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Gibt es einen Markt für European Secured Notes?

Einschätzung der EBA vom 26. Juni 2018

Betrachtet man allein den Namen, verrät er nicht wirklich viel über die Struktur dieses neuen Instruments. Er lässt auf den ersten Blick vermuten, dass es sich um etwas zwischen einer unbesicherten Anleihe und einer Verbriefung handelt. Tatsächlich sollen European Secured Notes (ESN) an gedeckte Schuldverschreibungen (Covered Bonds) angelehnt sein, allerdings soll sich der Deckungspool aus risikoreicheren Vermögenswerten zusammensetzen, wie Krediten an kleine und mittelständische Unternehmen (KMU-Kredite) sowie Infrastrukturfinanzierungen. Im Zuge der Veröffentlichung der Entwürfe für einen neuen einheitlichen Gesetzesrahmen für Covered Bonds (Regelungspaket vom 12. März 2018, siehe FSNews 5/2018 von Mai 2018), hatte die EU-Kommission klargestellt, dass sie diese Kredite im Vergleich zu den bei Covered Bonds üblicherweise als Deckung verwendeten Hypothekendarlehen für risikoreicher hält, weshalb sie den Anforderungen für Covered Bonds gemäß der neuen Richtlinie nicht genügen dürften. Stattdessen solle ein neues Instrument entwickelt werden, das die gleichen strukturellen Merkmale aufweist wie ein Covered Bond. Insbesondere sollen ESN also auch eine Doppelbesicherung durch Rückgriffsmöglichkeiten auf den Emittenten und auf den insolvenzgeschützten Deckungspool beinhalten. Hinsichtlich der Umsetzbarkeit, möglicher Gestaltungsempfehlungen und denkbarer Auswirkungen für die Praxis bei der Einführung von ESN wurde die EBA um eine Einschätzung gebeten.

In den zu dem Public Hearing am 26. Juni 2018 veröffentlichten „Recommendations on the Call for Advice on European Secured Notes“ kommt die EBA zu dem Ergebnis, dass sich KMU-Kredite für ESN grundsätzlich eignen würden, während sie Infrastrukturkrediten diese Eignung abspricht. Der Grund läge vor allem darin, dass ein Deckungspool aus KMU-Krediten ausreichend granular gestaltet werden könne, während es sich bei Infrastrukturkrediten regelmäßig um komplexe Projektfinanzierungen handele, die sehr großvolumig seien. Eine Struktur mit Doppelbesicherung sei für einen Deckungspool aus Infrastrukturdarlehen deshalb nicht geeignet. Auch für KMU-Kredite seien aber bestimmte Mindestanforderungen festzulegen, damit sie sich für ein Covered Bond-ähnliches Produkt eignen. Hierzu zähle, dass nur langfristigere Darlehens- oder Leasingforderungen ausgewählt werden sollten, die nicht leistungsgestört sind und nach eindeutigen Kreditvergabekriterien ausgegeben wurden. Der gesamte Deckungspool sollte ausreichend granular sein und mindestens 500 Einzelkredite umfassen, von denen nicht mehr als 2 % derselben Kreditnehmereinheit zuzuordnen sein sollten. Auch der Grad der Überbesicherung sollte im Vergleich zu den 5 %, die künftig bei allen Covered Bonds einzuhalten sind, deutlich darüber angesetzt werden. Gemäß dem Vorschlag der EBA sollte die Überbesicherung bei mindestens 30 % liegen.

Diese Einschätzung der EBA deckt sich mit einer Äußerung der Ratingagentur Fitch, die im Vorfeld ebenfalls sagte, dass sich KMU-Kredite besser für ESN eigenen würden als Infrastrukturdarlehen. Zudem sei laut Fitch zu erwarten, dass der Grad der Überbesicherung deutlich höher sein wird als bei einem klassischen Covered Bond, da bei von Fitch gerateten Europäischen KMU-Verbriefungen die Überbesicherung der Senior Tranchen bei durchschnittlich über 30 % liege.

Die EU-Kommission möchte mit den ESN ein weiteres Instrument für die Refinanzierung von Banken am Kapitalmarkt schaffen, das sich zwischen klassischen Covered Bonds und STS-Verbriefungen einreihen soll. Ob sie damit ihr eigentliches Ziel erreicht, die Vergabe von KMU- und Infrastrukturkrediten zu fördern, ist schwer abschätzbar. Schließlich gibt es bereits die Möglichkeit, KMU-Kredite zu verbriefen, und mit den qualitativ hochwertigen STS-Verbriefungen wurde bereits ein neues Segment geschaffen, welches die Sicherheit für den Anleger erhöhen soll. Zudem dürfte die Möglichkeit, neben der Refinanzierung auch eine Eigenkapitalentlastung für den zugrundeliegenden Forderungspool zu erhalten, für die Banken von Vorteil sein. Aus diesem Grund werden für die Verbriefung von KMU-Krediten oder Projektfinanzierungen häufig synthetische Verbriefungen verwendet. Dies spiegelt sich auch in der eigens für KMU-Kredite geschaffenen Ausnahme in Art. 270 CRR n.F. wider. Danach können sich vorrangige Positionen in KMU-Verbriefungen bei Einhaltung der in diesem Artikel genannten Bedingungen als STS-Verbriefungen qualifizieren, obwohl synthetische Verbriefungen unter dem im Dezember verabschiedeten neuen Verbriefungsregelwerk als STS-Verbriefungen grundsätzlich ausgeschlossen sind. Synthetische Verbriefungen können also, abgesehen von der Ausnahme in Art. 270 CRR n.F., nicht von den günstigeren Risikogewichten für STS-Verbriefungen profitieren.

Sollte ein entsprechendes Regelwerk für ESN geschaffen werden, bleibt abzuwarten, ob es vom Markt angenommen wird. Dies wird sicherlich auch von der Behandlung der ESN im Rahmen der Vorschriften zur Eigenkapitalunterlegung abhängen. Hierzu hat die EBA noch keine konkreten Vorschläge gemacht. Bei Erfüllung der strukturellen Mindestanforderungen sei laut EBA eine bevorzugte Behandlung der KMU ESN im Vergleich zu unbesicherten Risikopositionen von Kreditinstituten denkbar. Die Commerzbank hat den einzigen Covered Bond, den sie im Jahre 2013 unter ihrem SME Structured Covered Bond Programm ausgegeben hatte, jedenfalls Ende Februar dieses Jahrs vollständig zurückgezahlt. Vielleicht wird sie das Programm nach der Veröffentlichung eines Gesetzesvorschlags der EU-Kommission zu ESN wiederaufleben lassen. Nach der Veröffentlichung des für Mitte Juli erwarteten finalen EBA Reports wird sich zeigen, ob und welche Zukunft KMU ESN sowie Infrastruktur ESN zu erwarten haben.

 

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