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Krisenresilienz durch gute Corporate Governance

Ergebnisse der 20. Panel-Befragung von Aufsichtsräten

Deloitte hat im Herbst 2020 gemeinsam mit der Zeitschrift „Der Aufsichtsrat“ aus dem Handelsblatt Fachverlag Mandatsträger aus insgesamt 220 Gesellschaften befragt, um ein aktuelles Meinungsbild von Aufsichtsratspraktikern zu erhalten. Im Mittelpunkt der aktuellen 20. Auflage der Panel-Befragung standen die Erfahrungen mit der COVID-19-Pandemie, ihre konkreten Krisenaktivitäten sowie die zukünftige Krisenfestigkeit des Aufsichtsrats.

Die Befragung zum Thema „Krisenresilienz“ erfolgte in drei thematisch geordneten Fragenkomplexen:

  • Krisenbetroffenheit – Bedeutung und Betroffenheit der Unternehmen und damit auch des Aufsichtsrats
  • Krisenmanagement – Veränderungen der Rollen und Arbeitsweise für Aufsichtsräte
  • Virtuelle Hauptversammlungen – Wie Aufsichtsräte den Einsatz von Internet-Video-Konferenz-Technik bei Hauptversammlungen einschätzen

Mithilfe strukturierter persönlicher Interviews wurden telefonisch 74 Panel-Teilnehmern befragt. Aufgrund der Mehrfachmandate zahlreicher Teilnehmer konnten dieses Mal Einschätzungen aus insgesamt 220 Gesellschaften erhoben werden.

Bei den Aufsichtsräten handelt es sich um 55 Männer und 19 Frauen, die von Professor Dr. Dr. Manuel R. Theisen, LMU München, und Dr. Arno Probst, Partner und Leiter Center for Corporate Governance Deloitte, befragt wurden.

Panel-Ergebnisse 1: Krisenbetroffenheit

Zu Beginn des Interviews wurden die Befragten aufgefordert, die Bedeutung der Krisendiskussion und ihrer Mitwirkung im Rahmen ihrer Aufsichtsratsarbeit zu analysieren. Thematisch ging es dabei um die Betroffenheit der Unternehmen, deren Behandlung im Aufsichtsrat und die Intensität der Auseinandersetzung damit.

Die Antworten der 74 Befragten Personen beziehen sich auf insgesamt 101 der von ihnen beaufsichtigten Unternehmen. Es überrascht, dass sowohl 17,8% der Unternehmen stark betroffen sind, sich aber zugleich auch 17,8% als Krisengewinnler sehen. Gut ein Drittel (35,7%) stuft ihre Unternehmen selbst mit „Mittlerer Betroffenheit“ ein, nur leicht betroffen sind 28,7%.
Auffällig war die hohe Anzahl von 177 persönlichen Bemerkungen von insgesamt 70 Mandatsträgern – ein Zeichen, wie wichtig das Thema für Aufsichtsräte gerade ist. Zu den Top-5 der genannten Themenbereiche gehören:

  • Homeoffice (16 Nennungen)
  • Liquidität und Liquiditätssicherung (11)
  • Gesundheits- und Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter (9)
  • AR-Videokonferenz-Sitzungen, Ausschüsse und Gespräche (6)
  • Temporäre Schließung von Standorten und/oder Geschäftsbereichen (6)

 

Gefragt nach der Zufriedenheit der Krisenbehandlung und Diskussion in den Aufsichtsräten, geben 89,1% der Befragten an, dass sie damit „zufrieden“ bis „sehr zufrieden“ sind. Als von besonderer Bedeutung wird sehr positiv und vorrangig die Begleitung bzw. Stärkung des Vorstands in offener, kompetenter und hochfrequenter Diskussion von der Hälfte der Mandatsträger als ihr Beitrag zur Krisenbewältigung betont.

Als weitere Themen, die der Aufsichtsrat laut Befragung „gut“ handhaben konnte, werden genannt:

  • die Digitalisierung der Aufsichtsratsarbeit (26,4%)
  • das Reporting im Detail und in erhöhter Frequenz (22,2%)
  • die Liquiditätssicherung und Finanzierungen (22,2%)

Jeder Siebte (15,3%) räumt ein, dass der Aufsichtsrat wenig gefordert war oder dass es keinen Anlass für (eingreifendes) Handeln seinerseits gegeben habe.

 

 

Aufsichtsratsarbeit ist ganzheitlich nicht Homeoffice-fähig.

Dr. Arno Probst, Partner und Leiter Center for Corporate Governance Deloitte

Panel-Ergebnisse 2: Krisenmanagement

In einem zweiten Fragenblock wurden die Krisenkonsequenzen in Bezug auf die Aufsichtsratsarbeit, das damit verbundene Rollenverständnis und die Aufgabenverteilung in der Unternehmensführung und -überwachung naher betrachtet. Ein Schwerpunkt war die Frage nach möglichen Veränderungen von Arbeitsweise und Aufgaben in der Krisenzeit.

Von den 74 Befragten gab gut die Hälfte (52,7 %) an, ihre Arbeitsweise habe sich „merklich“ verändert, dagegen konstatierten zwei Fünftel (42,5%) nur eine „teilweise Änderung“; für 6,8% der Interviewpartner blieb alles beim Alten.

Fast einstimmig (96,9%) berichten die Aufsichtsräte von einer zunehmend digitalen Arbeitsweise im Aufsichtsrat. Mit acht vorgegebenen Antworten zu Veränderungen in der Aufsichtsratsarbeit konnten jeweils knapp 75% den folgenden beiden Aussagen zustimmen:

  • Die Intensität der Aufsichtsratsarbeit ist größer und effizienter geworden
  • Aufsichtsratsarbeit ist ganzheitlich nicht Homeoffice-fähig

Gut 60% begrüßen die neuen technischen Möglichkeiten (Video-Konferenzen und digitale Kontakte, weniger Reisen und persönliche Kontakte) auch zukünftig. Mehr als die Hälfte sieht den Einfluss des Aufsichtsrats durch die Krise als gestiegen an und sie sehen sich auch deutlich mehr in die Pflicht genommen. Gut 40% der Befragten findet „Die aktuellen organisatorischen Rahmenbedingungen sind außerhalb von Krisensituationen höchstens im Ausnahmefall eine akzeptable Variante.“ Dennoch will eine große Mehrheit die Vorzüge der digitalen Kommunikation in die Post-Krisenzeit hinüberretten.

 

 

Viele Aufsichtsräte verstehen sich in der Krise sowohl als organisatorische als auch als psychologische Begleitung des Vorstands.

Prof. Dr. Dr. Manuel R. Theisen, geschäftsführender Herausgeber von „Der Aufsichtsrat“

Panel-Ergebnisse 3: Virtuelle Hauptversammlung

Fast vier Fünftel der Befragten haben bereits erste Erfahrungen mit einer virtuellen Hauptversammlung machen können. Diese haben wir aufgefordert, diese Erfahrungen zu bewerten. Sie fallen durchaus gemischt aus:

  • 17 Personen bewerten digitale Hauptversammlung als „vorwiegend positiv“
  • 14 Teilnehmer stuften virtuelle Hauptversammlungen als „negativ“ ein
  • 20 Teilnehmer beschreiben ihre Erfahrungen als „ambivalent“

Bei der Frage nach der zukünftigen Durchführung von Hauptversammlungen vermittelt ebenfalls kein eindeutiges Meinungsbild: 48,6% der Befragten wünscht sich zukünftig eine Hybrid-Form, also eine Mischung aus Präsenz- und virtueller Hauptversammlung. 18,9% möchten wieder zurück zur Präsenz-Hauptversammlung. 45,9% befürworten eine grundsätzliche Reform nicht nur der Hauptversammlungsorganisation, sondern auch des Rederechts, der Präsenzregeln und der zeitlichen Rahmenbedingungen.

Fazit des 20. Aufsichtsrats-Panels

Die Ergebnisse der Befragung der Mandatsträger zeigen, dass die Corona-bedingten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Herausforderungen tief in die Arbeit, Funktion und Organisation der deutschen Aufsichtsräte eingedrungen sind. Im Gesamtbild belegen die berichteten Erfahrungen und Einschätzungen ein deutlich höheres Krisenbewusstsein der Mandatsträger.
Allerdings scheinen die bisherigen eigenen Belastungen und Anforderungen sich überwiegend in organisatorisch-digitalen Grenzen zu halten. Die allermeisten der Befragten sind der Meinung, ihr jeweiliger Aufsichtsrat sei krisenfest und sie selbst hinreichend krisenerfahren.

Laden Sie hier den ausführlichen Artikel herunter. Ein Beitrag von Dr. Arno Probst und Prof. Dr. Dr. Manual R. Theisen, in: Der Aufsichtsrat 11/220 | Seiten 154-157.