Posted: 06 Jun. 2024 7 min Lesezeit

FS Industry Briefing: Geschwindigkeits-Boost im Zahlungsverkehr 

Echtzeitüberweisungen werden zum neuen Standard

Dass eine Überweisung innerhalb weniger Sekunden auf dem Empfängerkonto gutgeschrieben wird, hat sich in Ländern wie dem Vereinigten Königreich oder Singapur bereits seit Jahren etabliert. Mit der heutigen Standardüberweisung, die typischerweise mindestens einen Werktag für ihre Ausführung benötigt, hinkt Deutschland dieser Entwicklung noch hinterher: Weniger als ein Viertel der Verbraucher [1] nimmt den Service von sogenannten Echtzeitüberweisungen, die einen sofortigen Zahlungseingang ermöglichen, regelmäßig in Anspruch. Zu diesem Ergebnis kommt die neueste Befragung unter 1.000 repräsentativen Konsumenten in Deutschland, die Deloitte im Februar 2024 durchgeführt hat.

Doch auch hierzulande kommt Bewegung in diese Thematik, denn das EU-Parlament hat Anfang des Jahres beschlossen, dass Banken Echtzeitüberweisungen in Zukunft verpflichtend anbieten müssen. Dabei dürfen keine höheren Gebühren als für eine Standardüberweisung verlangt werden. [2] Zwar wurden die technischen Voraussetzungen für Echtzeitüberweisungen in der EU bereits 2017 geschaffen, wie stark sich dieser Service bisher etablieren konnte, ist jedoch von Land zu Land höchst unterschiedlich. Der neue Vorstoß ist dazu gedacht, die eher schleppende Adaption in Nachzüglerstaaten wie beispielsweise Deutschland zu beschleunigen.

Die Ergebnisse unserer Befragung zeigen, dass Echtzeitüberweisungen ohne Zusatzkosten für Verbraucher einen echten Mehrwert bieten. Entsprechend plant ein großer Teil der Konsumenten, ihre bisherigen Überweisungen durch die schnellere Variante zu ersetzen. Klar ist deshalb: Die Echtzeitüberweisung wird sich auch in Deutschland als neuer Standard etablieren. Für die Finanzbranche ist es daher höchste Zeit, das aufkommende Momentum für sich zu nutzen.

 

                                                                       

[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit gelten sämtliche Personenbezeichnungen gleichermaßen für alle Geschlechter.

[2] Quelle: tagesschau.de (07.02.2024), Banken müssen Überweisungen in Echtzeit anbieten, https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/echtzeitueberweisung-eu-parlament-100.html (zuletzt abgerufen am 28.5.2024).

Echtzeitüberweisung wird trotz guter Verfügbarkeit kaum genutzt

Der erste Schritt hierzu wurde bereits von vielen Banken unternommen, denn der Großteil deutscher Institute hat Echtzeitüberweisungen – auch in Antizipation der neuen Gesetzeslage – bereits technisch umgesetzt und in seine Angebotspalette aufgenommen. Genauer gesagt besitzen drei Viertel aller Befragten schon heute ein Konto, von dem sie wissen, dass es über die Möglichkeit zur Echtzeitüberweisung verfügt (s. Abb. 1). Dies verdeutlicht auch, dass sich Verbraucher zum überwiegenden Teil bewusst darüber sind, dass sie ihre Überweisungen im Eilverfahren durchführen können. Wird eine Zahlung im Online-Banking veranlasst, erfolgt typischerweise ein Hinweis auf diese Option, den Kunden durchaus zur Kenntnis nehmen.

Verbrauchern fehlt es also weder an Information noch an der Verfügbarkeit, wenn sie eine Echtzeitüberweisung tätigen möchten. Trotzdem wird die Möglichkeit von weniger als einem Viertel der Deutschen regelmäßig genutzt (s. Abb. 2). Oft werden für das Schnellverfahren zusätzliche Gebühren fällig, die abschreckend wirken können, selbst wenn es sich dabei lediglich um geringere Beträge handelt. Zudem ist die Standardüberweisung beim Online-Banking typischerweise voreingestellt, die Durchführung einer Echtzeitüberweisung müsste hingegen extra ausgewählt werden. Daher wird auch aus Gewohnheits- und Komfortgründen in den meisten Fällen auf die langsamere Standardvariante zurückgegriffen.

Echtzeitüberweisungen mit Zusatzgebühren sind laut der deutlichen Befragungsergebnisse für Verbraucher nicht attraktiv genug, um zu einer bevorzugten Zahlungsmethode zu werden. Für die alltägliche Begleichung von Rechnungen ist das preiswertere Standardverfahren ausreichend. Das Wegfallen der Zeitverzögerung bietet hier für den Zahlenden keinen ausreichenden Mehrwert. 

Echtzeitüberweisungen bewahren vor Frustration

Nichtsdestotrotz gibt es genügend Situationen, in denen eine Standardüberweisung zu spät auf dem Empfängerkonto eingeht – und ein sofortiger Geldeingang viel Ärger erspart hätte. Ganze 45 Prozent der Verbraucher haben dies schon selbst erfahren müssen (s. Abb. 3). Unter anderem können bei rückständigen Zahlungen Mahngebühren, Strafzahlungen oder Dispozinsen fällig werden. In solchen Fällen kommen die Vorzüge der Echtzeitüberweisung zur Geltung, denn mit deren Hilfe lassen sich derartige Unannehmlichkeiten deutlich einfacher vermeiden.

Gebührenfreiheit macht Echtzeitüberweisungen alltagstauglich

Doch auch im alltäglichen Gebrauch kann ein Umstieg hin zu Echtzeitüberweisungen sinnvoll sein, denn es bestehen dann keinerlei Unsicherheiten mehr darüber, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Zahlung eingegangen ist. Mit dem Hinweis im Online-Banking, dass der Auftrag erfolgreich ausgeführt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass das Geld auch beim Empfänger angekommen ist. Folglich sind unangenehme Überraschungen, die mit einem ungewissen Zahlungseingang einhergehen, weitestgehend vermeidbar. Aufgrund der sofortigen Verifikation entsteht ein stärkeres Sicherheitsgefühl, wodurch Verbraucher gedanklich mit der Transaktion abschließen können. Nicht zuletzt deshalb würden fast zwei Drittel der Befragten ihre alltäglichen Standardüberweisungen teilweise oder komplett durch die schnellere Variante ersetzen, sobald von Zusatzgebühren abgesehen wird (s. Abb. 4).

Insofern ist mit dem gesetzlich verordneten Wegfall der Extragebühren und den entsprechenden Hinweisen im Online-Banking ein bedeutender Anstieg des Volumens an durchgeführten Echtzeitüberweisungen zu erwarten. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich mehr und mehr Verbraucher an die schnellere Variante gewöhnen werden. Beschleunigt wird dieser Adaptionsprozess, sobald Banken die Echtzeitüberweisung als voreingestellte Option anbieten und stattdessen die Standardüberweisung extra ausgewählt werden muss. Warum eine Überweisung einen Tag oder länger dauern sollte, wird sich insbesondere für jüngere Konsumenten dann nicht mehr erschließen. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich die Echtzeitüberweisung als das neue Standardverfahren etabliert. 

 

Dynamische Entwicklungen eröffnen neue Handlungsfelder für Banken

Klar ist deshalb, dass sich die Echtzeitüberweisung – nicht zuletzt aufgrund der neuen gesetzlichen Verpflichtungen – zu einer flächendeckenden und attraktiven Zahlungsmethode entwickeln wird. Dass hierfür (über das Girokonto hinaus) keine weiteren Produktabschlüsse oder Registrierungen notwendig sind, sorgt für einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Zahlungsmethoden, wie beispielsweise Kreditkarten oder digitalen Wallets. Zudem können Zahlungen unter Privatpersonen auch bei höheren Summen [3] problemlos durchgeführt werden. Der Zahlungseingang für einen privaten Autokauf kann somit auch ohne Bargeld direkt bestätigt und das Auto übergeben werden. Echtzeitüberweisungen werden daher für einen erheblichen Wirbel im Markt für Zahlungsverkehr sorgen, aus dem sich für Banken unterschiedliche Herausforderungen und Möglichkeiten ergeben:

  • IT-Systeme auf hohe Volumina ausrichten: Mit dem Wegfall der Zusatzgebühren für Echtzeitüberweisungen und als voreingestellte Option („default“) werden deren Volumina in die Höhe schnellen. Um keine negative Überraschung zu erleben, müssen Banken ihre IT-Systeme schnellstmöglich auf diesen Anstieg vorbereiten.
  • Momentum für Innovationen nutzen: Die umfassende Einführung von Echtzeitüberweisungen bietet reichlich Potenzial für Innovation. Wer sich auf diesem Gebiet als Vorreiter etabliert, kann profitables Neugeschäft generieren und die eigene Marke stärken – insbesondere, wenn man bedenkt, dass Kunden deutlich mehr Innovation von ihren Banken erwarten. Gezielte Übernahmen oder Kooperationen mit Tech-Firmen sollten dabei ebenfalls in Betracht gezogen werden.
  • Entwicklungen bezüglich Request to Pay im Blick behalten: Anhand von Request to Pay (RTP) kann eine digitale Zahlungsaufforderung versendet werden, die vom Zahlungspflichtigen lediglich akzeptiert werden muss. Wird im Hintergrund eine Echtzeitüberweisung anstelle einer Standardüberweisung ausgelöst, kann der Zahlungseingang unmittelbar bestätigt werden. Damit wird die Kombination aus RTP und Echtzeitüberweisung für den Einzelhandel zu einer echten Zahlungsalternative – selbst an physischen Kassensystemen. Dass RTP den Wettbewerbsdruck auf dem Zahlungsmittelmarkt befeuern wird, gilt deshalb als äußerst wahrscheinlich. Für Banken bedeutet dies, dass sie sämtliche Entwicklungen rund um RTP scharf im Blick behalten und überprüfen müssen, inwiefern das eigene Angebot an die neuen Marktbedingungen angepasst werden sollte.

Dem gewaltigen Wandel im Payments-Bereich, der nicht nur von Echtzeitüberweisungen, sondern auch von Plänen für einen digitalen Euro als europäische CBDC (Central Bank Digital Currency) geprägt sein wird [4], sollte daher eine hohe Priorität eingeräumt werden. Denn um mit diesen rasanten Marktentwicklungen Schritt halten zu können, ist Voraussicht, Agilität und Kreativität gefragt. Nur so können die entstehenden Chancen ergriffen und neue Marktanteile gesichert werden. Die reine Implementierung neuer gesetzlicher Vorgaben wird hingegen nicht ausreichen, um der hohen Dynamik beim Thema Zahlungsverkehr gerecht zu werden.

 

                                                                                 

[3] Seit 2020 gilt für Echtzeitüberweisungen ein gesetzliches Limit von 100.000 Euro. Wie bei der Standardüberweisung gilt es jedoch auch hier zu beachten, dass zusätzlich ein bankseitiges Überweisungslimit für jedes Girokonto existiert. Dessen Erhöhung muss im Vorfeld der Transaktion bei der Bank beauftragt werden, da eine solche Anweisung nicht mit sofortiger Wirkung durchgeführt wird. Aus Sicherheitsgründen sollte das Limit nach der Transaktion wieder auf eine alltägliche Summe begrenzt werden.

[4] Der digitale Euro kann sich dabei die technologischen Vorteile einer Echtzeitüberweisung zunutze machen. Dies gilt für das Management des Haltelimits, welches für den digitalen Euro Anwendung finden soll. Führt beispielsweise ein Geldeingang auf dem Aufbewahrungsmedium (z.B. digitales Wallet) zu einem Überschreiten dieser Haltegrenze, entsteht ein Überschuss. Gemäß des „Wasserfallprinzips“ können die Mechanismen einer Echtzeitüberweisung dabei helfen, diesen Überschuss unmittelbar und in Echtzeit auf ein zuvor spezifiziertes Bankkonto zu transferieren. Umgekehrt können auch Zahlungen mit einem Betrag, der über dem aktuell verfügbaren Saldo des Wallets liegen („Reverse Waterfall“), durchgeführt werden, indem die Differenz aus Zahlungsbetrag und verfügbarem Saldo über das angegebene Bankkonto – sofern dort ausreichend Guthaben vorhanden ist – in Echtzeit ausgeglichen wird.

 

Autor

Dr. Florian Loipersberger

Senior | Financial Services Insights

 

Weitere Mitarbeit an dieser Studie: Dr. Birgit Schröder

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Christiane Neumüller

Christiane Neumüller

Director | Core Business Operations

Christiane Neumüller ist im Bereich Consulting und verantwortlich für die Themen Payments und Cards entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Sie verfügt über langjährige Erfahrung in der Finanzbranche, sowohl national als auch international. Christiane Neumüller sieht in der dynamischen Zahlungsverkehrsbranche ein großes und spannendes Wachstumspotenzial und unterstützt Kunden der verschiedenen Industrien dabei, die sich daraus ergebenden Chancen zu nutzen.