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Eine paneuropäische Bad Bank

Der Hilferuf von Top-Aufsehern

Es klingt wie entlehnt aus dem Alptraum eines eingefleischten Transferunion-Gegners: Man errichtet eine europäische Bad Bank und transferiert auf diese einen großen Teil der stark notleidenden Kredite europäischer Banken zur gemeinsamen Verwaltung und Verwertung.

Jedoch: Die Idee gibt es wirklich und sie wird aktuell von prominenter Seite befürwortet. Auf der anderen Seite ist es nicht ganz so „schlimm“ wie es für Transferunion-Gegner auf den ersten Blick erscheinen mag.

Die Last der NPL

Die Last der notleidenden Kredite (Non-Performing Loans; nachfolgend „NPL“) in den Bilanzen der europäischen Banken ist enorm. Laut European Banking Authority (nachfolgend „EBA“) halten europäische Banken mehr als 1 Bill. Euro an NPL. Zehn europäische Länder haben eine NPL-Quote von über 10 %. Das ist rund viermal so hoch wie in Deutschland (2,6 %). Im Schnitt liegt die NPL-Quote der europäischen Banken mit 5,4 % deutlich zu hoch, um von einer gesunden Bankenlandschaft zu sprechen. Befürchtet wird, dass der hohe Anteil an NPL nicht nur die Banken in der Kreditvergabe beschränkt, sondern in der Folge große Teile der europäischen Wirtschaft lähmt.

Regulatorische Maßnahmen wie erhöhte Eigenkapitalunterlegungspflichten für Banken und der Single Resolution Mechanism wirken zwar risikominimierend für die Banken bzw. für „den Steuerzahler“, die Kreditvergabe beflügeln sie jedoch nicht. Die Europäische Initiative einer Kapitalmarktunion auf der anderen Seite hat zwar das direkte Ziel, die Versorgung der Realwirtschaft mit Finanzmitteln zu fördern und benennt eine Reihe erfolgversprechender Ansätze. Die meisten dieser Maßnahmen werden jedoch keine kurzfristigen Erfolge erzielen und befinden sich überhaupt erst im (nur teilweise fortgeschrittenen) Planungsstadium.

Fehlendes Werkzeug

Gemäß einiger gewichtiger Stimmen in Europa fehlt es also an einem wirksamen und schnellen Werkzeug, um die NPL-Quote deutlich zu senken und so langfristige Lähmungserscheinungen der europäischen Wirtschaft zu bekämpfen. Andrea Enria, der amtierende Vorsitzende der EBA, stieß die Diskussion mit einer Rede Anfang des Jahres in Brüssel an, in der er eine paneuropäische Bad Bank in Form einer europäischen Asset Management Company (nachfolgend „AMC“) forderte. Der Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, pflichtete ihm bei. Vítor Constâncio, Vizepräsident der EZB, griff die Idee ebenfalls auf.

Der Lösungsvorschlag

Kern der Überlegungen ist, dass die europäische AMC den Banken die NPLs zu einem ökonomischen Wert abnimmt, der eine Langfristperspektive abbildet. Preisreduzierende Effekte, die sich aus Marktpreisen ergeben, die der momentanen Marktsituation (Liquiditätseffekte, Angebotsüberhang, Unsicherheiten) geschuldet sind, könnten in diesem Schritt gemildert werden. Gleichwohl können schon diese Preise zu erheblichem Abschreibungsbedarf bei den Banken führen, wenn der ökonomische Wert unter dem aktuellen Buchwert liegt. Im Extremfall wären bei einigen Banken vermutlich bereits dann Restrukturierungs-/Stützungsmaßnahmen erforderlich. Die AMC hätte sodann einen fest definierten Zeitraum (z.B. drei Jahre), um die Kredite zu einem Preis möglichst oberhalb des ursprünglichen Wertes, zu dem auf die AMC transferiert wurde, zu verkaufen. Gelingt dies nicht, müssen die jeweilige Bank, respektive das betroffene Mitgliedsland, den Verlust übernehmen. Um das Maß der möglichen Verluste, und damit auch der ggf. nötigen Staatshilfe, vorab abschätzen zu können, ist vor der Übertragung auf die AMC ein Stresstest bei den betreffenden Banken vorgesehen. Die genaue Ausgestaltung der AMC bleibt noch im Dunkeln, klar dürfte jedoch sein, dass eine Umsetzung ohne staatliche Garantien schwer denkbar ist.

Auch die Initiatoren machen klar, dass aus ihrer Sicht eine staatlich gestützte Lösung langfristig nicht die denkbar wünschenswerteste ist. Vorzuziehen seien privatwirtschaftliche Ansätze, die von Anfang an eingesetzt und nach und nach gestärkt werden müssten. Genannt werden z.B. Clearinghäuser zur Informationsoptimierung und Verbriefungen zur Feinjustierung der Risiken. Jedoch sei der Privatsektor derzeit strukturell noch nicht gut genug aufgestellt, das Problem alleine zu lösen. Nur die AMC-Lösung sei geeignet, bereits kurz- bis mittelfristig maßgebliche Effekte zu erzielen.

Die Grundidee einer solchen paneuropäischen Bad Bank hat durchaus diskussionswürdige Aspekte. Es würden einheitliche Maßstäbe gewährleistet. In gewisser Weise ließe sich der Druck erhöhen, das NPL-Problem in allen Ländern wirksam anzugehen. Auch Synergieeffekte könnten realisiert werden.

Erhebliche Hürden

Jedoch wären für ein solches Modell erhebliche Hürden zu überwinden. Europäisches Beihilferecht und die neuen Vorschriften zur Sanierung und Abwicklung müssen eingehalten werden, und gleichzeitig muss einigen Staaten die Bedenken gegen harte Einschnitte und Anderen die Angst vor der Vergemeinschaftung von Verlusten genommen werden. Letzteres könnte durch eine grundsätzliche Haftung der jeweiligen Mitgliedstaaten für ihre Banken ausgeschlossen werden. Natürlich muss man sich auch in manchen Fällen fragen, wieviel eine solche Staatsgarantie wert sein kann. Als „Plan B“ werden daher als Minimallösung zumindest einheitliche EU-weite Standards („blue print“) gefordert. Offen ist, wie die Banken einen eventuell nach den drei Jahren zu tragenden Verlust bilanziell und aufsichtsrechtlich vorab zu berücksichtigen hätten. Eine ganz entscheidende Hürde, die naturgemäß in Reden, die Aufbruchsstimmung verbreiten sollen, weniger betont wird, ist der berühmte „Teufel im Detail“. Es würde eine noch kaum abschätzbare Mammutaufgabe darstellen, in einer zentralen Einheit Kredite aus allen Assetklassen sowie über 20 unterschiedlichen Jurisdiktion und verschiedenen Sprachräumen wertmaximierend zu verwalten und dann bestmöglich zu verwerten.

Es sind somit noch viele Fragen offen. Es ist aber wichtig, dass sie gestellt werden. Man sollte den Vorstoß also als Anregung einer dringlichen Diskussion sehen und v.a. nutzen!

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