Der aktuelle Deloitte European CFO Survey illustriert, wie Finanzvorstände im Herbst 2021 die konjunkturellen Aussichten ihrer Unternehmen einschätzen. Zu den insgesamt 1.300 Befragten zählten auch knapp 100 CFOs aus der europäischen Technologie-, Medien- und Telekommunikationsbranche (TMT). Deren Rückmeldungen zeigen: Trotz noch immer vorhandener Unsicherheit über die Entwicklung der COVID-19-Pandemie blicken TMT-Unternehmen weiterhin optimistisch in die Zukunft. Das zeigt sich besonders bei der hohen Zahl geplanter Neueinstellungen.
Trotz der im zweiten Corona-Herbst wieder deutlich steigenden Infektionszahlen bewerten die befragten CFOs die Geschäftsaussichten ihrer Technologie-, Medien und Telekommunikationsunternehmen weiterhin positiv. 47 Prozent der TMT-Finanzverantwortlichen schätzen die Situation im Herbst 2021 optimistischer ein als die Lage vor drei Monaten, 38 Prozent betrachten sie als unverändert und nur 15 Prozent nehmen weniger günstige Geschäftsaussichten wahr. Das Stimmungsbild ist bemerkenswert, denn schon im Frühjahr bewerteten die TMT-CFOs die Konjunkturentwicklung für ihre Unternehmen als überwiegend positiver als im Quartal zuvor. Der damals vorherrschende Optimismus wird nun sogar noch übertroffen.
Die aktuellen Einschätzungen aus dem TMT-Sektor decken sich mit dem branchenübergreifenden Stimmungsbild. Abbildung 1 zeigt den Nettosaldo, für den der Prozentsatz der weniger optimistischen Befragten vom Prozentsatz der optimistischen Antworten abgezogen wird, im Zeitverlauf. Hier wird deutlich: Die TMT-Branche folgt typischerweise dem allgemeinen Trend. Zuletzt waren die Technologie-, Medien und Telekommunikations-CFOs etwas positiver gestimmt als der Durchschnitt ihrer Kollegen. Bei den neuen Daten liegt die TMT-Perspektive nun wieder exakt auf dem branchenübergreifenden Mittelwert.
Auch der Blick nach vorn ist bei den europäischen TMT-Finanzverantwortlichen von Optimismus geprägt. Für die wesentlichen Unternehmenskennzahlen erwarten die meisten der befragten CFOs in den kommenden zwölf Monaten eine positive Entwicklung. Abbildung 2 illustriert den Nettosaldo („optimistisch“ minus „weniger optimistisch“) in der halbjährlichen Rückschau. Dabei zeigt sich: Nach dem deutlichen Einbruch zu Beginn der COVID-19-Pandemie stehen die Zeichen nachhaltig auf Erholung. Die aktuellen Zahlen belegen eindeutig die Fortsetzung des vielversprechenden Trends.
Bei allen dargestellten Kennzahlen überwiegt eine positive Einschätzung. Im Einzelnen bedeutet dies:
Umsätze
80 Prozent der Befragten erwarten in den nächsten 12 Monaten für ihre Unternehmen steigende Umsätze, während gerade einmal 4 Prozent von einem Umsatzrückgang ausgehen
Marge
55 Prozent der befragten CFOs rechnen mit einem Anstieg der operativen Marge, 12 Prozent halten einen Rückgang innerhalb des nächsten Jahres für wahrscheinlich.
Capex
Höhere Investitionsausgaben im kommenden Jahr erwarten 44 Prozent der TMT-CFOs, wohingegen nur 8 Prozent mit niedrigerem Capex planen.
Mitarbeiterzahl
Von einem Anstieg der Mitarbeiterzahl in ihren Unternehmen gehen 64 Prozent der Befragten aus, 11 Prozent erwarten einen Rückgang.
Mit ihrem positiven Meinungsbild stehen die europäischen TMT-CFOs nicht allein da. Auch ihre Kollegen aus den anderen Branchen erwarten überwiegend eine erfreuliche Entwicklung der wesentlichen Finanzkennzahlen. Der unmittelbare Vergleich mit den branchenübergreifenden Durchschnittswerten1 zeigt jedoch: Innerhalb der Technologie-, Medien- und Telekommunikationsbranche ist die derzeitige Stimmungslage besonders gut. Dies gilt ebenso für Umsatzerwartungen wie auch für die Einschätzung künftiger, operativer Margen. Den Entwicklungstrend beider Kennzahlen schätzen TMT-CFOs deutlich positiver ein als der Durchschnitt ihrer Kollegen (s. Abb. 3). Dagegen bewegt sich die Beurteilung künftiger Investitionsausgaben in der Größenordnung des übergreifenden Branchendurchschnitts.
Bemerkenswert sind die Erwartungen an die künftige Entwicklung der Mitarbeiterzahlen. Denn überdurchschnittlich viele der TMT-Finanzverantwortlichen rechnen in den nächsten zwölf Monaten mit mehr Beschäftigten in ihren Unternehmen. Lediglich in den Bereichen Professional Services sowie Reise & Tourismus wird mit noch mehr Neueinstellungen gerechnet als in der Technologie-, Medien- und Telekommunikationsbranche. Überall sonst liegen die Erwartungen an ein Mitarbeiterwachstum zum Teil deutlich darunter.
Der hohe TMT-Personalbedarf hat Gründe: COVID-19 hat europaweit Digitalisierungsprozesse in zahlreichen Bereichen und Branchen erheblich angeschoben. Bei der Umsetzung solcher neuen, digitalen Angebote sind Technologie- und IT Service-Unternehmen maßgeblich beteiligt. Entsprechend hoch ist die Nachfrage nach qualifizierten Spezialisten, die Implementierungsprojekte realisieren und begleiten. Bemerkbar macht sich in diesem Kontext auch der generell zunehmende Stellenwert von Dienstleistungen im europäischen Technologie-Sektor - eine Entwicklung, die beispielsweise in Deutschland die Branche seit Jahren spürbar verändert.
Ist der nachhaltige Optimismus der europäischen TMT-CFOs gerechtfertigt oder eher das Resultat einer kurzfristigen Bestandsaufnahme? Tatsächlich dürften die Subsegmente Technologie und Telekommunikation als „Business Enabler“ von der Digitalisierung anderer Branchen besonders profitieren. Gleichzeitig ziehen Medienunternehmen Nutzen aus der Popularität von Streaming-Diensten und der immer größeren Offenheit von Konsumenten für Bezahlangebote.
Die Einschätzung der CFOs, dass das aktuelle Marktumfeld mehr Chancen als Risiken bietet, ist daher nachvollziehbar. Denn neben der zentralen Rolle des TMT-Sektors bei der Digitalisierung von Gesellschaft, Staat und Unternehmen werden weitere Technologie- und Infrastrukturtrends an Zugkraft im Markt gewinnen. Dazu zählen neben der Künstlichen Intelligenz auch ebenso innovative wie anspruchsvolle IoT-Dienste. Diese beruhen entscheidend auf neuen 5G- und Glasfaserinfrastrukturen Mit Quantum und Edge Computing stehen zudem weitere Entwicklungen mit enormen Potenzialen in den Startlöchern. Damit steht heute schon fest: Der europäischen TMT-Industrie wird es auch in den kommenden Jahren keinesfalls an umsatz- und gewinnbringenden Innovationsfeldern mangeln.
[1] Betrachtet wird wieder der Nettosaldo „weniger optimistisch“ minus „optimistisch“.
Dr. Andreas Gentner leitet europaweit den Industriebereich Technology, Media und Telecommunications (TMT). Er berät seine Kunden bei der Planung und Durchführung von Transformationsprojekten sowie bei der Operationalisierung ihrer Unternehmensstrategien. Zu Dr. Gentners Kunden zählen dabei sowohl internationale TMT-Konzerne als auch große Mittelstandsunternehmen. Dr. Gentner ist Autor zahlreicher TMT-Veröffentlichungen und Sprecher bei Industrieveranstaltungen im In- und Ausland.
Ralf Esser leitet bei Deloitte das deutsche Sektor-Research-Team und ist darüber hinaus verantwortlich für Industry Insights im Bereich Technologie, Medien und Telekommunikation. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung als Analyst in der TMT-Industrie. Ralf Esser ist Autor und Co-Autor zahlreicher Studien, Fachartikel und Buchbeiträge und tritt regelmäßig als Referent bei Fachveranstaltungen und Konferenzen auf. Der aktuelle Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in den Bereichen Digital Consumer, 5G sowie Digital Media. Ralf Esser studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln.