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Bail-out in Italien

Der erste eklatante Verstoß gegen den Single Resolution Mechanism?

Februar 2017

Es war Anfang 2016, als der neu geschaffene europäische Einheitliche Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board) seine Verantwortung übernahm. Es handelt sich um die zentrale Behörde des Single Resolution Mechanism („SRM“), mit dem künftig Bail-outs von Banken weitestgehend unterbunden werden sollen.

Es war Ende 2016, als Italien ein großvolumiges Bail-out-Programm, maßgeschneidert aber nicht beschränkt auf die toskanische Banca Monte dei Paschi di Siena („MPS“), beschloss.

Wie passen die Ereignisse vom Jahresanfang und dessen Ende zusammen? Ist der Bail-in-Grundsatz kurz nach Inkrafttreten wieder ausgehebelt worden, oder greift eine weit zu verstehende Ausnahme vom Bail-out-Verbot?

Die EU-Bankenabwicklungsrichtlinie RL 2014/59/EU (im Folgenden „BRRD“) regelt, dass notleidende Banken vorrangig durch nicht-staatliche Maßnahmen zu retten sind, insbesondere durch Beteiligung der Gläubiger und Anteilseigner („Bail-in“). Anders als bei Bail-out-Verfahren soll der Steuerzahler nicht mehr für die Schieflage von Banken aufkommen. Gleichzeitig soll die Gefahr eingedämmt werden, dass sich Staaten durch Hilfsmaßnahmen für Banken selbst in eine wirtschaftliche Schieflage bringen. Als Konsequenz aus der Finanzkrise von 2007/08 soll der Einsatz staatlicher Hilfen lediglich noch als ultima ratio greifen, wenn andere Möglichkeiten zur Bankenrettung erfolglos ausgeschöpft sind.

Angesichts des besonders hohen Anteils an stark leistungsgestörten Krediten in den Bilanzen italienischer Banken kam dort die Scharfschaltung des SRM gewissermaßen zur Unzeit. Nicht nur einmal wurde von italienischer Seite versucht, den Mechanismus ausdrücklich abzuschwächen, zeitweise auszusetzen oder bestimmte Fälle auszunehmen. Hiermit hatte man keinen Erfolg.

Die MPS, die wohl kritischste der italienischen Banken, bekam von der EZB ins Logbuch geschrieben, eine Kapitalisierung aus dem Privatsektor zu organisieren. Man fasste eine Mischung aus Aktienemission, debt-to-equity swaps und Verkauf von non-performing loans ins Auge. Tatsächlich sah die privatwirtschaftliche Rettung zeitweise sogar vielversprechend aus. Jedoch entwickelte sich mangels eines signifikanten Ankerinvestors kein wirklich gesunder Schwung in die Kapitalisierungsbemühungen und im Spätherbst spürte man bereits, dass manche Investoren die Bücher für 2016 bereits schlossen. Doch erst das italienische Referendum mit dem anschließenden Rücktritt des Ministerpräsidenten schien diesem Vorhaben dann endgültig den Garaus zu machen. Man versuchte noch, wegen dieser besonderen politischen Situation eine Fristverlängerung bei der EZB zu erlangen – jedoch ohne Erfolg; ein solcher Spielraum wurde dort nicht gesehen.

Die MPS hat nach Erkenntnissen der EZB eine Kapitallücke von deutlich mehr als EUR 8 Milliarden – die Bank selbst ging nach eigenen Berechnungen von EUR 5 Milliarden aus. Würde man das Bail-in-Prinzip hier konsequent anwenden, müssten nun primär Gläubiger und Anteilseigner an der Rettung beteiligt werden; nur subsidiär würden staatliche Hilfen in Frage kommen. Die MPS hat die Besonderheit – und das Problem, dass diese auch einen ungewöhnlich hohen Anteil an Kleinsparern als Gläubiger nachrangiger Bankanleihen hat.

Ende Dezember 2016 wurde nun öffentlich, dass der Weg des Bail-in nicht beschritten wird. Vielmehr hat die italienische Regierung einen Rettungsfonds mit einem Volumen von bis zu 20 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, mit dem nicht nur die MPS, sondern auch andere italienische Banken staatlich unterstützt werden sollen. Zunächst geht es um eine vorläufige Liquiditätshilfe, die kurzfristig noch Ende des Jahres 2016 von der Europäischen Union genehmigt wurde. In einem zweiten Schritt soll eine Rekapitalisierung seitens des italienischen Staates folgen. Hier steht eine Genehmigung in den nächsten Monaten an.

Italien strebt damit – trotz des grundsätzlichen Primats des Bail-in nach dem SRM – faktisch einen staatlichen Bail-out zur Rettung notleidender Banken an.

Die geplante Rettung soll jedoch im Einklang mit dem BRRD und damit dem SRM erfolgen. Hierfür wird Art. 32 Abs. 4 UAbs. 1 lit. d BRRD nutzbar gemacht, der eine Öffnungsklausel enthält, nach welcher staatliche Hilfen anstelle des Bail-in ausnahmsweise erlaubt sind. Danach ist eine finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln anstelle der Abwicklung möglich, wenn dies zur Abwendung einer schweren Störung der Volkswirtschaft des Mitgliedstaats und zur Wahrung der Finanzstabilität erforderlich ist. Insbesondere die Zuführung von Eigenmitteln oder der Kauf von Kapitalinstrumenten zu Preisen und Bedingungen, die das Institut nicht begünstigen, können erlaubt sein, wenn die Bank im Kern solvent und lebensfähig ist. Bezeichnet wird dies gemeinhin als „vorsorgliche Rekapitalisierung“.

Diese Ausnahmeregelung, vor allem aber deren Nutzung im Fall der MPS u.a., wird – wie zu erwarten war – in Teilen der Öffentlichkeit heftig kritisiert: Die Europäische Kommission schaffe einen Präzedenzfall, auf den sich andere Banken und Staaten berufen könnten; der SRM werde damit gleich zu Anfang gefährlich aufgeweicht.

Tatsächlich ist im vorliegenden Fall nicht offenkundig, dass die Anforderungen der Öffnungsklausel vorliegen. Die Voraussetzungen der „schweren Störung der Volkswirtschaft“ oder „Wahrung der Finanzstabilität“ etwa bedürfen naturgemäß der Auslegung, sind bei manch anderer Bank und Situation jedoch deutlich einfacher zu bejahen. Ebenso ist die Frage nicht banal, inwieweit die Voraussetzung der grundsätzlichen Solvenz der Bank im Fall der MPS anzunehmen ist - blickt man auf die Kapitallücke und die Schwierigkeiten, Kapitalgeber zu finden.

Politisch brisant ist bei MPS insbesondere, dass viele Anteilseigner und Gläubiger der MPS Kleinanleger bzw. Kleinsparer sind. Am Beispiel der MPS zeigt sich damit die (innen-)politische Dimension des europäischen Bankenabwicklungsmechanismus. Sollten tatsächlich auch Kleinsparer für einen Bail-in herangezogen werden?

An dieser Stelle soll nicht weiter untersucht werden, ob Art. 32 Abs. 4 UAbs. 1 lit. d BRRD eine zweckmäßige Regelung ist oder ob die Voraussetzungen der „vorsorglichen Rekapitalisierung“ bei MPS gegeben sind. Letzteres wird in den nächsten Monaten intensiv geprüft werden. Was jedoch schon die Diskussionen zu MPS und den italienischen Banken eindrucksvoll zeigen, ist, dass die Einschätzung, das größte Risiko des SRM sei nicht etwa ein operationelles sondern ein politisches, durchaus diskussionswürdig erscheint. Ferner wurden im Jahre 2013, als der SRM auf den Weg gebracht wurde, die Aufgaben und Funktionen einzelner EU-Institutionen nicht in dem Maße in Frage gestellt, wie dies aktuell geschieht. Es erstaunt vor dem Hintergrund der weitreichenden Auswirkungen eines Bail-in nicht, dass auch diese Tatsache Einfluss auf die Diskussion hat. Ebenso wenig überraschen jedoch auf der anderen Seite die Befürchtungen, von dem Bail-in-Grundsatz könnte am Ende nur noch wenig übrig bleiben.

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