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Wasserstoffregulierung im Fokus

Klimaschutz und Wasserstoff: Wie sieht der passende regulatorische Rahmen für die Wasserstoffinfrastruktur der Zukunft aus?

Die Energie- und Wärmewende ist ein entscheidender Hebel für die Erreichung der Klimaziele. Bei der nötigen Dekarbonisierung spielt der Energieträger Wasserstoff eine wesentliche Rolle. Zunächst kommt er als Alternative zu grünem Strom in schwer zu dekarbonisierenden Bereichen etwa in der Industrie in Frage. Perspektivisch ist aber vor allem auch die Nutzung zur Wärmeversorgung attraktiv, wie der neue Deloitte Point of View erklärt. Eine Entwicklung zum Massenmarkt sowie eine gemeinsame Regulierung von Wasserstoff- und Erdgasinfrastruktur könnten dies begünstigen.

In der chemischen Industrie, in der Stahlbranche, aber auch im Schwerlastverkehr stellt Wasserstoff schon heute eine realistische Energielösung dar, die in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommt. Noch unklar ist nach derzeitigem Stand aber, ob Wasserstoff auch einen umfassenden Beitrag zur Wärmewende leisten wird, die im Rahmen der Klimapolitik ebenfalls notwendig wird. Tatsache ist: Klimafreundlicher grüner Wasserstoff könnte Erdgas in der Wärmeversorgung unter den richtigen Voraussetzungen prinzipiell ersetzen. Die dabei mögliche Weiternutzung der bestehenden Erdgasinfrastruktur wäre volkswirtschaftlich vorteilhaft und würde die Herausbildung eines breiten Marktes unterstützen.

Aktuelle Situation und zukünftige Treiber

Die industrielle Verwendung ist in Deutschland hauptsächlich in den drei regionalen Wasserstoffclustern Unterelbe/Weser/Ems, Mitteldeutschland und Ruhrgebiet angesiedelt. Diese befinden sich in privatem Besitz und verfügen über eine leitungsgebundene Infrastruktur („Inselnetze“). Hierbei hat sich ein effizienter Markt mit langlaufenden Lieferverträgen herausgebildet.

Die nationale Wasserstoffstrategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zielt langfristig aber auf eine noch breitere Nutzung von Wasserstoff, um die Energiewende voranzubringen. Eine Weiterentwicklung des Wärmemarkts weg vom Erdgas und hin zu vorteilhafteren Alternativen wie Biogas oder grünem Wasserstoff wäre dafür ein maßgeblicher Treiber. Bislang stellt die Elektrifizierung des Wärmemarktes durch Wärmepumpen ein Kernelement der Wärmewende dar, besonders bei Neubauten. Im Bereich von Bestandsgebäuden ist allerdings eher fraglich, ob die nötige Sanierungsrate von zwei Prozent erreicht werden kann.

Als Alternative bietet sich eine Umrüstung der bestehenden Gasinfrastruktur für den Einsatz von Wasserstoff an. Ein Transport von Wasserstoff in getrennten Leitungen oder als Beimischung zu Erdgas ist in gewissem Umfang heute schon machbar. Der Wasserstoffbezug von Endverbrauchern für die Wärmeversorgung in größerem Maßstab würde hier jedoch noch einen entscheidenden weiteren Schritt nach vorne ermöglichen.

Regulatorische Rahmenbedingungen

Die Weiterentwicklung der regulatorischen Landschaft wird sich an der Entwicklung des Wasserstoffmarktes ausrichten, beeinflusst diesen zugleich aber auch ihrerseits. Je nach Szenario ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die Regulierung. Wenn die Ausgestaltung des Marktes auf dem derzeitigen, begrenzten Niveau beibehalten wird, besteht kein breiter Regulierungsbedarf, solange der Markt und die Preisbildung effizient ablaufen.

Anders sieht es aus, wenn Wasserstoff auf breiter Grundlage im Wärmemarkt zum Einsatz kommt. In diesem Szenario werden eine Reihe von Regulierungsschritten im Sinne einer Anreizregulierung nötig, vergleichbar mit den Strom- und Gasnetzen. Die Umsetzung sollte dabei zeitlich gestaffelt werden, um der jeweiligen aktuellen Entwicklungsstufe des Markts gerecht zu werden:

  • Marktaufbau
  • Markthochlauf
  • Marktreife
  • Massenmarkt

Dabei existieren drei wichtige Handlungsfelder. Die beiden ersten sind vor allem in der Frühphase wichtig. Entflechtungen helfen dabei, eine marktbeherrschende Position von Unternehmen zu vermeiden. Eine Netzzugangsregulierung garantiert Diskriminierungsfreiheit und faire Bedingungen für Dritte. Dazu kommen je nach Entwicklungsphase Maßnahmen zur Entgeltregulierung (z.B. Cost-plus-Regulierung, Anreizregulierung, Yardstick-Regulierung).

Folgende Instrumente können bei einer Entgeltregulierung sinnvoll zum Einsatz kommen:

  • Investitionsanreize (angemessene Verzinsung)
  • Effizienzanreize (Kosteneinsparungen durch Entkopplung von Erlösen und Kosten oder Sanktionen (Effizienzvergleiche)
  • Anreize zur Steigerung der Versorgungsqualität (Bonus-Malus-Systematik) und
  • Innovationsanreize.

Im regulatorischen Kriterienkatalog sollten darüber hinaus auch „weiche“ Faktoren wie Transparenz, Einfachheit und Verlässlichkeit aufgenommen werden, da diese wesentlich zur Akzeptanz beitragen. Insgesamt verschiebt sich die Priorität der regulatorischen Absichten im Lauf der Umsetzung von dem zunächst relevanten Fokus auf Investitionen und Qualität sukzessive in Richtung Innovation und Effizienz bei einem höheren Reifegrad des Marktes. Ein übergeordnetes Motiv der Regulierung ist dabei die Verhinderung von Monopolrenditen.

Optionen bei der Regulierung von Wasserstoff- und Erdgasinfrastruktur

Während sich die Wasserstoffinfrastruktur noch in der Aufbauphase befindet, liegt im Erdgasmarkt schon eine reife Infrastruktur vor. Wird dieser Umstand berücksichtigt, dann steigt die Komplexität der regulatorischen Entscheidungen noch deutlich an. Kennzeichnend für die Gasinfrastrukturregulierung ist der hohe Stellenwert von Versorgungsqualität und effizientem Betrieb, während Investitionsanreize hier eine vergleichsweise geringe Rolle spielen.

Für die zukünftige Regulierung kommen zwei grundsätzliche Alternativen in Betracht. Eine getrennte Regulierung von Gas- und Wasserstoffinfrastruktur passt besser zur nationalen Wasserstoffstrategie und zu den Erfordernissen der Aufbauphase. Diese Variante vermeidet rechtliche Risiken, fördert den Wettbewerb zwischen den Energieträgern und schafft Verursachergerechtigkeit (Verzicht auf Quersubventionierung). Eine gemeinsame Regulierung der beiden Infrastrukturen wiederum erhöht die Geschwindigkeit in der Markthochlauf-Phase. Außerdem sorgt sie für geringe Umrüstkosten und stabile Netznutzungsentgelte sowie für Planungssicherheit. Die Bundesnetzagentur muss als zuständiger Regulator abwägen, welche dieser Ausprägungen, die in der nationalen Wasserstoffstrategie beabsichtigte Zukunftsfähigkeit des Energieträgers am besten gewährleistet.

Die getrennte Regulierung hat vor allem Vorteile für den Wettbewerb. Allerdings steigen durch geringe Netzauslastung die Entgelte stark, und der Beitrag zur Wärmewende wird gebremst. Vor allem bleibt in diesem Regulierungsszenario die vorhandene Gasinfrastruktur bei der Energie- und Wärmewende ungenutzt. Daher wäre im Hinblick auf eine breite Ausdehnung der Wasserstoffnutzung für Wärme – auch und gerade für die private Versorgung – die Variante einer gemeinsamen Regulierung zu präferieren. Die Politik sollte den Umstellungsprozess dabei durch Förderprogramme auch im privaten Bereich unterstützen, wie sie heute z.B. für Wärmepumpen oder Elektrofahrzeuge üblich sind.

Weitere Details zu den Regulierungsoptionen erfahren Sie im neuen Point of View „Wasserstoff – Zukunft der Gasnetzbetreiber?“ zum Download.

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