Article

Non-Performing Loans (NPL) Management in europäischen Banken

Der EZB-Leitfaden zu notleidenden Krediten

Juli 2017

Im März 2017 veröffentlichte die Europäische Zentralbank (EZB) die finale Version des Leitfadens für Banken zu notleidenden Krediten (Non-Performing Loans; nachfolgend „NPL“). Hintergrund des Leitfadens sind die hohen NPL-Bestände europäischer Banken – rund 879,8 Mrd. EUR in Q4/2016 (vgl. auch eine Vergleichsstudie zu stark notleidenden Portfolien sowie das EBA-Dashboard der EBA). Die Relevanz der NPL-Problematik steht außer Frage. Prominente Vertreter der Bankenaufsicht haben sich bereits für Lösungen auf europäischer Ebene ausgesprochen, z.B. in Form einer paneuropäischen "Bad Bank".

Mit dem Leitfaden hat die EZB auf die Notwendigkeit einheitlicher Standards hinsichtlich der Steuerung von NPL-Beständen reagiert. Die Aufsicht definiert Maßnahmen und Verfahren zum Umgang mit NPL, u.a. auf der Basis von „Best Practices“ in europäischen Instituten – insbesondere für direkt von der EZB beaufsichtigte Institute. Der Leitfaden ist zunächst nicht verbindlich, sondern dient als Grundlage für den Dialog zwischen Aufsicht und Banken und behandelt nachfolgende Themen:

NPL-Strategie

Aufbauend auf grundlegenden Anforderungen, in Form einer Beurteilung des internen und externen Umfelds, soll eine Strategie mit qualitativer und quantitativer Zielsetzung sowie einem operativen Implementierungsplan entwickelt werden. Bei der Wahl der Umsetzungsoptionen (z.B. Hold, Sale, Abschreibung, Debt-Equity-Swap oder Debt-Asset-Swap) soll eine individuelle Kombination von Optionen bestimmt werden, welche die bestmögliche Durchsetzung der gesteckten Ziele ermöglicht. Anschließend soll die Strategie in Geschäftsprozesse eingebunden und durch geeignete Entscheidungsstrukturen implementiert werden.

 

Governance

Für die Implementierung und Umsetzung der NPL-Strategien sieht der Leitfaden angemessene Governance-Strukturen, ein Frühwarnverfahren und ein operatives Modell für NPL vor. Durch die Zuordnung in Abwicklungseinheiten (NPL-Workout-Units) mit Ausrichtung auf spezifische NPL-Lebenszyklen und Portfoliocharakteristika sollen Institute bei der Abwicklung der NPLs Fachkenntnisse bündeln und Interessenkonflikte eliminieren.

 

Forbearance

Als priorisierte Ziele werden die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit „notleidender“ Kreditnehmer sowie Präventionen gegen die Abstufung weiterer Kreditnehmer in diesen Status genannt. Erfahrungen haben gezeigt, dass oftmals wiederholte Forbearance-Maßnahmen ohne gezielte Einwirkung auf das grundlegende Problem gewährt werden. Aus diesem Grund liegt der Fokus auf der Definition und Implementierung von tragfähigen Forbearance-Lösungen. Dafür wird zunächst ein Überblick über mögliche Forbearance-Optionen gegeben, anschließend werden Anforderungen an Kapitaldienstfähigkeitsprüfungen und Offenlegungspflichten gestellt.

 

Bilanzielle Erfassung

Es werden Zusammenhänge zwischen den Definitionen „Non-performing Exposures“ (EBA), „wertgemindert“ (IFRS) und der regulatorischen Ausfalldefinition (CRR) erläutert und eine prozessuale Harmonisierung der im Detail unterschiedlichen Definitionen empfohlen. Demnach wird in Bezug auf die Definition von „unlikely-to-pay“-Ereignissen vorgeschlagen, Ereignisse zu berücksichtigen, die in der Ausfalldefinition der CRR und in der IFRS-Definition für Wertminderungsvorschriften aufgeführt sind.

 

Bewertung von Wertminderungen und Abschreibungen

Die Ergebnisse von Asset Quality Reviews legten die Notwendigkeit kohärenter Risikovorsorgemethoden offen. Die Ziele für die bilanzielle Erfassung und Abschreibung von Kreditverlusten umfassen u.a. die Solidität der Methoden zur Risikovorsorge, zeitnahe Handlung, sowie die Verbesserung von Verfahren in Bezug auf die Bewertung der Aktiva-Qualität.

 

Bewertung von Immobiliensicherheiten

Vor allem bei Immobiliensicherheiten deckten aufsichtliche Prüfungen Mängel in den Bewertungsansätzen auf. Kernkritikpunkt war dabei das Versäumnis, kontinuierlich Informationen als Bewertungsgrundlage einzufordern, und in der Konsequenz eine Fehleinschätzung der Sicherheiten- und Kreditqualität. Der Leitfaden definiert Erwartungen hinsichtlich Verfahren, Überprüfung und Kontrollen der Immobilienbewertung sowie Anforderungen an Sachverständige. Des Weiteren enthält er Empfehlungen über zeitliche und methodische Dimensionen des Bewertungsprozesses.

In Anhang 8 des Leitfadens wird auf eingegangene Kommentare in Bezug auf die Nutzung von Verbriefungen zum Abbau von NPLs reagiert. Zu diesem Zweck wird Banken u.a. geraten, eine realistische Schätzung der Cashflows hinsichtlich der unregelmäßigen Rückzahlungen von NPLs zu modellieren. Besondere Aufmerksamkeit empfiehlt die Aufsicht bei der Bewertung von hinterlegten Sicherheiten sowie bei der Berücksichtigung von Strukturierungskosten.

Die europaweite Harmonisierung im Umgang von NPLs soll aus Sicht der Aufsicht einen weiteren Schritt zur Reduzierung der NPL-Last darstellen. Während Banken mit überdurchschnittlich hohen NPL-Beständen zeitnah Governance-Strukturen und NPL-Strategien für den Abbau der maroden Forderungen implementieren sollen, finden andere Teile des Leitfadens für die gesamte Breite an Instituten Anwendung. Demnach wird allen Instituten geraten, sich präventiv an den Anforderungen an Forbearance, der bilanziellen Erfassung von NPL, der Bewertung von Wertminderungen und Abschreibungen sowie von Immobiliensicherheiten zu orientieren und durch Frühwarnsysteme den Zuwachs von NPLs in ihren Portfolien zu vermeiden.

Ihre Ansprechpartner

Andrea Flunker
aflunker@deloitte.de
+49 211 8772 3823

Salah Maklada
smaklada@deloitte.de
+49 211 8772 4086