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Nachhaltigkeit in der Logistikbranche

Unterwegs zu einem nachhaltigen Transportwesen: Ein strategisch-operatives Sustainability-Framework für Speditionen

Nachhaltigkeit ist eines der drängendsten Themen unserer Zeit – auch für die Logistikbranche. Auf dem Weg zu den Nachhaltigkeitszielen sind aber noch etliche praktische Hürden zu überwinden. Den Speditionen kommt hierbei durch ihre spezifische Position in der Wertschöpfungskette eine besondere Bedeutung zu. Auf Grundlage einer Branchenbefragung hat Deloitte in einem neuen Whitepaper ein detailliertes, ganzheitliches Framework entwickelt, das die wesentlichen Transformationshebel für Spediteure beschreibt.

Nachhaltigkeit ist in der Logistikbranche in allen ökologischen und gesellschaftlichen Dimensionen relevant. Allen voran die Dekarbonisierung: Beim Kampf gegen den Klimawandel ist der Transportsektor als relevanter CO2-Emmittent naturgemäß besonders wichtig. Aber auch soziale Aspekte sind einschlägig, etwa das Thema Arbeitnehmerschutz entlang der Lieferkette. Es gibt eine Menge zu tun in der Branche – und die Zeit drängt. Denn während sich für den Logistikmarkt bislang alles um die Punkte Preis und Geschwindigkeit drehte, verlangen nun immer mehr Stakeholder nachhaltigere Dienstleistungen – von Kunden über Partner bis zu Investoren. Nicht zuletzt erhöhen außerdem auch die Regulatoren den Druck, etwa durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

 

Nachhaltigkeitspotenziale für Spediteure

Beim anstehenden Transformationsprozess können Speditionen eine Schlüsselrolle spielen. Sie vermitteln zwischen den Marktteilnehmern und kontrollieren die Allokation von Transportressourcen, bestimmen Rahmenbedingungen, setzen Anreize und verfügen über signifikante Verhandlungsmacht. Insofern haben sie auch das Potenzial, durch die Wahl nachhaltiger Partner, Technologien und Produkte eine besonders hohe Wirkung zu erzielen. In einer Befragung von Managern weltweit führender Spediteure konnten die Experten von Deloitte die Prioritäten für eine effektive Transformation identifizieren. Die Handlungsoptionen lassen sich in sieben strategische und operative Hebel einteilen. 

Forwarders as Catalysts for Supply Chain Sustainability

Strategische Transformationshebel

  1. Strategischer Fokus
    Zunächst ist es für Spediteure entscheidend, die Tragweite der Transformation zu erkennen. Diese zieht sich durch sämtliche geschäftliche Bereiche und bedarf entsprechender Abstimmung. Das macht aus Sicht der befragten Manager die Einbindung des Top-Managements ebenso nötig wie die Etablierung eines zentralen Nachhaltigkeitsteams, das den Prozess steuert. Das Team sollte langfristig denken und auch weiterreichende technologische sowie politische Nachhaltigkeitsthemen bearbeiten. Ein Augenmerk auf öffentliche Fördermittel ist ebenso zu empfehlen wie eine Erweiterung der Stakeholder-Interaktion auf betroffene Gruppen der Öffentlichkeit.
  2. Befähigte Mitarbeiter
    Als Dienstleistungsindustrie mit vielen Millionen Mitarbeitern benötigt die Logistikbranche eine nachhaltige Mitarbeiterkultur. Das bezieht sich auf die Vermittlung ökologischer Expertise ebenso wie auf die Arbeitsbedingungen. Bislang haben niedrige Margen und komplexe Lieferketten mit vielen Subunternehmern hierbei immer wieder Probleme verursacht. Gefragt ist demgegenüber nun ein Mindset, das Nachhaltigkeit nicht als Zusatzaufgabe „abhakt“, sondern als durchgängige Dimension versteht. Hier helfen bessere Kommunikation und vor allem Weiterbildung der Mitarbeiter (Seminare, Trainings, Gamification). Auch nachhaltige Initiativen außerhalb der Organisation sollten gezielt gefördert werden. So positioniert sich das Unternehmen auch vorteilhaft gegenüber potenziellen Bewerbern. 
  3. Allianzen aufbauen
    Zentral für eine Verbesserung der Klimabilanz im Transportwesen ist die Zusammenarbeit mit Spediteuren und die Incentivierung grüner Technologien bei den Eigentümern der Transport-Assets. Dafür ist ein reibungsloser Datenaustausch nötig, dem in der Praxis aber oft Partikularinteressen sowie die Fragmentierung des Marktes, insbesondere im Land- und Schiffsverkehr, entgegenstehen. Drittplattformen liefern hier eine neutrale und standardisierte Lösung. Kooperationen bieten sich auch zwischen direkten Konkurrenten an, die ihre nachhaltigen Bemühungen und Methoden abstimmen (Beispiel: Sustainable Aviation Buyers Alliance, SABA). Zudem sollte eine Beteiligung am regulatorischen Prozess angestrebt werden, beispielsweise durch den Austausch in Industrieverbänden.
     

Operative Transformationshebel

  1. Operative Anpassungen
    Wie aus den mit den Branchenvertretern für das Whitepaper geführten Interviews klar wird, kommt es für die dringend nötige kurzfristige Senkung des Klimabeitrags vor allem auf eine noch weitergehende Verbesserung der Transporteffizienz an, gerade hinsichtlich der für Spediteure besonders wichtigen Scope-3-Emissionen. Hier decken sich erfreulicherweise ökonomische mit ökologischen Motiven. Bei Routen und Transportmethoden sollten CO2-Kriterien unbedingt zusätzlich berücksichtigt werden. Potenzial bietet die Konsolidierung von Fracht (z.B. doppelstöckige Beladung). Solange noch kein ausreichendes Angebot nachhaltiger Kraftstoffe existiert, muss für einen klimaneutralen Transport auch auf Carbon Offsetting gesetzt werden. Basis hierfür sind möglichst präzise end-to-end-Berechnungen der Emissionen. Zukünftig könnten Spediteure auch vermehrt Emissionszertifikate handeln und entsprechendes Hedging betreiben. Auch die soziale Dimension muss dringend stärker beachtet werden, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Zusammenarbeit mit Betriebsräten und externen Organisationen hilft, die Transparenz zu erhöhen, den Arbeitsschutz zu verbessern und kriminelle Aktivitäten zu verhindern (z.B. Schmuggel). 
  2. Technologische Lösungen
    Digitale Ansätze spielen bei der Senkung des Klimabeitrags durch intelligente Einsparungen eine große Rolle (Cloud, Realtime Analytics usw.). Nötig hierfür sind solide Daten, die wiederum eine erhöhte Datenkompetenz, entsprechende Metriken und ausreichende Cybersecurity voraussetzen. Heutige Systeme sind aber oft nicht leistungsfähig genug, notwendige Datensätze werden teils gar nicht erfasst. In den Interviews zeigte sich, dass viele Unternehmen auch darüber hinaus technologischen Modernisierungsbedarf aufweisen (z.B. klimaneutrales Lager, papierloses Büro). 
  3. Zielgerichtetes Marketing
    Um Kunden zu nachhaltigeren Entscheidungen auch bei höheren Preisen zu bewegen, ist gezieltes Marketing nötig. Unternehmen sollten sich nicht scheuen, ihre Success Stories zu platzieren, solange diese authentisch und frei von „Greenwashing“ sind. Neue Ansätze im Vertrieb können Logistik-Kunden dabei unterstützen, auch ungewohnte Wege zu gehen (z.B. Space Sharing). Besonderes Augenmerk sollte auf transparente Nachhaltigkeitsoptionen bei hochvolumigen Angeboten gelegt werden. 
  4. Transparentes Reporting
    Ein zuverlässiger Einblick in die Nachhaltigkeitsdaten eines Unternehmens ist von zentraler Bedeutung: Transparentes Reporting wird vom Gesetzgeber verlangt und von Investoren sowie Kunden honoriert. Was nicht-finanzielle Metriken angeht, herrschen regional allerdings unterschiedliche Vorgaben. Die aktuell gültigen EU-Vorgaben werden demnächst durch die anspruchsvollere Corporate Sustainability Reporting Direktive (CSRD) erweitert. Auch Unternehmen, die an sich die Kriterien für eine Verpflichtung nicht erfüllen, können indirekt durch Kundenanforderungen betroffen sein. Eine Umsetzung ist Organisationen daher zu empfehlen. 
     

Orientierung für die Logistikbranche

Zusammengenommen ergeben diese sieben Hebel ein integriertes Nachhaltigkeitskonzept, das Speditionen zur konkreten Orientierung dienen kann. Auflagen und die Stakeholderwünsche zeigen, dass es auch hier auf das Tempo ankommt. Auch wenn es kurzfristig möglich scheint, einzelne der beschriebenen Optionen noch aufzuschieben, sollten Speditionen jetzt langfristig denken und ein möglichst hohes Ambitionslevel avisieren. Je schneller die Transformationshebel in Anschlag gebracht werden, desto größer ist schließlich der kurzfristige Differenzierungsvorteil – und desto höher die langfristige Überlebenschance.

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