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Frauen in Führungspositionen

Frauenquote, Förderprogramme, Netzwerke und Karriereplanung

Noch ist der Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten zu gering, wie die aktuelle Deloitte-Studie belegt. Wir haben Annika Deutsch, Partnerin im Bereich Audit & Assurance von Deloitte Deutschland, befragt: Was sind die Gründe – und was muss sich ändern?

Die aktuelle Deloitte-Studie zeigt, dass der Frauenanteil in Spitzengremien weltweit nur langsam ansteigt. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen, um die Situation zu verbessern?

Annika Deutsch: Der Frauenanteil steigt tatsächlich nicht nur langsam, sondern er ist insgesamt noch ziemlich gering. Das zeigt die Studie „Women in the boardroom - A global perspective” ja ganz deutlich – weltweit liegt er in Vorständen und Aufsichtsräten bei 16,9 Prozent. In der EU und in Deutschland sind die Werte etwas höher, bei etwa einem Viertel. Wobei man auch sagen muss, dass das in Deutschland ja eher auf den Aufsichtsrat zutrifft. Für die Vorstände liegt die Quote hierzulande und auch weltweit weit darunter. Dass der Frauenanteil kontinuierlich, wenn auch langsam steigt, liegt meines Erachtens insbesondere an der gesetzlich verankerten Frauenquote, die seit 2016 in Deutschland gilt. Allerdings ist es eben nur eine echte, verbindliche Quote für den Aufsichtsrat – und das sieht man an diesen Prozentzahlen. Für die Vorstandsebene wird die Quote vom Unternehmen festgelegt, und nicht selten liegt die bei null, wie die Auswertungen belegen.

Die Herausforderungen sind hier vielschichtig: Zum einen beobachte ich oft – und bekomme das auch in Gesprächen zu hören –, dass Frauen sich bestimmte Positionen und Aufgaben gar nicht zutrauen. Entweder weil sie meinen, das Profil nicht hundertprozentig zu erfüllen, oder weil sie glauben, Beruf und Familie nicht miteinander vereinen zu können. Viele Frauen übernehmen nach wie vor einen Großteil der Aufgaben zu Hause und kümmern sich auch um Kinder und Haushalt. Da geht es sicherlich wohl auch ein Stück weit darum, loslassen zu können und wollen, aber natürlich auch um die Verteilung der Aufgaben unter den Partnern. Wenn das zu Hause nicht klappt, dann wird es auch im beruflichen Umfeld schwer.

Ein anderer Aspekt und eine weitere Herausforderung ist sicherlich auch die Unternehmenskultur. In den entscheidenden Positionen sitzen eben immer noch überwiegend Männer mit teilweise über die Jahrzehnte gewachsenen Verbindungen und Netzwerken, die Veränderungen gegenüber doch noch recht zurückhaltend sind, wenn sie nicht erzwungen werden - durch eine Quote zum Beispiel. Und Frauen, die heute schon solche Spitzenpositionen innehaben, schaffen es offensichtlich nicht, ebensolche Netzwerke aufzubauen und entsprechend Einfluss auf die Geschlechterparität zu nehmen.

 

Mehrere europäische Länder – unter anderem Norwegen, Frankreich und Schweden – weisen in der Studie die mitunter höchsten Durchschnittswerte auf. Was machen diese Länder in puncto Geschlechtervielfalt richtig?

Annika Deutsch: Ich denke, das liegt ganz klar an den Rahmenbedingungen in diesen Ländern. Norwegen hat als erstes europäisches Land 2005 eine verbindliche Frauenquote für hohe Führungspositionen, zumindest in börsennotierten und staatlichen Unternehmen, eingeführt. Frankreich war auch früher dran als Deutschland – 2011 schon. Und beide Länder haben harte Sanktionen für den Fall der Verletzung der Frauenquote eingeführt. Zum Teil kann das so weit gehen, dass Unternehmen sogar die Börsenzulassung entzogen wird. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der Anteil dort deutlich höher liegt. Und es gibt meiner Meinung nach noch einen anderen Unterschied. Der betrifft das Sozialsystem und Themen wie gesetzlich geregelte Elternzeit für Männer und für Frauen, umfassende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeiten, etc. In diesem Punkt sind die genannten Länder einfach weiter als Deutschland.

Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung beim Thema Geschlechtervielfalt in Führungsgremien mit Blick auf Deutschland?

Annika Deutsch: Zur aktuellen Situation - ich denke, da sprechen die oben genannten Zahlen für sich. Deutschland hat hier klar Nachholbedarf. Und wenn die Entwicklung so weitergeht wie in den letzten Jahren, sprechen wir vermutlich noch in 40 Jahren über Ungleichheit in Führungsgremien. Ich sehe aber auch, dass sich etwas tut und dass sich auch etwas in den Köpfen verändert. Beim Blick in Social Media oder in die Medien – überall ist heute das Thema Diversity präsent. Dem kann man sich gar nicht mehr entziehen. Der Druck auf die Entscheider erhöht sich, denn immer mehr Investoren und auch Arbeitnehmer fordern den Wandel hin zu mehr Geschlechtergleichheit. Insofern habe ich die Hoffnung, dass sich hier einiges verbessern wird.

 

Beim Blick in Social Media oder in die Medien – überall ist heute das Thema Diversity präsent. Der Druck auf die Entscheider erhört sich, denn immer mehr Investoren und auch Arbeitnehmer fordern den Wandel hin zu mehr Geschlechtergleichheit.

 

Ich denke, dass die Zeit heute und in naher Zukunft sehr gut ist für weibliche Karrieren in Führungspositionen, eben weil diese Awareness jetzt da ist, weil viele etwas ändern wollen und Unternehmen auch daran gemessen werden. In einigen Ländern können sie es sich gar nicht mehr erlauben, reine Männerriegen auf Führungsebene zu haben.  

 

Worauf sollten Frauen in ihrer Karriereplanung achten, um sich auf eine Spitzenposition vorzubereiten? Wo sehen Sie die größten Hindernisse?

Annika Deutsch: Ich klammere hier mal Themen wie schulische und fachliche Ausbildung aus, denn das ist die Grundlage, die man einfach mitbringen muss. Aber ganz wichtig ist es meines Erachtens, und da knüpfe ich an meine Antwort zur ersten Frage an, dass Frauen sich das zutrauen und den Mut und das Selbstbewusstsein aufbringen. Frauen müssen einfach sichtbarer werden und dürfen das Thema Networking, das ja vielen von ihnen schwerer fällt als Männern, nicht unterschätzen.

Und was Frauen, aber auch Männer, meines Erachtens nicht machen sollten, ist ganz verbissen ihrer Karriere nachzurennen. Ich glaube, eine gewisse Entspanntheit und Lockerheit gehört einfach dazu. Wichtig ist, und das möchte ich jeder und jedem mit auf den Weg geben, auch eine gewisse „Out of the Box“ Erfahrung; mal etwas anderes zu machen, den Horizont zu erweitern und aus der eigenen Komfortzone herauszugehen. Ich glaube da wächst man persönlich sehr viel stärker, als wenn man sich in einem Karriere-Hamsterrad befindet. Und: Familie und Karriere dürfen sich meines Erachtens keinesfalls ausschließen. Es gibt viele Kolleginnen – bei uns und auch in vielen anderen Unternehmen–, die das einfach vormachen. Es ist extrem wichtig, dass wir diese Rolemodels haben, die zeigen, dass es funktioniert.
 

Frauen müssen sich etwas zutrauen – Mut und Selbstbewusstsein aufbringen. Frauen müssen einfach sichtbarer werden und dürfen das Thema Networking, das vielen von ihnen schwerer fällt als Männern, nicht unterschätzen.

 

Denken Sie, dass der Gesetzgeber weitere Schritte unternehmen muss? Oder müssen bspw. Investoren und andere Stakeholder hier ebenfalls mehr unternehmen?

Annika Deutsch: Ich denke, dass der Druck vonseiten der Stakeholder schon jetzt relativ hoch ist und auch noch wächst – und ich würde mir wünschen, dass das ausreicht, weil ich grundsätzlich kein Freund von Quoten bin. Aber wir sehen an den Beispielen Norwegen und Frankreich, dass eine Quote in Verbindung mit gesetzlichen Sanktionen noch besser zu helfen scheint oder zumindest die Richtung weist, damit der Anteil erhöht wird. Es wäre schön, ohne so etwas auszukommen, aber möglicherweise ist das ein Weg, den auch Deutschland gehen müsste, wenn das Thema der Gleichheit schneller vorangetrieben werden soll.

 

Was ist Ihre Erfahrung aus der Praxis – wie wichtig sind firmeninterne Förderprogramme und wie effektiv sind diese?

Annika Deutsch: Das lässt sich nicht so pauschal sagen, es gibt ganz tolle Förderprogramme und es gibt natürlich auch schlechte. Fakt ist aber, dass die Förderprogramme zugenommen haben und sicherlich in den meisten Fällen auch dazu beitragen, den Frauen bei ihren Karrieren zu helfen. Denn da geht es meist genau um die Themen, die ich bereits angesprochen habe: Sichtbarkeit, Selbstbewusstsein, Vernetzen.

Fachliche Förderprogramme brauchen wir da nicht, sondern es geht eher um die Social Skills. Und da helfen nach meiner persönlichen Erfahrung sogar externe Veranstaltungen noch mehr als firmeninterne. Weil so die Vernetzung mit Frauen auf Führungsebenen anderer Unternehmen stattfindet und man dort sehr viel offener über die eigenen Probleme im Unternehmen redet als wenn da ein Kollege oder eine Kollegin dabei wäre. Und insofern habe ich gerade externe Workshops und Förderprogramme sehr zu schätzen gelernt. Aber eines ist klar: Förderprogramme alleine machen die Karriere nicht aus, doch sie können durchaus helfen, im Bewusstsein und im Auftritt der Frauen etwas zu ändern.
 

Familie und Karriere sollten sich keinesfalls ausschließen. Es gibt viele, die das vormachen. Es ist extrem wichtig, dass wir diese Rolemodels haben, die zeigen, dass es funktioniert.

 

Annika Deutsch, Partner Audit & Assurance