Posted: 20 Jan. 2022 5 Lesezeit

Private Equity Sector Briefing: Folgen von COVID-19 Pandemie und Finanzkrise im Vergleich

Folgen von COVID-19 Pandemie und Finanzkrise nicht vergleichbar

COVID-19 und die Finanzkrise von 2008 lösten ökonomische Verwerfungen aus, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Während die Finanzkrise vorranging durch den Zusammenbruch von Finanzinstituten und einer anschließend langsameren Erholungsphase gekennzeichnet war, wurde im Zuge der Corona-Pandemie schneller und entschlossener gehandelt. Beachtliche Maßnahmen seitens Zentralbanken und Politik führten dazu, dass der Einbruch der Konjunktur und die Folgen für Finanzmärkte eher kurzlebig waren.

Auch der Private Equity Markt blieb von beiden Ereignissen nicht verschont. Um konkrete Auswirkungen der Corona-Krise sowie Unterschiede zur Finanzkrise genauer zu beleuchten, hat Deloitte im Juli und August 2021 Experteninterviews mit 23 Managern aus der Private Equity-Branche geführt. Dabei festigt sich folgendes Bild: Im Gegensatz zu 2008 stellen hohe Bewertungen Fonds aktuell vor große Herausforderungen. Veränderungen im Private Equity Sektor werden nach COVID-19 primär von technischer Innovation und Nachhaltigkeit ausgelöst werden. Nach der Finanzkrise war der Hauptauslöser noch die zunehmende Regulierung im Finanzsektor.

 

Hohe Bewertungen von Zielunternehmen als stärkste Auswirkung der Corona-Krise 

Bei der Frage nach den stärksten Auswirkungen auf ihre Fonds lässt die Rückmeldung der Befragten ein eindeutiges Muster erkennen: Jeweils 65 Prozent der Private Equity Experten geben an, dass hohe Bewertungen von Zielunternehmen und starker Wettbewerb am Markt als Folge der Pandemie die Fonds stark beeinflussen (s. Abb. 1). Zunächst klingt dieses Ergebnis wenig intuitiv. Marktteilnehmer geraten in Krisensituationen typischerweise in finanzielle Not und werden gezwungen, Vermögensgegenstände zu niedrigen Preisen zu veräußern. Doch umfängliche fiskalische Maßnahmen sowie eine lockere Geldpolitik konnten solche Notlagen verhindern. Stattdessen führt das billige Geld zu viel Liquidität und damit starker Konkurrenz um Vermögenswerte. Dies lässt die Bewertungen aller Anlageklassen – und damit auch Private Equity – in die Höhe schießen. Insgesamt gestaltet sich damit die Suche nach attraktiven Deals im aktuellen Umfeld als schwierig, da hoher Wettbewerbsdruck am Markt herrscht.

Abb. 1: „Die deutlichsten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf meine(n) Fonds sind bis jetzt …“ (Mehrere Antworten möglich).

 

Andere Themen wie fehlende Liquidität, Wertberichtigungen oder ein Mangel an Exit-Möglichkeiten werden hingegen nicht als Auswirkungen der Pandemie wahrgenommen. Auch frisches Kapital kann aktuell ohne größere Probleme eingesammelt werden: Nicht ein einziger Experte gibt an, aufgrund der Pandemie weniger Möglichkeiten beim Fund-Raising gehabt zu haben. Selbst Reisebeschränkungen konnten das Private Equity Geschäft nicht sonderlich beeinträchtigen. Lediglich 30 Prozent der PE-Experten berichten, dass entsprechende Auswirkungen auf die Geschäftsentwicklung ihrer Fonds zu den deutlichsten Folgen der Pandemie gehören.

 

Nicht-investiertes Kapital sorgt für unterschiedliches Verhalten

 

Dass diese aktuellen Umstände noch keine treibenden Kräfte während der Finanzkrise 2008 waren, sondern neue Phänomene sind, zeigt der Vergleich zur COVID-19 Krise: Für 43 Prozent der befragten Experten zählen höhere Bewertungen zu den Top 3 Faktoren, die unterschiedliches Verhalten motiviert haben. Zu 35 Prozent gilt dies für das aktuelle Niedrigzinsumfeld (siehe Abb. 2).

 

Abb. 2: „Welche Faktoren sind die Hauptgründe für das unterschiedliche Verhalten während der COVID-19-Krise im Vergleich zur Finanzkrise 2008?“ (1).

 

Doch nicht nur das externe Umfeld spielt eine Rolle - firmeninterne Aspekte hatten ebenfalls einen signifikanten Einfluss. Besonders hervorzuheben ist hier das nicht-investierte Kapital („Dry Powder“): 39 Prozent der Befragten geben unter den Top 3 Gründen für unterschiedliches Verhalten an, dass sie während der Corona Krise mehr Dry Powder als in den Jahren 08/09 zur Verfügung hatten. Gab es noch zu Zeiten der Finanzkrise genügend Anlagemöglichkeiten, mit welchen man attraktive Renditen hätte erzielen können, so sind die Gelegenheiten hierzu aufgrund des Anlagenotstands in der aktuellen Situation stark eingeschränkt. Dies wirkt sich auch auf Private Equity Fonds aus, welche einen höheren Zufluss an Mitteln verzeichnen, da es für Investoren immer weniger Alternativen gibt, auf andere Art und Weise positive Erträge zu erwirtschaften. Mit 26 Prozent fällt außerdem auch ein höherer Deal Flow ins Gewicht, da die Finanzmärkte nicht in dem Ausmaß zum Stillstand gekommen sind, wie dies 2008/2009 der Fall war. 

 

Demgegenüber werden andere Faktoren weniger als Treiber von Verhaltensunterschieden gewertet. Beispielsweise wurden während der Finanzkrise Investitionen zu zögerlich getätigt, da allgemeine Unsicherheit und Zurückhaltung am Markt herrschten. Diesen Fehler nicht zu wiederholen findet sich lediglich zu 13 Prozent in den Top 3. Auch mehr Möglichkeiten zur Mittelbeschaffung führten kaum zu unterschiedlichem Verhalten (9%).

 

Technologische Innovation überholt Regulierung bei Treibern für künftige Veränderungen

Doch nicht nur der Vergleich beider Krisen in Bezug auf das Verhalten der Fonds ist bemerkenswert. Es ist auch aufschlussreich, welche Themen jeweils Veränderungen nach der Finanzkrise ausgelöst haben und für welche Themen dies nach der COVID-19 Pandemie erwartet wird (siehe Abb. 3).

 

Abb. 3: Kernhemen, die in Zukunft wahrscheinlich für Veränderungen sorgen werden, bzw. Kernthemen, die Veränderungen nach der globalen Finanzkrise 2008/2009 vorangetrieben haben. (2)

 

 

Hierbei wird deutlich, dass aktuell unter den Befragten technologische Innovation als das bedeutendste Zukunftsthema gehandelt wird. Fast drei Viertel der Experten zählen diesen Treiber für die Zeit nach COVID-19 zu den drei wichtigsten Faktoren. Nach der Finanzkrise lag der Anteil noch bei 48 Prozent. Stattdessen wird aus heutiger Sicht die seinerzeit zunehmende Regulierung als einflussreichstes Thema wahrgenommen (57%), im Kontext von COVID-19 liegt der Anteil entsprechender Nennungen um beachtliche 27 Prozentpunkte niedriger. Daraus wird ersichtlich, dass die Struktur der Finanzwelt in der aktuellen Krise nicht als Brandbeschleuniger angesehen wird. Folglich geht man weniger von einer Verschärfung politischer Maßnahmen aus, da das bestehende Regulierungswerk gegriffen hat und einen weiteren wirtschaftlichen Zusammenbruch verhindern konnte. Stattdessen wird technologische Innovation nötig sein, um künftig Wachstum zu sichern und auf neue Herausforderungen reagieren zu können.

Deutlich an Bedeutung seit der Finanzkrise hat auch das Thema Nachhaltigkeit gewonnen. Die Corona-Pandemie hat das Bewusstsein hierfür insgesamt weiter geschärft. 52 Prozent der befragten Experten erwarten, dass Nachhaltigkeit als strategischer Faktor die Zukunft verändern wird. Nach der Finanzkrise war Nachhaltigkeit für nur 9 Prozent ein wichtiger Treiber. Ebenfalls einen steigenden Einfluss verzeichnet der Wettbewerb um Talente (39% vs. 13%). Hier machen sich Fachkräftemangel und demographischer Wandel eindeutig auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar.

 

Fazit: Zukunftsthemen müssen konsequent einbezogen werden

 

Zusammenfassend verdeutlichen die Rückmeldungen der PE-Experten einmal mehr, wie unterschiedlich Krisen voneinander sein können. Im Vergleich zur Finanzkrise verfügten Private Equity-Gesellschaften während der Pandemie über mehr Dry Powder. Dieses hat in den Jahren 08/09 günstige Übernahmen ermöglicht, jedoch war am Markt Zurückhaltung zu beobachten. Anders die Situation in den vergangenen Corona Monaten: Die Vorsicht musste dem Anlagenotstand, welcher durch das Niedrigzinsumfeld entstanden ist, weichen. Fonds, die ihr Dry Powder investieren müssen, fällt die Suche nach Deals aktuell schwer, da sie hohen Bewertungen gegenüberstehen.

Für die Zukunft stehen die Themen Innovation und Nachhaltigkeit im Fokus. Technologische Entwicklung in Bereichen wie KI, Hyperconnectivity und Cloud werden auch auf das Private Equity Geschäft einen enormen Einfluss nehmen. Nachhaltigkeit gewinnt durch den steigenden Stellenwert bei relevanten Stakeholdern langfristig an Bedeutung. Marktteilnehmer werden diese Entwicklungen weiterhin scharf beobachten, um zum richtigen Zeitpunkt davon zu profitieren.

 

(1) Faktoren wurden von 1-7 geranked. Prozentwert gibt jeweils an, bei welchem Anteil der Befragten der Faktor unter den Top 3 liegt.

(2) Faktoren wurden von 1-12 geranked. Prozentwert gibt jeweils an, bei welchem Anteil der Befragten das Thema unter den Top 3 liegt.  

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Ihre Ansprechpartnerin

Jens Schulze Vellinghausen

Jens Schulze Vellinghausen

Partner | Sector Lead Private Equity

Jens Schulze Vellinghausen ist Partner im Bereich Financial Advisory und leitet den Private Equity Sektor bei Deloitte in Deutschland. Er verfügt über 20 Jahre Berufserfahrung im Bereich Financial Due Diligence, mit Fokus auf Private Equity Transaktionen. Jens Schulze Vellinghausen hat während seiner Laufbahn eine Vielzahl von lokalen und internationalen Cross-Border-Transaktionen (Buy- und Sell-side) begleitet, i. W. in den Sektoren TMT Technology, Consumer Business and Industrials.