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Corporate Venturing 2.0 – M&A im digitalen Zeitalter
Wie können etablierte Unternehmen im M&A-Umfeld mit disruptiven Entwicklungen schritthalten oder von ihnen profitieren? Dieser Fachbeitrag liefert Antworten.
1. Etablierte Industrieunternehmen können disruptive Innovationen nicht mehr ignorieren
Etablierte Unternehmen verlieren Marktanteile an innovative Startups. In jeder Industrie setzen sich findige Unternehmer an relevante Schnittstellen und gewinnen so Teile der Wertschöpfung. Disruptive Geschäftsmodelle wie von Uber oder Airbnb schreiben die Spielregeln ganzer Märkte neu.
Der verbesserte Zugang zu Wagniskapital, verbunden mit niedrigerem Kapitalbedarf für digitale Startups, beschleunigt diesen Trend.
Wie können etablierte Unternehmen mit dieser Entwicklung schritthalten oder von ihr profitieren? Dieser Fachbeitrag liefert Antworten.
2. Silo-Mentalität hemmt digitale Innovationen
In vielen Industrieunternehmen treiben einzelne Bereiche und Funktionen unabhängig voneinander interne Initiativen voran: Um Produkte zu verbessern, entwickeln „traditionelle“ R&D Funktionen Neuerungen, die sich meist an der bestehenden Produktpalette orientieren. Das Business Development unterstützt und koordiniert diese Abläufe, bei gleichzeitiger Sicherstellung der Kundenbedürfnisse. M&A Abteilungen konzentrieren sich auf größere Käufe und Verkäufe, um z. B. wachsende Geschäftsfelder zu stärken oder margenschwache abzustoßen. Dieses dezentrale Konzept führt im Zeitalter der Digitalisierung leider oft nicht zum gewünschten Ergebnis.
Deshalb werden neue Wege gesucht, um dynamischen Entwicklungen und damit verbundenen Herausforderungen und Chancen zu begegnen. Eine Antwort sehen viele Firmen in Corporate Venturing Aktivitäten. Hierbei sind verschiedene Modelle - von Venture Capital Funds und Inkubatoren über Accelerator-Programme bis hin zu Innovation Hubs – zu beobachten. Teile dieser Ansätze finden sich heute in nahezu allen deutschen DAX Unternehmen.
Das Grundproblem von Corporate Venturing Initiativen besteht aus unserer Sicht aus zwei Faktoren:
- Unzureichende Ausrichtung auf das Kerngeschäft
- Fehlende Koordination und Strukturierung
Beispiel: In vielen Corporate Venturing Einheiten werden unterschiedliche Startups zusammengeführt. Jedes einzelne ist dabei ein Mosaiksteinchen der digitalen Entwicklung im jeweiligen Geschäftsfeld. Häufig werden diese aber zu wenig im Sinne einer Gesamtstrategie am Kundenbedürfnis ausgerichtet und zusammengeführt. Zudem wird bei der Entwicklung zukunftsträchtiger Startups spät oder gar nicht an die Reintegration in das Mutterunternehmen und somit in das Kerngeschäft gedacht.
3. Corporate Venturing 2.0: Ein integrierter Ansatz zur Geschäftsentwicklung im digitalen Zeitalter
Unsere Empfehlung für Corporate Venturing im digitalen Zeitalter: Ein integrierter Ansatz. Hierbei werden neben den zur Verfügung gestellten Ressourcen und Managementkapazitäten weitere Faktoren eingebracht:
- Spezialwissen im Kerngeschäft (R&D)
- Prozess Knowhow in Transaktionen oder Partnermodellen (M&A)
- Rahmenbedingungen in der jeweiligen Branche (Business Development)
Die Disziplinen werden in einem sog. Corporate Venturing Hub kombiniert. So werden die Aktivitäten zu einem frühen Zeitpunkt im Sinne der Gesamtstrategie des Unternehmens gelenkt. Zudem gilt es, bei den durch Wachstum entstehenden Fragestellungen wie IT Infrastruktur, Einbezug neuer Partner, Anmeldung von Patenten usw. richtige Entscheidungen zu treffen. Die spätere Integration in das Muttergeschäft wird so nicht gefährdet.
Koordinations- und Kontrollmechanismen in Industrieunternehmen und gewerkschaftlich geprägte Zwänge behindern agiles Arbeiten und schnelle Entscheidungsprozesse. Als Folge finden erfolgreiche Corporate Venturing Aktivitäten vornehmlich außerhalb der Muttergesellschaften statt: in weitgehend eigenständigen Einheiten mit eigener Geschäftsordnung und angepassten Koordinationsmechanismen. In eigenständigen Tochtergesellschaften können verbesserte Prozesse, agiles Arbeiten und passende Hierarchiesysteme viel leichter etabliert werden.
In als „Accelerator Prozessen“ bezeichneten Zusammenarbeitsmodellen gibt es keine klassischen Abteilungen, disziplinarisch Vorgesetzte oder budgetorientierte Investitionsentscheidungen. Das Unternehmen wird vielmehr als eine Projektorganisation anhand chancenorientierter Investitionsentscheidungen geführt. Hierbei arbeiten Repräsentanten unterschiedlichster Disziplinen wie R&D, M&A, IT, Controlling, Recht, etc. immer wieder in neuen Konstellationen zusammen.
Dieser Ansatz ermöglicht es, kleine Inkubationszentren zu etablieren, in denen neue Ideen schnell entwickelt werden. Produkte werden im Sinne eines „Minimum Viable Products“ am Kunden getestet und zur Marktreife geführt. Rückschläge und Fehlentwicklungen werden akzeptiert und die Erfahrungen in neue Produktentwicklungen einbezogen. So werden Innovationssprünge ermöglicht, die mit der Dynamik des digitalen Zeitalters Schritt halten und die Zukunft etablierter Industrieunternehmen nachhaltig stärken.
Wir sind überzeugt, dass es mit einem solchen integrierten Corporate Venturing Ansatz besser möglich ist, neue Geschäftsfelder aufzubauen und flexibel auf Veränderungen des Marktes zu reagieren. Dabei wird das Kerngeschäft immer wieder neu erfunden und erweitert, um neue Umsatzpotentiale zu heben.