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Aus der Praxis: bAV in der Automobilindustrie

Kaum eine Branche steht derzeit vor solchen Umbrüchen wie der Automobilsektor. Um den vielfältigen Herausforderungen zu begegnen, sind ein innovatives Umfeld und eine motivierte und flexible Mitarbeiterschaft vonnöten. Betriebliche Altersversorgung kann in diesem Kontext eine durchaus wichtige Rolle spielen.

Nicht nur die Unternehmen, auch die Arbeitnehmer haben es mit sich wandelnden Lebensumständen zu tun. Dies gilt besonders für die Altersversorgung, die derzeit noch stark von der demografischen Entwicklung in Deutschland geprägt ist: Menschen leben länger und weniger Menschen werden geboren. Bislang waren diese Tendenzen kaum zu spüren, aber das wird sich ändern. Die umlagenfinanzierte gesetzlichen Rentenversicherung steht vor großen Herausforderungen. Wenn in den nächsten zehn Jahren die geburtenstarken Jahrgänge von Beitragszahlern zu Rentenbeziehern werden, stellt das für die Finanzierung der Leistungen ein dauerhaftes Problem in erheblichem Umfang dar.

Daneben wird es aber für den privaten Sparer immer schwerer, Vermögen zur Sicherung seines Alterseinkommens aufzubauen. Risikoarme Sparmodelle werfen kaum noch Renditen ab. Vor diesem Hintergrund gewinnt die betriebliche Altersversorgung stetig an Bedeutung. Aus einer traditionellen, freiwilligen Nebenleistung wird damit ein modernes Vergütungselement mit vielfältigen Möglichkeiten.

Die globale Human Capital Trendstudie 2019 von Deloitte identifiziert weltweit den Aufstieg der Unternehmen zu sozialen Organisationen. Dahinter verbergen sich mehrere Trends. Unter anderem erwarten Arbeitnehmer, dass die Unternehmen mit ihren Leistungen auf echte Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen. Dabei geht es um physische, psychische und auch wirtschaftliche Gesundheit. Je besser ein Unternehmen auf diese Erwartungen reagiert, desto eher wird es mit Loyalität und Einsatzfreude belohnt.

Betriebliche Altersversorgung ist also nicht nur Tradition, sondern sie adressiert mehr denn je den realen Bedarf der Mitarbeiter. Wo steht dabei die Automobilindustrie? Unsere aktuelle Benchmark-Analyse, die auf 17 der größten deutschen Unternehmen dieses Sektors fußt, zeichnet ein vielschichtiges Bild. Nur wenige Unternehmen bieten derzeit keine arbeitgeberfinanzierte bAV an. Weitere sehen keine obligatorischen Arbeitgeberbeiträge vor, sondern zahlen nur Zuschüsse („Matching“), soweit die Mitarbeiter per Entgeltumwandlung eigene Beiträge leisten. Die große Mehrheit der Teilnehmer gewähren jedoch arbeitgeberfinanzierte bAV im Rahmen beitragsorientierter Systeme. Die Beiträge im Tarifbereich belaufen sich bis maximal rund 3% der Grundvergütung. Für Bezügeteile über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG, voraussichtliche in 2020 82.800 EUR p.a. für die alten und 77.400 EUR p.a. für die neuen Bundesländer) liegt der maximale Prozentsatz etwa beim Vierfachen. Die meisten Unternehmen nutzen die Direktzusage, die häufig mit Planvermögen gedeckt ist. In Einzelfällen werden Direktversicherungen, Pensionsfonds oder Unterstützungskassen eingesetzt.
Dort, wo die Direktzusage zum Einsatz kommt, sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Ansätze vorzufinden:

  • Zum einen baut der Anspruch auf Altersfaktoren und Kapitalbausteinen beziehungsweise Rentenfaktoren und Rentenbausteinen auf. In diesen Modellen sind fast immer vergleichsweise hohe Zinsgarantien von 5% bis 6% enthalten.
  • Zum anderen werden flexible Zinsmodelle genutzt, die sich aus einem vergleichsweise niedrigen Garantiezins von 0,0% („Beitragsgarantie“) bis 0,9% sowie Überschüssen zusammensetzen. Die Überschüsse leiten sich dabei regelmäßig aus der Rendite eines separierten Planvermögens ab. Sie werden während der Ansparphase oder in Summe zum Zeitpunkt des Leistungsfalles gutgeschrieben. Im Median beträgt die Renditeerwartung bei diesen Modellen 3,5%.

Die Hälfte der Pläne beinhalten Matching-Modelle (über die gesetzliche Zuschusspflicht hinaus). Der der Einsatz von Auszahlungsoptionen ist sehr unterschiedlich. Fast ein Viertel der Pläne bieten ausschließlich traditionelle, lebenslange Monatsrenten an. Auf der anderen Seite gewähren mehr als ein Drittel der Pläne ausschließlich Kapitalleistungen. Die Ergebnisse unserer bAV-Studie 2019 weisen jedoch darauf hin, dass die Arbeitnehmer eine flexible Auswahl besonders wertschätzen.
Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass tatsächlich nur die wenigsten Unternehmen die volle Bandbreite der heutigen Gestaltungsmöglichkeiten (Matching, flexibles Zinsmodell, alle Auszahlungsoptionen) in der bAV nutzen.
Ein Pensionsplan, der in allen Ausprägungen im Median liegt, hätte folgendes Aussehen:

  • Arbeitgeberfinanzierte Beiträge in Höhe von rd. 1,3% der gesamten Grundvergütung
  • Zusätzliche arbeitgeberfinanzierte Beiträge in Höhe von 6,6% auf Bezüge oberhalb der BBG
  • Zudem arbeitgeberfinanzierte Matching-Beiträge in Höhe von 20% des Eigenbeitrags des Mitarbeiters
  • Eine flexible Verzinsung mit einer langfristigen Renditeerwartung von 3,5% p.a.
  • Als Auszahlungsoptionen Einmalkapital, Jahresraten und lebenslange Monatsrenten

Vor dem Hintergrund des enormen Innovationsdrucks in der Automobilindustrie mögen Fragen der betrieblichen Altersversorgung zunächst nebensächlich erscheinen. Andererseits können zusätzliche Risiken aus den Pensionszusagen, bilanzielle Belastungen durch wachsende Pensionsrückstellungen und mangelnde Attraktivität starrer Vorsorgemodelle auch ein substanzielles Hindernis beim dynamischen Schritt in die Zukunft darstellen.

Autor:

Jens Denfeld
Senior Manager

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