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Gemeinsamer Vertreter

Seit Einführung des neuen Schuldverschreibungsgesetzes im Jahr 2009 („SchVG 2009“) können Anleihegläubiger sich durch einen gemeinsamen Vertreter gegenüber dem Emittenten einer Schuldverschreibung vertreten lassen und verbindliche Mehrheitsentscheidungen treffen.

Alte Rechtslage

Vor Einführung des Gesetzes war in Krisensituationen oftmals das Insolvenzverfahren das einzige Szenario, wenn wirtschaftlich das Anleiheexposure die bestimmende Größe war. Insbesondere war es für going-concern-Lösungen de facto erforderlich, 100% der Anleihegläubiger z.B. von einer Anpassung zu überzeugen, die zwar eine Einschränkung der in den Anleihebedingungen verbrieften Rechte bedeutete, jedoch langfristig wertschonender erschien.

Nicht nur aufgrund der schwierigen Kommunikation mit den für den Emittenten zu großen Teilen anonymen Investoren, sondern auch mangels klarer (organisatorischer) Regeln sowie des 100%-Erfordernisses konnte eine Restrukturierung des Anleiheexposures häufig nicht durchgeführt werden.

Mehrheitsbeschlüsse und „gemeinsamer Vertreter“ ab 2009

Abhilfe kann seit 2009 das Bestellen eines gemeinsamen Vertreters schaffen. Dieser kann durch den Schuldner bereits in den Anleihebedingungen festgelegt (Vertragsvertreter) werden oder nachträglich durch die Anleihegläubiger (Wahlvertreter) bestimmt werden.

Der gemeinsame Vertreter bekommt durch das SchVG 2009 eine Vielzahl an Aufgaben und Befugnisse eingeräumt, die die Rechte der Anleihegläubiger gegenüber dem Emittenten bündelt und stärkt. Insbesondere gilt das Mehrheitsprinzip, d.h. für bindende Entscheidungen der Anleihegläubiger sind nicht mehr zwingend 100% Zustimmung erforderlich. Auch die Aufgaben und Befugnisse des gemeinsamen Vertreters können durch den Mehrheitsbeschluss der Gläubiger – auch über die Aufgaben laut Gesetz hinaus – erweitert und/oder beschränkt werden.

Der gemeinsame Vertreter

  • kann vom Schuldner verlangen, alle Auskünfte zu erteilen, die zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben erforderlich sind. (§ 7 Abs. 5 SchVG 2009)
  • kann eine Gläubigerversammlung einberufen (§ 9 Abs. 1 SchVG 2009)
  • führt den Vorsitz der Versammlung, sofern er diese Einberufen hat und das Gericht keinen anderen Vorsitz bestimmt hat (§ 15 Abs. 1 SchVG 2009)

Innerhalb eines möglichen Insolvenzverfahrens ist der gemeinsame Vertreter für alle Gläubiger allein berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen. (§ 19 Abs. 3 SchVG 2009).

Sämtliche Aufgaben und Befugnisse hat der gemeinsame Vertreter im Sinne der Gläubiger zu tätigen. Zudem hat er deren Weisungen zu befolgen und zeitnah über seine Tätigkeit zu berichten (§ 7 Abs. 2 SchVG 2009).

Der Einsatz eines gemeinsamen Vertreters bündelt die Interessen der Gläubiger, erhöht die Transparenz und Reaktionsmöglichkeit der Gläubiger in Restrukturierungssituationen.

Bereits 2010, kurz nach Einführung des SchVG 2009, wurden die ersten internationalen Emissionen mit einem in den Anleihebedingungen bestellten gemeinsamen Vertreter begeben.

Deloitte

Deloitte war im Jahr 2010 der erste, in den Anleihebedingungen bestellte, gemeinsame Vertreter in Deutschland und hat seitdem eine Reihe von Anleiheemissionen in der Funktion begleitet. Das Volumen der Emissionen summiert sich auf einen zweistelligen EUR-Milliardenbetrag.

Für diese Funktion greift Deloitte u.a. auf seine langjährige Expertise als Transaktionspartei in strukturierten Anleihen (Trustee-Services seit 1998) sowie auf seine Restrukturierungsexpertise zurück.

Ihr Ansprechpartner

Philipp von Websky
pvonwebsky@deloitte.de
+49 211 8772 3867