Posted: 08 Oct. 2020 5 min Lesezeit

Economic Trend Briefing: Die Zeichen stehen auf Wachstum – Flash-Ergebnisse des Deloitte CFO Survey

Die durch COVID-19 ausgelöste Krise hat die deutsche Wirtschaft in eine tiefe Rezession geschickt, im zweiten Quartal 2020 ist das Bruttoinlandsprodukt um fast zehn Prozent eingebrochen. Seit dem Sommer mehren sich allerdings die konjunkturellen Anzeichen für eine Gegenbewegung.

Die für die neueste Ausgabe des Deloitte CFO Survey (die Veröffentlichung der vollständigen Ergebnisse erfolgt Mitte November 2020) erhobenen Daten zeigen, dass der Aufschwung tatsächlich in vollem Gange ist.¹ Die Stimmungslage der CFOs ist überraschend optimistisch. Die Geschäftsaussichten haben sich seit dem historischen Tief im März 2020 eindrucksvoll erholt, eine sehr deutliche Mehrheit sieht sich entweder in der Erholungsphase oder sogar bereits zurück auf dem Vorkrisen-Wachstumskurs. Ebenso positiv ist der Blick der CFOs auf die gesamte konjunkturelle Lage wie auch auf die Aussichten in Deutschland, zugleich hat sich die generelle Investitionsbereitschaft deutlich verbessert. Investieren wollen die Unternehmen in erster Linie in die Optimierung von Organisation und Prozessen, ebenso wie in Digitalisierung und generell eher in immaterielle Assets – ein Hinweis darauf, dass die COVID-19-Krise die Transformation in Richtung digitaler Wirtschaft beschleunigt hat.

Allerdings sind die sektorspezifischen Unterschiede groß: Die stark exportorientierten Branchen wie die Automobilindustrie oder der Maschinenbau leiden nach wie vor unter der Krise – eher binnenmarktorientierte Branchen wie Konsumgüter und die Immobilienwirtschaft entwickeln sich hingegen sehr viel erfreulicher. 

 

Geschäftsaussichten wieder deutlich im positiven Bereich

 

Die Geschäftsaussichten der Unternehmen waren im März 2020 dramatisch gefallen: Mit einem Indexwert von -68 waren sie auf den tiefsten Stand seit Beginn des CFO Survey im Jahr 2012 zurückgegangen. Aktuell gibt es eine sehr dynamische Gegenbewegung, und der Indexwert schnellt auf +54 zurück. Dieser gibt die Differenz zwischen der Anzahl der Unternehmen an, die ihre Geschäftsaussichten positiver als vor drei Monaten beurteilen, und jener, die sie negativer einschätzen. Aktuell sind zwei Drittel positiver und nur jedes zehnte Unternehmen negativer gestimmt. Die optimistischere Bewertung zieht sich durch alle Branchen. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass als Vergleichsmaßstab für die aktuellen Geschäftsaussichten die Einschätzung von vor drei Monaten dient, die sich in der Hochphase der Krise auf einem absoluten Tiefpunkt befand.

 

Über drei Viertel der Unternehmen sind in der Erholungsphase oder auf Wachstumskurs

 

Gleichzeitig, und dies ist sicher das stärkste Anzeichen für eine Trendwende, haben schon sehr viele Unternehmen die Krise ihrer eigenen Einschätzung nach weitgehend hinter sich gelassen. Nur noch 23 Prozent befinden sich im Modus des Krisenmanagements, 39 Prozent sehen sich bereits in der Erholungsphase und 38 Prozent sind schon zurück auf ihrem Vorkrisen-Wachstumskurs. Damit sind über drei Viertel der Unternehmen mindestens in der Erholungsphase. 

Unternehmen, die noch im Krisenmodus sind, kommen überwiegend aus den Sektoren Maschinenbau, Handel und Automobilindustrie. Zurück auf Wachstumskurs ist vor allem die Konsumgüterindustrie und die Immobilienbranche.

 

Umsatzverluste teilweise schon wieder ausgeglichen

 

Bei etwas mehr als einem Viertel der Unternehmen (28%) ist der Umsatz bereits wieder auf Vorkrisenniveau, jedes Fünfte erwartet, dass es dieses Niveau im Laufe des Jahres 2020 erreichen wird. Damit hätte ziemlich genau die Hälfte der Unternehmen die krisenbedingten Verluste in diesem Jahr wieder wettgemacht. Etwas weniger als ein Viertel erwartet, diese Zielmarke erst 2022 oder später zu erreichen. Vor allem die Immobilienindustrie und die Konsumgüterbranche rechnen mit einer raschen Rückkehr auf das Vorkrisenniveau, die Automobil- und die Maschinenbaubranche sind sehr viel pessimistischer. Hier erwartet ungefähr jeweils ein Drittel diese Rückkehr erst in 2022 oder später.

Mit den positiven Aussichten für das eigene Unternehmen geht auch ein großer Optimismus für die Konjunktur einher: 45 Prozent bewerten die derzeitige konjunkturelle Lage in Deutschland als gut, nur 20 Prozent als schlecht, der Rest sieht sie neutral. Über zwei Drittel erwarten eine Verbesserung auf Sicht von 12 Monaten. Global gesehen sind die CFOs nur für China ähnlich optimistisch, die konjunkturelle Lage in der restlichen Eurozone und den USA wird sehr negativ gesehen. 

 

Investitionen vor allem in Digitalisierung und Optimierung

 

Die Investitionsbereitschaft war in der Frühjahrsausgabe des CFO Survey tief gefallen, der Indexwert lag bei -47. Aktuell erholt sich diese deutlich und schafft es sogar knapp in den positiven Bereich. Dies bedeutet, dass die Zahl der befragten Unternehmen, die ihre Investitionen erhöhen wollen, größer ist als die Zahl, die ihre Investitionen senken wollen. Auch hier zeigen sich jedoch starke branchenspezifische Unterschiede. In der Automobilindustrie ist die Investitionsbereitschaft negativ, ebenso im Maschinenbau. Deutlich positiv sieht vor allem der Chemiesektor seine Investitionsplanung.

Die Unternehmen unterscheiden sehr stark, in welche Bereichen sie investieren wollen. Klassische Investitionen in Maschinen, Anlagen und Gebäude stehen momentan ganz unten auf der Prioritätenliste. Optimierung von Organisation und Prozessen sowie Investitionen in Digitalisierung finden sich dagegen sehr weit oben. In Optimierung wollen 61 Prozent investieren, in Software, Daten, Netzwerke und Webseiten knapp die Hälfte (47 Prozent). Weitere Schwerpunkte sind die Schulung von Mitarbeitern (21%) sowie Design und Branding (20%). Damit dominieren Investitionen in immaterielle Vermögenswerte sehr stark – ein Zeichen, dass die COVID-19-Krise die Transformation in Richtung digitale Wirtschaft noch einmal stark beschleunigt hat. 

 

V oder nicht V, das ist hier die Frage

 

Insgesamt zeigt die Stimmung unter den Finanzvorständen deutscher Großunternehmen damit ein erfreuliches Bild. Der Optimismus steigt und mit ihm auch die Investitionsbereitschaft – viele Unternehmen sehen sich auf Erholungs- oder gar Wachstumskurs. Dies scheint auf den ersten Blick für einen V-förmigen Aufschwung zu sprechen, auf den viele Beobachter hoffen.

Trotz aller ermutigenden Ergebnisse kann dies jedoch noch nicht als ausgemacht gelten. Erstens kann der Aufschwung durch ein Wiederaufflammen der Pandemie und damit einhergehende Lockdowns in Deutschland jederzeit wieder unterbrochen werden. Zweitens ist durch den Einbruch im zweiten Quartal das Niveau der Wirtschaftsleistung sehr viel niedriger, weswegen die kräftige Aufwärtsbewegung einige Quartale anhalten müsste, um nahtlos an das Ausgangsniveau anzuknüpfen. Die großen sektorspezifischen Unterschiede in der Erholung, die sich in der Umfrage zeigen, zusammen mit den anhaltenden Restriktionen in einigen Sektoren wie dem Gastgewerbe, die nicht im CFO Survey abgebildet sind, lassen dies zumindest fraglich erscheinen.

Drittens, und das dürfte der wichtigste Faktor sein, bräuchte vor allem der Exportsektor für eine ungebremste Fortsetzung des Aufschwungs in 2021 ein gesundes weltwirtschaftliches Umfeld. Derzeit sind aber wichtige Exportmärkte – beispielsweise USA, Frankreich, Spanien oder Großbritannien – durch die Corona-Krise in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, und es ist äußerst fraglich, ob sich die Auslandsnachfrage rasch erholt. Dazu kommen noch Risiken wie der Brexit.

Aus diesen Gründen scheint nach der ersten Dynamik ein langsameres Wachstum realistisch, so dass der Aufschwung weniger wie ein V verlaufen würde, sondern sich eher an der Form des mathematischen Wurzelzeichens orientieren könnte. Erst eine dynamische und V-artige Aufwärtsbewegung, dann ein langsamerer Verlauf in 2021 – im Vergleich zu den sehr düsteren Prognosen von vor wenigen Monaten wäre aber auch dieser Konjunkturverlauf eine gute Nachricht. 

 

¹ Der CFO Survey von Deloitte befragt zweimal im Jahr die Finanzvorstände deutscher Großunternehmen. An der aktuellen Ausgabe haben 100 CFOs teilgenommen, die Umfrage wurde zwischen dem 3. und dem 30. September durchgeführt. Die vollständigen Ergebnisse, die außerdem Fragen zu den langfristigen Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die Unternehmensstrategien sowie Einschätzungen der CFOs zum Maßnahmenpaket der Regierung und zur allgemeinen Risikolage beinhalten, werden Mitte November veröffentlicht.

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Dr. Alexander Börsch

Dr. Alexander Börsch

Chefökonom & Director Research

Dr. Alexander Börsch ist Chefökonom und Leiter Research Deloitte Deutschland. Sein Fokus liegt auf der Analyse ökonomischer Trends und ihren Auswirkungen auf Unternehmen und Unternehmensumfeld. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen Wachstum und Konjunktur, Brexit, digitale Ökonomie sowie Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Städten und Ländern.