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Digitalisierung & Manufacturing
Deutsche Tüftler in digitalen Welten
Das Manufacturing der Zukunft dreht sich nicht ausschließlich um die Herstellung physischer Gegenstände. In intelligenten Fabriken werden Produkte zu smarten Services, die Grenzen zwischen Produzenten und Konsumenten verschwimmen und neue Akteure betreten die Märkte. Das Rennen um den Endkunden ist eröffnet. Deutsche Hersteller machen sich fit für die digitale Zukunft.
Von Thomas M. Döbler, Leiter Manufacturing
Wer wird den direkten Zugang zum Kunden haben? Das ist die zentrale Frage, die in Zukunft über Umsätze, Gewinne und Margen entscheidet. Für viele Unternehmen, die den Endkunden im Fokus haben, gibt es derzeit kaum ein dringlicheres Thema. Ihre Produkte transformieren sich durch Sensoren, Konnektivität und neue Materialien, der wertvolle Rohstoff der Zukunft sind Daten. Aus simplen Gegenständen entstehen intelligente Devices, die mit ihren Besitzern kommunizieren und neue Weiten erschließen. Der Fitness Tracker serviert dem gesundheitsbewussten Sportler den individuellen Diätplan, der Kühlschrank bestellt selbst den Nachschub und das Auto übernimmt in Zukunft die gesamte Reiseplanung.
Das Connected Car ist nicht von ungefähr das zentrale Thema für die deutschen Autobauer. Ihnen bietet sich die Chance, nicht nur Karossen, sondern auch diverse Lifestyle- und Mobility-Services zu verkaufen. Das birgt viel Potenzial, aber auch ein gewisses Risiko für Spätstarter: Wer bei diesem Rennen um den Endverbraucher hinten liegt, wird sich in Zukunft mit der Rolle des Hardware-Zulieferers begnügen müssen.
Der Wandel umfasst nicht nur das Zusammenwachsen von digitalen Services und Produkten: Technische Neuerungen revolutionieren die Fertigung, Konsumenten verlangen individualisierte Produkte, virtuelle Plattformen lassen die Grenze zwischen Produzenten und Konsumenten verschwimmen. Lieferkette und Wertschöpfung verändern sich. Für den großen Zukunftserfolg sind oftmals weniger großes Kapital und hohe Stückzahlen, dafür Intelligenz und Schnelligkeit erforderlich. Denn die Barrieren für den Einstieg in bestimmte Marktsegmente sinken, die Tore für neue agilere Angreifer öffnen sich.
Es steht viel auf dem Spiel, doch Weltuntergangsstimmung ist genauso abträglich wie Aktionismus. Tatsächlich kommt es vor allem auf eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Unternehmenssituation an. Die Art der Produkte und der Kunden, die Dauer des Entwicklungszyklus sowie die Organisationsstruktur entscheiden maßgeblich, inwieweit und wie schnell sich Geschäftsmodelle ändern sollten.
Der Kurs eines großen Dax-Tankers lässt sich sicherlich nicht sofort um 180 Grad ändern – dessen Innovationszyklen lassen sich mit der hohen Schlagzahl der IKT-Industrie nicht vergleichen. Doch gibt es verschiedene Wege, sich im Rennen um den Kundenzugang Vorteile zu verschaffen. Zum einen bietet sich eine kleine Digitalcompany als Innovations-Hub an. Zum anderen sind Unternehmen gut beraten, ihre Ökosysteme für neue Lösungen und Geschäftsideen zu öffnen. Corporate Accelerator bringen beispielsweise die etablierten Unternehmen mit Start-ups zusammen und werden zu Innovationsquellen. Grundsätzlich ist im digitalen Zeitalter Kooperation Programm – sei es mit Universitäten, branchenfremden Unternehmen oder Start-ups.
Seit 150 Jahren stellt die deutsche Industrie unter Beweis, dass sie komplexe Probleme der physischen Welt lösen kann. Der deutsche Tüftler ist Sinnbild für diese Eigenschaft. Sie ist eine einzigartige Stärke im internationalen Wettbewerb und wird zusammen mit Mut und Offenheit dafür sorgen, dass deutsche Fertigungsunternehmen auch in der digitalen Welt langfristig konkurrenzfähig bleiben und die Standards setzen.