Posted: 13 Dec. 2021 10 Lesezeit

Public Sector Briefing: Wohnen statt Parken – Neue Mobilitätskonzepte schaffen neuen Bauraum in deutschen Großstädten

Moderne urbane Mobilitätskonzepte können die Zahl vorhandener Autos und der benötigten Parkplätze um ein Fünftel senken - und schaffen so Platz für neuen Bauraum. Zur Bestimmung dieses Potenzials hat Deloitte die Parkmöglichkeiten in zwölf deutschen Metropolen näher untersucht. Die Analyse zeigt: Allein in den betrachteten Großstädten könnten durch wegfallende Parkplätze und Parkhäuser fast 50.000 neue Wohnungen geschaffen und die Lebensqualität der umliegenden Bezirke verbessert werden.

 

Parkende Autos binden rund sieben Prozent der öffentlichen Fläche einer Großstadt

 

Deutschland gehört mit mehr als 48 Millionen registrierten PKW[1] zu den am stärksten motorisierten Ländern der Welt. Vor allem in den Städten, wo der verfügbare Raum ohnehin begrenzt ist, sind die Effekte der hohen Pkw-Dichte allgegenwärtig. Autos dominieren das Stadtbild und binden rund sieben Prozent des öffentlichen Raums einer Großstadt. Die anteilige Zunahme von zugelassenen SUVs hat die benötigte Fläche pro Fahrzeug in den letzten Jahren zusätzlich ansteigen lassen. Inzwischen belegt jedes Auto in Deutschland fast 8 Quadratmeter städtischer Fläche[2]. Addiert man den Platzbedarf der 4,3 Millionen PKW in den zwölf untersuchten Großstädten, erhält man eine Gesamtfläche von rund 34 km². Diese würde ausreichen, um die Berliner Innenstadt (Mitte) vollständig mit parkenden Autos zu bedecken.

Abb. 1: Anzahl PKWs und belegte Fläche

 

(Autonome) Fahrdienste machen jeden fünften Parkplatz überflüssig

Ein Grund für die derzeit hohe PKW-Dichte und den entsprechenden Platzbedarf ist nicht zuletzt der Mangel an verfügbaren und unkomplizierten Alternativen. Die Deloitte-Analyse Urbane Mobilität und autonomes Fahren im Jahr 2035 zeigt jedoch, dass zukünftige, urbane Fahrdienste eine echte Alternative zum privaten Fahrzeugbesitz darstellen könnten. 

Die Studie illustriert unter anderem: Der urbane Fahrzeugbestand könnte bis 2035 um rund 20 Prozent sinken und jeden fünften Parkplatz überflüssig machen. Werden die freiwerdenden Parkplätze sinnvoll gebündelt, so könnte nicht nur die aktuelle Parkplatzsituation in deutschen Innenstädten entschärft, sondern auch Raum für neue Bauprojekte und alternative Nutzungen geschaffen werden. Städte müssten nicht weiter nur ins Umland wachsen, sondern würden neuen Bauraum in attraktiven Innenstadtlagen gewinnen. 

 

Bestehende Parkmöglichkeiten - Große Unterschiede zwischen Städten und Regionen 

 

Da sich Parkbuchten und Seitenstreifen nicht für eine alternative Bebauung eignen, wurden in der vorliegenden Analyse nur zusammenhängende Parkmöglichkeiten identifiziert und den drei Kategorien Parkhäuser, Tiefgaragen und offene Parkplätze zugeordnet. Auf diese Weise wird bereits deutlich, in welchen Städten Parkplätze platzsparend in die Bebauung integriert wurden und wo nicht. 

Ist der Anteil von Tiefgaragen hoch, wurde die städtische Fläche bereits heute für mehr alternative Bauten genutzt. Im Gegensatz dazu spricht ein hoher Anteil von Parkhäusern und offenen Flächen für ungenutzte Optimierungspotenziale. Denn diese beiden Kategorien stehen für einen besonders ausladenden Flächenverbrauch. Im Schnitt bindet ein Stellplatz in Parkhäusern und Parkplätzen inklusive Zufahrt und Rangierflächen rund 20 Quadratmeter. Das entspricht je Stellplatz der durchschnittlichen Größe eines Wohnraums in Deutschland[3]: Platz, der für alternative Bebauungen geeignet wäre.

Die nähere regionale Betrachtung verdeutlicht: Die Aufteilung von Parkmöglichkeiten und das damit verbundene Potenzial für eine neue Flächennutzung unterscheidet sich in Deutschlands Städten stark. In den Nord-Metropolen Bremen und Hamburg sowie in Frankfurt am Main ist der Anteil klassischer Parkhäuser relativ hoch, während im Westen und Süden Deutschlands Tiefgaragen dominieren. Die Städte im Osten Deutschlands sind dagegen geprägt von einem hohen Anteil offener Parkplatzflächen. 

Abb. 2: Anzahl und Aufteilung zentraler Parkmöglichkeiten nach Kategorie und Stadt

 

Ein Beispiel für eine platzsparende Bebauung ist Stuttgart. Mit seiner geografischen Kessellage und begrenztem Platz verfügt Stuttgart über den höchsten Anteil von Tiefgaragen und opfert so wenig Bauraum für offene Parkplätze. Auch in Düsseldorf, München und Köln sind die Anteile der Tiefgaragen relativ hoch und lassen auf eine effiziente Bebauung schließen. 

 

Potenzieller Bauraum für fast 50.000 Wohnungen 

 

Die Analyse der aktuellen Parksituation in den zwölf Metropolen ergibt: Rund sechs von zehn innerstädtischen Parkmöglichkeiten wären beim Siegeszug neuer Mobilitätskonzepte potenziell ersetzbar und ständen so für eine neue Bebauung zur Verfügung. Diese könnte Platz für 50.000 neue Wohnungen und Wohnraum für mehr als 90.000 Menschen schaffen[4].

Berlin hat allein durch seine Größe die höchste Zahl ersetzbarer Parkmöglichkeiten. Der freiwerdende Wohnraum für 6.600 Wohnungen ist aber in Relation zu Einwohnerzahl gering. Das größte absolute Potenzial weist München auf. Zwar verfügt die Stadt bereits über einen hohen Anteil von Tiefgaragen, aber die verbleibenden Parkhäuser und -Plätze sind mit jeweils durchschnittlich 740 Stellplätzen (12-Städte-Durchschnitt: 480) besonders groß und bieten viel Platz für neuen Bauraum. Dieser würde für fast 9.500 Wohnungen und 18.500 Bewohner ausreichen. 

Das geringste Potenzial findet sich dagegen in einer anderen bayerischen Großstadt. In Nürnberg könnten aufgrund nur weniger, kleiner Parkhäuser lediglich 600 neue Wohnungen geschaffen werden. In Städten mit einer vergleichbaren Größe, wie Bremen, Leipzig und Dresden, sind die Potenziale um ein Vielfaches höher. Hier sind zwischen 3.500 und 4.300 neue Wohnungen möglich.

 

Abb. 3: Anzahl, Anteil und Fläche von ersetzbaren Parkmöglichkeiten nach Stadt

 

Alternative zu Parkhäusern – Netz von Innenstadtquartieren erhöht Lebensqualität 

 

Die Analyse zeigt, welches große Potenzial die alternative Bebauung von Parkhäusern und -Plätzen in deutschen Großstädten bietet. Die neuen städtebaulichen Optionen können dabei sogar deutlich über eine bloße Schaffung von Wohnraum hinausgehen. Durch Parkhäuser könnten Innenstadtquartiere geschaffen werden, die Wohnen, Arbeiten und Freizeitmöglichkeiten verbinden und zugleich die Lebensqualität der umliegenden Wohnviertel erhöhen. 

Städte wie Paris und New York haben bereits vor mehreren Jahren begonnen, das Konzept der „15-Minuten-Stadt“ zu verfolgen. Hierbei werden kleine Zentren geschaffen, die vor Ort Beschäftigungs- und Einkaufsmöglichkeiten, Naherholung und Kulturangebote bieten. Auf diese Weise ist es den Bewohnern möglich, alle Wege des Alltags innerhalb von 15 Minuten zu erledigen. Erreicht wird dies nicht zuletzt auch durch ein umweltfreundliches Netz an Fuß- und Fahrradwegen sowie der Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr. 

Auch in Deutschland haben zuletzt mehrere Leuchtturmprojekte gezeigt, wie sich alte Parkhäuser zu neuen Zentren umwandeln lassen. In Hamburg wird ein achtgeschossiges Parkhaus mit ehemals 550 Stellplätzen in ein Quartier umgewandelt, das aus 70 Wohnungen, Gemeinschaftsräumen und Gewerbeflächen besteht und der umliegende Hamburger Altstadt neues Leben einhauchen soll[5]. In Köln entsteht auf dem Parkplatz des alten WDR-Areals ein „Quartier zum Arbeiten, Leben und Lebengenießen“[6], während die Stadt Stuttgart sechs Parkhäuser zu Drehscheiben von Mobilität und Dienstleistungen macht und die Nutzung von neuen, nachhaltigen Fortbewegungsmitteln erhöhen möchte. Zudem soll in der Neckarmetropole das alte Züblin-Parkhaus abgetragen und mit Wohnungen und Kulturangeboten zur Verschmelzung zweier Viertel beitragen.

Die Möglichkeiten zum Umbau von Parkhäusern sind vielfältig und bieten Städten neue Möglichkeiten zur Erhöhung der Lebensqualität. Was und wie tatsächlich umgesetzt wird, sollte in Einklang mit individuellen städtebaulichen Anforderungen und Konzepten stehen. Wichtig ist, bei der Planung auch das jeweilige, direkte Umfeld zu berücksichtigen. Auf diese Weise leistet die alternative Gestaltung früherer Parkflächen potenziell einen enormen Schritt hin zu neuen Konzepten wie der „15-Minuten-Stadt“, von der die zwölf deutschen Metropolen und die Lebensqualität ihrer Bewohner absehbar erheblich profitieren können.

 

[1] Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), 2021

[2] Center for Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen

[3] nullbarriere.de unter Einbeziehung der Richtlinie VDI 6000 Blatt 1

[4] Laut Statistischem Bundesamt betrug im Jahr 2020 die durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung bzw. pro Kopf ca. 92 m² bzw. 47 m²

[5]Groeninger Hof, Das Projekt, abgerufen am: 08.12.2021.

[6]Laurenz Carre, Projekt, abgerufen am: 08.12.2021.

 

Ansprechpartner/in Research:

Mark Bommer

Manager | Research, Economics & Thought Leadership

mbommer@deloitte.de

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Felix Dinnessen

Felix Dinnessen

Partner | Government & Public Services

Felix Dinnessen ist Partner im Bereich Public Sector Consulting. Mit seinem Team unterstützt er Einrichtungen aus dem öffentlichen Sektor bei der Einführung von innovativen Technologien und modernen Management-Instrumenten. Zu seinen Beratungsschwerpunkten zählen dabei die Entwicklung von Digitalisierungsstrategien, die Begleitung von Innovations- und Förderprogrammen  sowie die Umsetzung von Digitalisierungsprogrammen in den Bereichen von E-Government und Smart Cities. Seit 2005 ist Felix Dinnessen als Berater und Projektmanager im öffentlichen Sektor aktiv.