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Was bewegt die Generation Z?

Millennial Survey 2019: Interview mit Generation Z Expertin Chloe Combi

Nach den Millennials tritt jetzt nach und nach die Generation Z in die Arbeitswelt ein. Fühlen sie sich gut auf neue Anforderungen in der Arbeitswelt von morgen vorbereitet? Was ist ihre größte Sorge? Wie optimistisch blicken sie in die Zukunft? Das und mehr haben wir Vertreter der Generation Z und Y im Millennial Survey 2019 gefragt und mit der Generation Z Expertin Chloe Combi über die Ergebnisse der Studie gesprochen.

Chloe, Sie sind Expertin für die Generation Z. Was ist das Besondere an dieser Generation? Was unterscheidet sie von den Millennials?

Es gibt viele Unterschiede. Die Generation Z wurde um die Jahrtausendwende geboren, zu einer Zeit des enormen Wandels, insbesondere des kometenhaften Aufstiegs des Internets und dessen Integration in alle Aspekte unseres Lebens. Dadurch besteht die Generation Z nicht einfach aus Digital Natives, sondern aus modernen Digital Natives. Das heißt, es ist die erste Generation, deren Vertreter gleichzeitig die Entwickler und die Konsumenten von Medien und vielen Konstrukten sind. Soziale Medien (YouTube, Instagram, TikTok, Snapchat und, für die Generation Z in geringerem Umfang, Twitter und Facebook) haben konventionelle Medien wie TV, Kino, Zeitungen, Zeitschriften usw. nahezu verdrängt. Bei sozialen Medien gibt es keine Gatekeeper. Das Publikum und die Entwickler sind eins. Die Generation Z kann ihre eigenen Stars, Trendsetter und Influencer ernennen und groß herausbringen. Und genau das tut sie. Somit beeinflussen und formen die Vertreter der Generation Z selbst ihre Identität als Generation. Tatsächlich ist das ziemlich revolutionär und stellt Machstrukturen auf den Kopf – und Unternehmen, Marken, Organisationen, sogar Parteien haben erkannt, dass sie die Sprache dieser neuen Generation Z sprechen und sich Zugang zu Sprache und Raum dieser Generation verschaffen müssen.
 

In unserem kürzlich durchgeführten Millennial Survey haben wir weltweit über 16.400 Millennials und Vertreter der Generation Z befragt und festgestellt, dass weltweit nur 27 Prozent der Generation Z mit ihrem heutigen Leben zufrieden sind. In Deutschland sind es 26 Prozent. Was glauben Sie, woran das liegt?

Dieser ganzen Macht, die Welt und das eigene Image zu gestalten, die ich in meiner vorherigen Antwort beschrieben habe, steht auch eine enorme Machtlosigkeit junger Leute, insbesondere der Generation Z, gegenüber. Die Vertreter der Generation Z waren noch Kinder, als sich 2008 die Weltwirtschaftskrise ereignete und mit den Folgen kämpfen wir immer noch. Viele Bereiche auf dem Arbeitsmarkt schrumpfen oder verschwinden vollständig, was zu Ängsten und einer enormen darwinistischen Komponente in jeder Hinsicht führt – man muss buchstäblich der Beste sein, um zu überleben, weil nicht genug für alle da ist. Dieser Leistungsdruck beginnt sehr früh, in manchen Ländern schon bei Vier- bis Fünfjährigen, spätestens wenn die Kinder eingeschult werden. Das bedeutet, dass ein Jugendlicher vielleicht schon ein Jahrzehnt oder länger großem Druck seitens der Eltern und der Gesellschaft ausgesetzt war, bevor er überhaupt das Erwachsenenalter erreicht.

Hinzu kommt, dass die Zeit, die die Generation Z am Bildschirm und mit sozialen Medien verbringt, ebenfalls eine echte, nachweisbar negative Seite haben kann. Der Konsum isoliert, verzerrt die Wahrnehmung, erzeugt ein Gefühl der Unzufriedenheit mit der Realität im Offline-Leben und kann echte Angstzustände oder Gefühle der Minderwertigkeit im Hinblick auf den eigenen Körper, das eigene Leben, den eigenen Erfolg usw. hervorrufen.
 

Wie erklären Sie sich die ambivalente Beziehung zu sozialen Medien? Auf der einen Seite wissen die meisten Vertreter der Generation Z, dass sie ohne diese glücklicher und gesünder wären, auf der anderen Seite würde es über die Hälfte unserer Umfrageteilnehmer aus der GZ nervös machen, wenn sie ihre Profile in den sozialen Medien ein oder zwei Tage lang nicht aufrufen könnten.

Meiner Meinung nach ist das nicht ambivalent. Ambivalent hieße ja, dass es ihnen egal wäre, was aber offensichtlich ganz und gar nicht der Fall ist. Ich glaube, dass soziale Medien bei vielen von uns – besonders aber bei der Generation Z (unseren Digital Natives!) – einer Sucht gleichkommen. Viele Vertreter der Generation Z wissen, dass ihnen die sozialen Medien nicht besonders guttun, vor allem in der Menge, in der sie diese konsumieren. Sobald sie aber einmal angemeldet sind, ist es unmöglich, damit aufzuhören – einerseits, um nichts zu verpassen, andererseits aber auch wegen des Endorphin-Schubs, der durch Likes und positive Reaktionen erzeugt wird. Soziale Medien wurden äußerst klug entwickelt, um die Nutzer zu fesseln, und das ist weltweit gelungen, insbesondere mit der Generation Z und den Millennials. Ich werde oft danach gefragt, warum die Generation Z wenig Interesse an Alkohol und Freizeitdrogen hat – deren Konsum ist bei dieser Generation statistisch deutlich gesunken. Meine Antwort lautet dann immer, dass Likes und Follows die bevorzugten Drogen der Generation Z sind und das trifft absolut zu.

 

Die Generation Z scheint ziemlich pessimistisch zu sein, was die nahe Zukunft anbelangt. Nur 18 Prozent der Generation Z glauben, dass sich die Situation in ihrem jeweiligen Land in den nächsten 12 Monaten verbessern wird. In Deutschland ist dieser Anteil mit 7 Prozent sogar noch geringer. Woher kommt dieser Pessimismus?

Die Welt gibt derzeit kein besonders optimistisches Bild ab. Aus Sicht der Generation Z scheinen nicht viele verantwortungsvolle Erwachsene bzw. Menschen, die ihre Interessen vertreten, am Verhandlungstisch zu sitzen. Daher haben viele Bereiche des Lebens, insbesondere aber die Politik, einen unangenehmen, infantilen, dogmatischen oder grausamen Aspekt, der zu Isolierung führt und nur wenigen anstatt vielen zugutekommt und Eigennutz anstatt Zusammenarbeit unterstützt. Für junge Menschen, denen als Kind beigebracht wurde, freundlich zu sein, zu teilen, zu helfen usw., ist es verwirrend, wenn sie als junge Erwachsene feststellen, dass sich die Welt genau anders verhält. Ich glaube, dass wir uns derzeit in einem äußerst instabilen Zustand befinden, in dem all die Normen und Systeme, auf die wir uns stützen, in Frage gestellt oder zerstört werden. Evolution hat grundsätzlich ihr Gutes, aber im Moment gibt es kein Anzeichen dafür, dass sie zu Verbesserungen führt, sondern alles weist darauf hin, dass die Lage instabil ist und sogar schlechter wird. Die beste Analogie, die mir dazu einfällt, ist eine Generation Z aus jungen Menschen, die eine Scheidung durchleben – aber nicht im häuslichen Umfeld, sondern auf globaler Ebene.
 

Was können wir von der Generation Z in den nächsten Jahren erwarten?

Ich denke, wir werden eine neue Welle des guten alten Aktivismus erleben, sowohl online als auch offline, in dem sich (hoffentlich) der jugendliche Aktivismus früherer Jahrzehnte widerspiegelt, welcher einen echten Beitrag zu einem starken gesellschaftlichen Wandel geleistet hat. Ich glaube, meine Generation, die Millennials, haben sich ein wenig von den strahlenden neuen Möglichkeiten der Smartphones, Facebook usw. ablenken und abstumpfen lassen. Man dachte, diese würden ausreichen, um Wandel herbeizuführen. Es hat sich aber gezeigt, dass Hashtags, das Unterzeichnen von Petitionen und leidenschaftliches Bloggen nicht ausreichen, um einen echten Wandel zu bewirken. Ein solcher bedarf echter Organisation, Engagement und physischer Anwesenheit. Man sieht an den Parkland Kids in den USA und den Schulstreiks in ganz Europa nach dem Vorbild von Greta Thunberg, dass etwas ganz anderes in der Generation Z passiert. Die Vertreter haben die Plattformen, das Publikum und die Stimmen und sie fangen an, diese auch einzusetzen – und zwar jenseits von Makeup- und Gaming-Influencern. Deshalb habe ich das Projekt „Sixteen” ins Leben gerufen, um diesen neuen Aktivismus zu unterstützen.

Die Welt erfährt erschütternde Veränderungen und ich glaube, die Generation Z hat das Gefühl, dass ältere Generationen nicht besonders klug handeln. Ihre Vertreter wollen ein Mitspracherecht bei Entscheidungen, die für ihre Zukunft ausschlaggebend sind, und das kann eigentlich nur eine gute Sache sein.

Über die Expertin

Chloe Combi ist Autorin, Speakerin und Expertin zu Jugendthemen. Die ehemalige Lehrerin aus Großbritannien hat sich für ihr Buch „Generation Z: Their Voices, Their Lives“ intensiv mit der Generation Z, ihrem Alltag, ihren Ängsten und ihren Träumen beschäftigt.