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So können sprachgesteuerte Assistenzsysteme das Einkaufserlebnis revolutionieren

Interview mit Christian Bärwind von Google zur Zukunft des Kanals Voice im Handel

In den USA prägen Sprachassistenten wie der Google Assistant bereits die Customer Journey. Und bei uns? Christian Bärwind, Industry Leader Retail, Strategic Partnerships bei Google, über das Einkaufen der Zukunft, Datensicherheit und Googles eigene Ambitionen.

Herr Bärwind, nach Meinung vieler Experten wird das Einkaufsverhalten in den nächsten Jahren stark vom Kanal Voice beeinflusst werden. Wie positioniert sich Google mit seinem Sprachassistenten Google Assistant in diesem Umfeld?

Christian Bärwind: Google Assistant ist im Moment weltweit auf über 500 Millionen Geräten verfügbar. Hierbei handelt es sich um eine offene Plattform, die jeder nutzen kann. In Deutschland haben Händler über Google Assistant die Möglichkeit, mit eigenen „Actions“ Kontakt zum Kunden aufzubauen. Diese Kommunikationskanäle entstehen mit unserer Technologie. Aber welche Art der Kommunikation darüber stattfindet, entscheiden die Unternehmen selbst: Sie können Informationen bereitstellen oder auf das eigene Online-Angebot weiterleiten und dort einen Kaufvorgang einleiten – alles ist möglich.


Welche Vorteile bietet der Google Assistant bei der Customer Journey?

Christian Bärwind: Der große Vorteil für den Verbraucher ist die Bequemlichkeit. Er braucht nur die Sprache, um alle relevanten Informationen zu bekommen. Wer einkaufen will, erfährt so beispielsweise, wo er in der Nähe einen gesuchten Artikel findet oder wo es besondere Angebote gibt. Dafür stehen ihm alle Google-Plattformen zur Verfügung – von Search und Maps bis hin zu YouTube. Diese einfache und schnelle Verfügbarkeit kann für Händler sehr vorteilhaft sein.


Sehen Sie für die Nutzung von Sprachassistenten mehr Potenzial im Home-Bereich oder über Smartphones?

Christian Bärwind: Das größte Potenzial hat zunächst einmal das Smartphone, weil es am weitesten verbreitet ist. Jeder hat eins und jeder hat es unterwegs immer dabei. Wobei die Display-Variante, die es für Google Assistant auch in Deutschland irgendwann geben wird, eine wichtige Rolle im Home-Bereich spielen wird. Wenn der Kunde beispielsweise zu Hause in einem Anleitungsvideo sieht, was er für eine bestimmte Aufgabe alles benötigt, kann er die passenden Produkte ganz einfach per Sprachbefehl bestellen. Das Gute ist die Kombination: Alles funktioniert geräteübergreifend und personalisiert.


In den USA sind die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Google und Händlern bereits sehr weit fortgeschritten.

Christian Bärwind: Das stimmt. Über unser Programm „Shopping Actions“, das bisher nur in den USA verfügbar ist, bieten mehr als  50 Händler ihren Kunden die Möglichkeit, direkt bei ihnen zu kaufen. Die Händler liefern Google dafür einen Feed mit Produkten, Preisen, Verfügbarkeit, etc. an. Auf diese Weise beschleunigt der Digitale Assistent den Kaufprozess, was zu einer Erhöhung der Konversionsrate führen kann. Wann und wie „Shopping Actions“ nach Europa kommen, können wir aber noch nicht sagen.


Wie sieht denn Ihre Kooperation mit Händlern in Deutschland aus?

Christian Bärwind: Mit den “Actions on Google“, die wir in Deutschland anbieten, können Unternehmen schon heute über den Google Assistant mit ihren Kunden kommunizieren. Es können z.B. Produktinformationen, How-to Anleitungen oder Transaktionen zwischen Händler und Kunde stattfinden. Die Kommunikation verläuft dabei genauso, wie der Händler es möchte. Die Kundenkommunikation liegt komplett in der Hand des Unternehmens – wie bei einer App.


Der Kunde nennt dem Google Assistant also nur den Namen des gewünschten Händlers und dann leitet der Sprachassistent ihn auf den Kommunikationskanal des genannten Unternehmens?

Christian Bärwind: Ja, das ist die eine Möglichkeit. Künftig wird es aber auch möglich sein, dass der Assistant zu bestimmten Suchanfragen Vorschläge macht. Wenn das Händlerangebot zum Beispiel zur Suche nach einem T-Shirt passt, ist die entsprechende „Action“ des Händlers bei den Vorschlägen dabei. Über sie kann der Kunde dann Kontakt zum Unternehmen aufnehmen – so, als würde er auf dessen Link klicken. Bei Flixbus beispielsweise bekommt man eine sehr gute Übersicht über die Verbindungen und kann gleich seine Tickets kaufen - und das geräteübergreifend.


Haben Händler die Möglichkeit, über den Google Assistant Werbung zu schalten?

Christian Bärwind: Wir sind noch in einer sehr frühen Phase, und haben noch kein Monetarisierungsprogramm für den Google Assistant - übrigens weltweit noch nicht. Hier wollen wir gemeinsam mit den Partnern lernen, was funktioniert und was nicht.


Beraten Sie Händler bei der Ausgestaltung ihrer Kundenkommunikation über Google Assistant?

Christian Bärwind: Ja, selbstverständlich. Das Wichtigste in diesem Prozess ist allerdings nicht die technische Umsetzung. Entscheidend ist, dass die Unternehmen sich vorher im Klaren darüber sind, welche Anwendungsfälle sie überhaupt abdecken wollen. Geht es um den Kauf? Oder erst mal nur um Informationen zu ihren Produkten? Oder die Möglichkeit von Terminvereinbarungen? Hier gibt es viele Wege, und die Händler sollten sich mit ihnen rechtzeitig intensiv beschäftigen.


Im Handel gibt es Befürchtungen, dass sich große Tech-Firmen wie Google zu Gatekeepern entwickeln könnten, die irgendwann den Zugang zum Kunden bestimmen. Wie berechtigt ist diese Sorge aus Ihrer Sicht?

Christian Bärwind: Ich halte sie für unbegründet. Google ist eine offene Plattform, deren Lösungen für jedermann bestimmt sind. Uns kommt es darauf an, unseren Partnern mit unseren technologischen Lösungen einen Mehrwert zu ermöglichen. Um es ganz klar zu sagen: Google ist kein Händler und will auch kein Händler werden.


Für europäische Verbraucher ist das Vertrauen in die Datensicherheit wichtig, kooperierende Händler wären auf dieses Vertrauen gegenüber Google angewiesen. Wie will Google auf diesem Feld punkten?

Christian Bärwind: Wir kennen diese Sorgen und Bedenken, deswegen stehen Datenschutz und Datensicherheit für Nutzer und Unternehmen an oberster Stelle. Wir wollen, dass Unternehmen und User wissen, dass ihnen ihre Daten gehören und sie die Kontrolle darüber haben.  Konsumenten können unter „Mein Konto“  ihre Daten einsehen und steuern. Diese Möglichkeit bieten wir auch Unternehmen an.


Bisher halten sich Alibaba, Tencent und Baidu in Amerika und Europa zurück. Wie schätzen Sie den Einfluss chinesischer Tech-Giganten auf die künftige Customer Journey mit Sprachassistenten ein? 

Christian Bärwind: Es lohnt sich immer, einen Blick nach Asien zu werfen. Hier können wir viel darüber lernen, was auf uns zukommen könnte. Dort sind 800 Millionen Menschen online, 98 Prozent davon nutzen Smartphones, 550 Millionen Menschen kaufen Produkte online, 500 Millionen kaufen mobil – das sind ganz andere Zahlen, als wir sie aus Europa oder auch aus den USA kennen. Auch mit dem Kanal Voice haben Asiatische Unternehmen schon große Erfahrungen. Was das für die Entwicklung der Sprachassistenten in Europa konkret bedeuten könnte, vermag ich nicht zu sagen.


Lassen Sie uns noch einen Blick in die Zukunft werfen: Wie können wir uns eine typische Customer Journey mit Google Assistant im Jahr 2025 vorstellen?

Christian Bärwind: Ich kann mir vorstellen, dass die Bedeutung von Sprachassistenten für Nutzer ähnlich verläuft wie die Smartphone-Revolution in den vergangenen zehn Jahren. Unser Konsumverhalten wird sich wandeln, assistierende Services können stark in den Vordergrund treten. So wäre es beim Autofahren vorstellbar, dass mit dem Aufleuchten einer Kontrolllampe gleich ein Vorschlag des Sprachassistenten erfolgt, wie und wo das Problem am schnellsten und besten gelöst werden kann.


Also könnten sich Sprachassistenten eher in Richtung mobile entwickeln?

Christian Bärwind: Das ist nicht gesagt. Dadurch, dass der Google Assistant geräteübergreifend und personalisiert funktioniert, ist er ja überall situationsgerecht einsetzbar. Wenn ich gerade in der Küche stehe und koche, reagiert der Assistant anders, als wenn ich unterwegs bin. Das wird uns das Leben an vielen Stellen sehr viel einfacher machen.


Wie sollten sich Händler und Hersteller bei solchen Aussichten aufstellen, um vom Kanal Voice künftig optimal zu profitieren?

Christian Bärwind: Das wichtigste ist meiner Meinung nach, Konsumentenbedürfnisse rechtzeitig zu erkennen um lernen zu können. Wir stehen gerade ganz am Anfang dieser Technologie. Und je eher ein Unternehmen dazu Feedback von seinen Kunden bekommt, desto früher kann es seine Kommunikation anpassen und ein Erfolgsmodell aufbauen.

Christian Bärwind is an Industry Leader Retail at Google Germany - focussing on grocery, DIY and CE industries, where he works with large brands across the industry to maximize digital as the foundation for a successful strategy.

Christian Bärwind has been with Google since 2011, working in various leadership positions, including leading the travel vertical - one of the biggest global industries. Prior to starting at Google, Christian spent 10 years in various leadership positions at TUI AG - European biggest Tour operator. His entire career he has been focussed on Omnichannel businesses and how to transform traditional companies into the digital Age.

Erfahren Sie mehr über die Zukunft digitaler Sprachasistenten und ihr Potenzial in der Studie „Beyond Touch – Voice Commerce 2030“, in der wir die Chancen und Risiken der neuen Technologie für Händler und Hersteller analysieren.

Beyond Touch – Voice Commerce 2030
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