimende geopolitische Turbulenzen beeinträchtigt wird. Zudem deutet das relativ schwache Wachstum darauf hin, dass die Angebotsschocks der letzten Jahre noch nicht überwunden sind und weiterhin nachwirken.

 

1 UNCTAD (2023), Global Trade Update, abgerufen am 01.02.2024.

2 Es gibt zwei Hauptkomponenten, die in den monetären Wert des Welthandels einfließen: Handelspreise und Handelsvolumen. Ein Absinken der Handelspreise, z. B. aufgrund der Rohstoffpreise, führt zu einem Rückgang der gemessenen Handelswerte.

3 Weltbank (2023), World Development Indicators, abgerufen am 29.01.2024.

4 Destatis (2024), Außenhandel, abgerufen am 29.01.2024.

5 IfW Kiel (2024), Kiel Trade Indicator, abgerufen am 29.01.2024.

6 Drewry (2024), World Container Index - 25 Jan, abgerufen am 01.02.2024.

7 Allianz (2021), Blockade im Suez-Kanal und die Risiken für Mega-Schiffe, abgerufen am 29.01.2024.

8 WTO (2023), Global Trade Outlook and Statistics, abgerufen am 29.01.2024.

9 WTO (2023), Digital Trade for Development, abgerufen am 29.01.2024.

 

Ansprechpartner Research:

Dr. Timo Walter

Associate Manager | Economics

twalter@deloitte.de

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Dr. Alexander Börsch

Dr. Alexander Börsch

Chefökonom & Director Research

Alexander Boersch is chief economist and a director (research) at Deloitte Germany. In his research, he focuses on European and German economics, the development of the digital economy as well as on demographic and globalization trends.