Im ersten Lockdown 2020 war alles neu: Die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Geschäfte und Restaurants, die Sorge um die eigene Gesundheit und die wirtschaftlichen Folgen der sich anbahnenden Krise. Als in Deutschland der zweite Lockdown in Kraft trat, fühlte sich diese Ausnahmesituation bereits vertraut an. Deutsche Verbraucher kehrten zu vielen Routinen und Konsummustern zurück, die sie bei den ersten Geschäftsschließungen und Einschränkungen entwickelt hatten. Allerdings zeigen sich im zweiten Shutdown auch Unterschiede: die Verbraucherstimmung trübt sich nicht mehr so stark ein und die Nutzung von E-Commerce und Click & Collect nimmt weiter zu. Das offenbart der Deloitte Global Consumer Pulse Survey, eine Konsumentenumfrage in 18 Ländern, die seit dem Beginn der Corona-Pandemie monatlich durchgeführt wird.
Während des Shutdowns zwischen März und April 2020 herrschte in Deutschland große Verunsicherung. Die rasante Ausbreitung des Coronavirus in ganz Europa – insbesondere in Italien, Frankreich und Spanien – sowie das rasche Ansteigen der Infektionszahlen hierzulande lösten unter deutschen Befragten große gesundheitliche Sorgen aus. Gleichzeitig führten die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zu unerwarteten Einkommensausfällen oder Kurzarbeit und somit zu einer hohen finanziellen Belastung vieler Haushalte. Die Ungewissheit um die Sicherheit des Arbeitsplatzes drückte die Verbraucherstimmung und Konsumneigung zusätzlich.
Im März 2021 fallen diese Bedenken hingegen deutlich niedriger aus. Das zeigt die aktuelle Erhebung des Deloitte Global Consumer Pulse Surveys. Im Vergleich zum ersten Lockdown sind die gesundheitlichen Sorgen um 20 Prozent gesunken und das trotz der Ausbreitung der Virusmutationen und des erneuten Anstiegs der Infektionszahlen.1 Zwei Gründe sind hierfür entscheidend: Erstens greifen wir auf die Erfahrung des letzten Jahres zurück, wo die Infektionszahlen über den Sommer stark zurückgegangen waren. Zweitens gibt die Aussicht auf eine baldige Impfung Anlass zur Hoffnung. Fast die Hälfte der deutschen Befragten geht davon aus, bis September einen vollständigen Impfschutz zu haben. Weitere 14 Prozent rechnen mit einer Impfung bis Ende des Jahres.
Dies führt gleichzeitig zu einer Reduktion der finanziellen Sorgen. Verglichen mit dem ersten Lockdown hat sich die Angst, in finanzielle Nöte zu geraten, halbiert. So verschiebt im ersten Quartal 2021 lediglich einer von vier Deutschen große Anschaffungen auf einen späteren Zeitpunkt. Noch geringer ist der Anteil derer, die befürchten, für laufende Kosten nicht aufkommen zu können.
Die verbesserte Verbraucherstimmung während der erneuten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zeigt sich auch im GFK Konsumklimaindex. Im Februar 2021 brach der Index weit weniger ein als letztes Jahr (-15,5 Punkte im Vergleich zu -23,1 im Mai 2020). Für März wird bereits eine leichte Erholung der Konsumneigung prognostiziert, die durch die Verlängerung des Lockdowns bis zum 18. April 2021 allerdings geringer ausfallen dürfte.2
Obwohl die Konsumneigung aktuell höher ist als im Shutdown des vergangenen Jahres, bedeutet dies nicht, dass Verbraucher ihr frei verfügbares Einkommen wieder häufiger für nicht zwingend notwendige Artikel wie Kleidung, elektronische Geräte oder die Wohnungseinrichtung ausgeben. Im Gegenteil: laut dem Deloitte Global Consumer Pulse Survey sind die geplanten Ausgaben in diesen Bereichen sogar weiter zurückgegangen. So verlor beispielsweise der Modehandel im Januar 2021 drei Viertel seiner Umsatzerlöse des Vorjahresmonats. Der Handel mit Einrichtungsgegenständen verzeichnete einen Rückgang von 43 Prozent.3
Das eingesparte Geld geben Verbraucher seit dem Beginn der Corona-Pandemie verstärkt für Produkte des täglichen Bedarfs aus. So stiegen die Ausgaben für Lebensmittel und Haushaltwaren im April 2020 um rund ein Drittel. Die erhöhten Lebensmittelausgaben lassen sich darauf zurückführen, dass aktuell fast die Hälfte der deutschen Befragten häufiger zu Hause kocht als vor der Pandemie. Bei einem Viertel der Konsumenten landen zudem vermehrt frische und qualitativ hochwertige Lebensmittel im Einkaufswagen. Dabei wird besonders auf regionale Produkte großer Wert gelegt.
Darüber hinaus planen Verbraucher höhere Ausgaben für Wohnen, Telefon und Internet, sowie ein größeres Budget für Medikamente und die Gesundheitsversorgung ein. An diesem Fokus auf notwendige Verbrauchsgüter hat sich auch im zweiten Lockdown nichts geändert.
Wenn sich Verbraucher während der Geschäftsschließungen doch einmal Produkte gönnen, die nicht zum Grundbedarf gehören, erfolgt der Einkauf derzeit übers Internet. Jeder zweite Befragte des Deloitte Global Consumer Pulse Survey kauft zurzeit häufiger online ein als noch vor der Pandemie. Das spiegelt sich auch in den Einzelhandelsumsätzen wider, die das Statistische Bundesamt für Januar 2021 veröffentlicht hat. Demnach konnte der Online-Handel seine Umsätze im Vergleich zum Vorjahresmonat um ein Drittel steigern. Das ist ein deutlicher Zuwachs gegenüber den ersten Geschäftsschließungen zwischen März und April des vergangenen Jahres. Dafür ist zum einen das erweiterte E-Commerce-Angebot der Händler verantwortlich, die über den Sommer ihre Omnichannel-Strategie auf- bzw. ausgebaut haben. Zum anderen wird der Zuwachs auch von E-Commerce-Neulingen getrieben, die das Online-Shopping erst letztes Jahr für sich entdeckt haben.
Was im zweiten Lockdown ebenfalls ausgeweitet wurde, ist das Angebot zur Nutzung von Click & Collect sowie Click & Meet. Fast die Hälfte der deutschen Befragten des Global Consumer Pulse Survey gibt aktuell an, Produkte seit dem Beginn der Corona-Pandemie vermehrt im Internet zu bestellen und sie vor Ort abzuholen. Der Hauptgrund der Nutzer ist die Unterstützung lokaler Geschäfte. Diese Intention nimmt seit Dezember stetig zu und wird voraussichtlich erst wieder abnehmen, wenn die Geschäfte wieder regulär öffnen dürfen.
Obwohl wir es im zweiten Lockdown mit ähnlichen Maßnahmen zu tun haben, ist die Situation aktuell doch eine andere. Das steigende Gefühl von Sicherheit – sowohl gesundheitlich als auch finanziell – und zunehmender Impffortschritt mit Aussicht auf ein Ende der Pandemie führen zu einer weit positiveren Verbraucherstimmung. Die Rückkehr zur Normalität ist mit Blick auf die sich anbahnende dritte Welle noch in weiter Ferne. Die Normalisierung des Konsumverhaltens, die bereits unter den aktuellen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen zu beobachten ist, deutet jedoch auf eine rasche Erholung des privaten Konsums nach dem zweiten Lockdown hin. Die wirtschaftliche Entspannung wird absehbar sogar stärker ausfallen als 2020.
1 Deloitte, Global Consumer Pulse Survey: März-Ausgabe
2 GfK-Konsumklima-Index für Deutschland 2020/2021
3 Statistisches Bundesamt, Einzelhandelsumsatz, Januar 2021
Ansprechpartner/in Research:
Anna Elin Seidel
Associate Manager | Trend & Consumer Research
Karsten Hollasch ist Partner im Bereich Financial Advisory mit Sitz in Düsseldorf. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich Transaction Services für Corporate- sowie Private-Equity-Kunden. Darüber hinaus verfügt er über Erfahrung in nationalen und internationalen Due-Diligence-Projekten. Er leitet weltweit den Private-Equity-Sektor in Financial Advisory und hat seit 2023 auch die Gesamtverantwortung über alle Businesses für das Private Equity Geschäft auf EMEA-Ebene. Darüber hinaus war er bis 2023 Leiter des Industriesegments Consumer Business bei Deloitte Deutschland und DCE.
Egbert Wege leitet als verantwortlicher Partner den Sektor Consumer Products & Retail sowie den Bereich Innovation. Sein Beratungsschwerpunkt liegt auf den Themen Handel, Multichannel, Digital Transformation, Digital Marketing sowie Markteintrittsstrategien und Digitalisierung, Kundenbindung, Branding und Innovation. Seine Handelserfahrungen an der Konsumentenschnittstelle bringt er auch in die Branchen Finanzdienstleistungen, Travel und Pharma ein. Egbert ist seit 1999 in der Beratung tätig. Zwischen 2005 und 2011 arbeitete er sechs Jahre lang für ein führendes internationales Versandhaus u. a. als Geschäftsführer.