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ERB und MaGo

Zwei Rundschreiben der BaFin für EbAVs im Entwurf

Die BaFin hat im August 2020 zwei Konsultationen für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) initiiert: Die zur Konsultation gestellten Rundschreiben bzw. Entwürfe der BaFin befassen sich zum einen mit den aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (MaGo für EbAV); zum anderen geht es um die aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen an die eigene Risikobeurteilung für (ERB) von EbAV.

Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen sind ausgewählte Aspekte der Mindestanforderungen an die ERB. Das Rundschreiben (RS) gibt Hinweise zur Auslegung des § 234d des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Insbesondere bei den Begriffen Profil und Risikoprofil sowie dem Proportionalitätsprinzip greift es auf das Rundschreiben zur MaGo zurück.

Der Begriff Profil bezieht sich auf die Gesamtheit der für EbAV relevanten Proportionalitätskriterien. Neben Art Umfang und Komplexität der Tätigkeiten erfasst das Profil der EbAV auch die Größenordnung der Tätigkeiten sowie die Größe und die interne Organisation. Das Risikoprofil bezieht sich auf die Gesamtheit der für eine EbAV bestehenden Risiken (vgl. §§ 26, 234c Abs. 3, 234d Abs. 1 VAG).

Bezüglich des Proportionalitätsprinzips wird in dem Rundschreiben/Entwurf zur MaGo ausgeführt, dass das Kriterium der Größenordnung der Tätigkeiten unter anderem anhand der Bilanzsumme zu bestimmen ist.  Dieses Kriterium kann bei geringer Größenordnung der Tätigkeiten regelmäßig in den Vordergrund treten. Bei der Bestimmung der Größe ist unter anderem die Mitarbeiterzahl der jeweiligen EbAV maßgeblich. Dabei handelt es sich nicht um die vorhandenen Mitarbeiter, sondern um den tatsächlichen Mitarbeiterbedarf, der gegebenenfalls auch im Rahmen einer Ausgliederung gedeckt wird.

Im RS zur ERB wird klargestellt, dass die eigene Risikobeurteilung ein Bestandteil des gesamten Risikomanagementsystems ist. Mindestens über folgende Dokumentationen, die sechs Jahre aufzubewahren sind, muss die EbAV verfügen:

  • Interne schriftliche Leitlinien zur ERB als Bestandteil der Risikomanagement Leitlinien (es kann eine eigene oder gemeinsame Dokumentation gestaltet werden)
  • Interne schriftliche Dokumentation jeder durchgeführten ERB
  • Schriftliche Bericht über die Ergebnisse jeder durchgeführten ERB (ERB – Bericht)

Die Frequenz für die regelmäßige ERB und deren Begründung sind festzulegen. Dabei sind Profil, Risikoprofil und auch die Volatilität des gesamten Finanzierungsbedarfs im Verhältnis zu den zur Deckung vorhanden Mitteln zu berücksichtigen. Ferner ist u. a. anzugeben, unter welchen Voraussetzungen eine nicht regelmäßige eigene ERB durchgeführt würde. Schließlich sind die Anforderungen an die Datenqualität zu beschreiben.

Der ERB-Bericht ist von der Geschäftsleitung zu genehmigen. Im RS wird die Empfehlung ausgesprochen, den Aufsichtsrat über wesentliche Ergebnisse der ERB in Kenntnis zu setzen. Mit Verweis darauf, dass der ERB-Bericht in die strategischen Entscheidungen der Geschäftsleitung einzubeziehen ist, wird gefordert, dass der ERB-Bericht ausreichend detailliert verfasst sein muss. Insbesondere Profil und Risikoprofil der EbAV bestimmen den Umfang des ERB-Berichts. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass für EbAV mit schwächer ausgeprägtem Profil einige wenige Seiten Umfang ausreichend sein können.

Der Stichtag, zu dem die ERB durchgeführt wird, muss nicht identisch mit dem Bilanzstichtag sein. Die ERB ist auf Basis aktueller Daten durchzuführen und muss spätestens neun Monate nach dem gewählten Stichtag abgeschlossen sein. Eine nicht regelmäßige ERB wird erforderlich, wenn sich Größenordnung, Art, Umfang, Komplexität oder die Bewertung der jeweiligen Risiken wesentlich verändert haben. Wenn eine EbAV mehr als ein Altersversorgungssystem betreibt, ist jedes Altersversorgungssystem separat zu betrachten. Im Übrigen bleiben die Regelungen des § 132 VAG zur Feststellung und Anzeige einer sich verschlechternden finanziellen Lage unberührt.

Ein einzelner Tarif ist regelmäßig kein eigenes Altersversorgungssystem, es sei denn, er wird separat geführt. Eine Änderung bei der Beurteilung der Sicherheiten in den biometrischen Rechnungsgrundlagen genau dieses Tarifes führt also im Regelfall höchstens dann zu einer nicht regelmäßigen ERB, wenn damit eine wesentliche Änderung des Risikoprofils der gesamten EbAV einhergeht.

Der späteste Stichtag, an dem die erste regelmäßige ERB vorzunehmen ist, wird nicht für alle EbAVs einheitlich festgelegt. Die BaFin unterscheidet zwei Gruppen. Gruppe 1 wird von denjenigen EbAVs gebildet, die zum 31.12.2019 eine Bilanzsumme von mehr als 1 Milliarde EUR aufweisen, sowie denjenigen Pensionskassen, die zusätzliche Berichtspflichten zum Umgang mit der Niedrigzinsphase zu erfüllen haben oder der intensivierten Aufsicht unterliegen. Gruppe 2 wird von allen anderen EbAVs gebildet.

Die Mitglieder der Gruppe 1 müssen ihre erste ERB spätestens zum Stichtag 31.12.2020 vornehmen. Die ERB muss spätestens zum 30.09.2021 abgeschlossen sein, der entsprechende ERB-Bericht muss der Aufsicht bis spätestens 14.10.2021 vorliegen. Für EbAVs der Gruppe 2 sind die vorgenannten Daten um ein Jahr verschoben.

Die Nrn. 1-8 des § 234d Abs. 2 Satz 1 VAG sind jeweils gesondert im Bericht zu behandeln. Einige greifen wir im Folgenden auf:

Zur Anforderung des § 234d Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VAG, „den gesamten Finanzierungsbedarf zu beurteilen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Deckung des Finanzierungsbedarfs zu beschreiben“, werden expressis verbis quantitative Angaben gefordert. Es sind geeignete Bewertungsmethoden zu verwenden. Diese haben vor dem Hintergrund des Profils und Risikoprofils der EbAV angemessen zu sein. Handels- bzw. aufsichtsrechtlich vorgegebene Bewertungsmethoden sind zu verwenden. Im RS wird auf zusätzlich anwendbare Methoden wie das Aktiv-Passiv-Managements (ALM) verwiesen. Auch wird auf das von EIOPA veröffentlichte „common framework for risk assessment and transparency of IORPs“ verwiesen. An dieser Stelle wird ausdrücklich festgehalten, dass die Anwendung insbesondere unmittelbar vorgenannter, von EIOPA publizierter, Methode nicht zwingend ist – sie erfolgt auf rein freiwilliger Basis der EbAV.

Stresstests, Prognose Rechnungen, Risiko Tragfähigkeitskonzepte, Berichte des Verantwortlichen Aktuariat oder der versicherungsmathematischen Funktion oder der unabhängigen Risikokontrollfunktion sowie das versicherungsmathematische Gutachten können als Basis für die ERB verwendet werden.

Bei der Beurteilung hinsichtlich der Kapitalausstattung sind unter anderem einzubeziehen:

  • „Art und Umfang der Eigenmittelbestandteile, und wie sich diese infolge von Rücknahme- Rückzahlungs- und Fälligkeitsterminen verändern können“
  • Aussagen über die Verfügbarkeit ausreichende Eigenmittel und gegebenenfalls die Angabe der Verfügbarkeit realistischer Pläne, sich zusätzliche Eigenmittel zu beschaffen sofern erforderlich.

Die Qualität und Volatilität der Eigenmittel sowie insbesondere deren Verlustausgleichsfähigkeit in verschiedenen Szenarien müssen in die Beurteilung einfließen.

Insgesamt ist ein Betrachtungszeitraum von fünf Jahren ab dem Stichtag zu wählen. Bezüglich der Liquidität gilt regelmäßig ein kürzerer Zeitraum von in der Regel einem Jahr als angemessen.

Bei der in § 234d Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VAG formulierten Forderung, „die Risiken zu beurteilen, die für die Versorgungsanwärter und Versorgungsempfänger in Bezug auf die Auszahlung ihrer Altersversorgungsleistung bestehen, sowie die Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen einzuschätzen (…)“, sind sowohl die Risiken bezüglich der von der EbAV garantierten als auch nicht garantierten Leistungen (wie beispielsweise bei einer reinen Beitragszusage) zu überprüfen. Die ebenfalls in die Betrachtung einzubeziehenden Indexierungsmechanismen sowie Mechanismen zur Minderung der Anwartschaften und Ansprüche auf Versorgungsleistungen werden in dem RS spezifiziert und abgegrenzt.

Nach § 234d Abs. 2 Satz 1 Nummer 6 VAG ist insbesondere „eine qualitative Beurteilung der Mechanismen vorzunehmen, die zum Schutz der Anwartschaften und Ansprüche auf Versorgungsleistungen bestehen (…)“. Zu betrachtende Mechanismen sind die Subsidiärhaftung der Arbeitgeber, der Schutz durch den Pensionssicherungsverein oder einen Sicherungsfonds oder die Verpflichtung beziehungsweise Bereitschaft von Aktionären, Trägerunternehmen oder von anderen Dritten, der EbAV zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Mechanismen wie eine „vorsichtige Bilanzierung und Kalkulation, Bildung von Sicherungsvermögen, (…) internes Kontrollsystem, (…), Interne Revision, (…)“ zählen ausdrücklich nicht zu den vorstehend aufgeführten Mechanismen zum Schutz der Anwartschaften und Ansprüche.

Die Schutzmechanismen werden im RS weiter erörtert. Neben der Nennung aller vorhandenen Mechanismen wird eine Beschreibung der Wirkungsweise dieser Mechanismen gefordert, einschließlich ihres Zusammenwirkens und der Reihenfolge ihrer Inanspruchnahme. „Die Möglichkeit einer Unterstützung durch Trägerunternehmen, Aktionäre oder andere Dritte ist auch dann zu beurteilen, wenn es keine bindende Verpflichtung“ für eine derartige Unterstützung gibt, „aber davon auszugehen sei, dass eine derartige Unterstützung erforderlich wäre (…) oder wenn in der Vergangenheit bereits auf freiwilliger Basis eine solche Unterstützung erfolgt ist.“

Folgendes wird im RS wird weiter ausgeführt:

„Bei der Beurteilung der Subsidiärhaftung sowie der Verpflichtung bzw. Bereitschaft von Aktionären, Trägerunternehmen der EbAV oder anderen Dritten, der EbAV zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, ist auf folgende Fragen einzugehen:

  • Sofern die EbAV aus öffentlich zugänglichen Quellen mit vertretbarem Aufwand verlässliche Informationen über die wirtschaftliche oder bilanzielle Lage von (ggf. wenigen großen) Trägerunternehmen, Aktionären oder der anderen Dritten gewinnen kann: Geben diese Informationen Anlass zu offensichtlichen Zweifeln an der Fähigkeit dieser, ihren Verpflichtungen oder Zusagen auf Unterstützung nachkommen zu können?
  • Liegen der EbAV verlässliche Informationen (über rechtliche, ökonomische oder sonstige Verhältnisse) vor, die eine Aussage darüber ermöglichen, ob die Trägerunternehmen, Aktionäre oder anderen Dritten in bestimmten adversen Situationen ihren Verpflichtungen oder Zusagen (nicht) nachkommen könnten? Könnten solche Informationen mit vertretbarem Aufwand gewonnen werden?

EbAV, die branchenweit tätig sind, insbesondere auf der Basis von für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen, können diese Betrachtungen auch auf der Basis von statistischen Kennzahlen der jeweiligen Branche vornehmen."

Aus Sicht der Versorgungsanwärter und -empfänger ist ein mögliches Eintreten von Arbeitgebern oder gar fremden Dritten zum Schutz ihrer (in Aussicht) gestellten Leistungen zu begrüßen. Allerdings stellen die vorgenannten Anforderungen an die EbAV zur Beurteilung der Fähigkeit zur Bereitstellung von Mitteln durch beispielsweise Trägerunternehmen oder Dritte einen gegebenenfalls beträchtlichen Zusatzaufwand dar. Es bleibt zu hoffen, dass die Bedingung „mit vertretbarem Aufwand“ hier tatsächlich die Mehrbelastung für die EbAVs signifikant begrenzt. Das Proportionalitätsprinzip sollte in diesem Fall konsequent Anwendung finden.