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Factoring in Discounted Cash Flow-Bewertungen 

Sachgerechte Berücksichtigung im Rahmen von Unternehmensbewertungen

Erfahren Sie in diesem Artikel, welche Analysen bei der DCF-Bewertung Factoring-intensiver Unternehmen vorgenommen werden sollten, um signifikante Fehlbewertungen zu vermeiden. Wir gehen hierbei auch auf Herausforderungen in der Praxis ein.

Factoring hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland als Form der Unternehmensfinanzierung etabliert und erfreut sich weiter steigender Beliebtheit. Das Factoring-Volumen in Deutschland erreichte im Jahr 2021 mit fast 9 Prozent des BIP einen neuen Höchstwert.1  Für immer mehr Unternehmen, insbesondere aus dem Handelssektor, ist Factoring eine wesentliche Säule der Finanzierungsstruktur. Diese zunehmende Bedeutung führt auch dazu, dass sich vermehrt die Frage nach einer sachgerechten Berücksichtigung des Factorings im Rahmen von Unternehmensbewertungen stellt.

In unserem Beitrag Factoring bei M&A-Transaktionen haben wir die verschiedenen Factoring-Formen (u.a. unechtes und echtes Factoring) dargestellt und begründet, weshalb es sich auch beim echten Factoring ökonomisch um eine Form der Finanzierung handelt, die im Rahmen der Net Debt-Ermittlung bei Due Diligence-Analysen als Abzugsposten aufzunehmen ist. Nachfolgend vertiefen wir, welche Besonderheiten sich für die Berücksichtigung von Factoring im Rahmen von kapitalwertorientierten Unternehmensbewertungen – z.B. der Discounted Cash Flow (DCF)-Methode – ergeben und welche Relevanz der sachgerechte Umgang mit Factoring für die Bewertung Factoring-intensiver Unternehmen hat. Im Zentrum steht hierbei die Frage, ob die Inanspruchnahme von Factoring eine unmittelbare Unternehmenswertsteigerung zur Folge hat.

Zur Veranschaulichung nutzen wir einen vereinfachten Beispielfall:

  • Wir betrachten zwei Handelsunternehmen A und B, deren Aktivseite Geschäftsmodell-bedingt im Wesentlichen aus Forderungen aus Lieferungen und Leistungen besteht.
  • Die beiden Unternehmen unterscheiden sich lediglich in der Art der Finanzierung. Unternehmen A finanziert sich über eine Kreditlinie, Unternehmen B betreibt echtes Factoring. Maximaler Kreditrahmen, bzw. Factoringvolumen betragen jeweils 500 TEUR.
  • Für das Factoring entstehen Unternehmen B Kosten, die sich vereinfachend in einen Gebührenteil und einen Zinskostenteil unterscheiden lassen. Der Zinssatz für die Factoring-Inanspruchnahme entspricht dem Kreditzins von Unternehmen A in Höhe von 3,5 Prozent. Den Gebührenanteil kann Unternehmen B durch Einsparungen operativer Kosten (z.B. für Forderungsmanagement) kompensieren.
  • Da echtes Factoring in der Rechnungslegung als Forderungsverkauf behandelt wird, wird bei Unternehmen B lediglich der über die Factoringlinie hinausgehende Teil der Forderungen bilanziert. Für Unternehmen B betrachten wir zwei Bewertungsvarianten:
    • In der ersten Variante („ohne Bereinigung“) wird das Factoring analog zur Bilanzdarstellung als rein operative Maßnahme, d.h. eine Maßnahme zur dauerhaften Minderung des Working Capitals des Unternehmens, behandelt.
    • In der zweiten Variante („mit Bereinigung“) wird das Factoring als Finanzierungsmaßnahme behandelt. Hierzu sind für Bewertungszwecke die bilanzierten Forderungen L&L um die Höhe des in Anspruch genommenen Factoringvolumens zu bereinigen (zu erhöhen) und bilden somit wieder den operativen Forderungsbestand des Geschäftsmodells ab. Analog wird auf der Passivseite eine entsprechende Factoring-Verbindlichkeit gebildet. 

Nachfolgende Darstellung zeigt die aktuellen Bilanzen (t=0) von Unternehmen A und von Unternehmen B sowie die darauf aufbauende Planungen für zwei weitere Geschäftsjahre (t=1 und t=2). Für Unternehmen B wird daneben auch die Bilanz in der für Bewertungszwecke bereinigten Form („mit Bereinigung“) dargestellt:

In der Gewinn- und Verlustrechnung werden die Factoringgebühren in der Variante „ohne Bereinigung“ vollständig als operativer Aufwand oberhalb des EBIT ausgewiesen. In der Variante „mit Bereinigung“ wird der Finanzierungsfunktion Rechnung getragen und daher die Zinskomponente als Finanzierungskosten unterhalb des EBIT klassifiziert. Das bewertungsrelevante EBIT fällt somit in der Variante „mit Bereinigung“ höher aus. Die Fallunterscheidung wird nachfolgend für die beiden Planjahre veranschaulicht:

Auf Basis der obigen Informationen nehmen wir nun eine DCF-Bewertung in den verschiedenen Konstellationen vor. Hierzu sind zunächst die jeweiligen gewichteten Kapitalkosten (WACC) abzuleiten. Der WACC ist in der Variante „ohne Bereinigung“ aus folgenden Gründen tendenziell höher als in den übrigen Varianten:

  • Das geplante Factoringvolumen wird im Rahmen der WACC-Ableitung nicht als Fremdkapital berücksichtigt. Durch den niedrigeren Verschuldungsgrad fällt das Tax Shield in der Variante „ohne Bereinigung“ niedriger aus, was den WACC gegenüber den übrigen Varianten erhöht.
  • Bei der Ableitung des unverschuldeten Betafaktors sind auch für die Unternehmen der Peer Group etwaige Factoringinanspruchnahmen im Rahmen der Berechnung des Verschuldungsgrads grundsätzlich zu berücksichtigen. Aus Konsistenzgründen entfällt dies in der Variante „ohne Bereinigung“. Hierdurch ist der unverschuldete Betafaktor in der Variante „ohne Bereinigung“ typischerweise höher als in den übrigen Varianten.

Die DCF-Bewertung stellt sich unter der Annahme einer Wachstumsrate von 1 Prozent im Zeitraum der ewigen Rente (TV) in den jeweiligen Bewertungsvarianten wie folgt dar:

In unserem Beispielfall haben Unternehmen A und B denselben Equity Value, sofern bei Unternehmen B Factoring richtigerweise als Finanzierungsform bewertet wird (Variante „mit Bereinigung“). Wird Factoring als operative Working-Capital-Maßnahme in der Bewertung abgebildet (Variante „ohne Bereinigung“), resultiert ein deutlich höherer Equity Value. Die Differenz bei der Nettofinanzposition übersteigt hierbei den negativen Effekt aus geringerem EBIT und höherem WACC. Dies ist ein typisches Ergebnis in Konstellationen, in denen das Zielunternehmen im Vergleich zur Peer Group in überproportionalem Umfang Factoring betreibt. Wir ziehen hieraus zwei Schlussfolgerungen:

  1. Factoring ist kein „Free Lunch“ zur unmittelbaren Unternehmenswertsteigerung
  2. Ohne die dargestellten Bereinigungen kann sich eine Überbewertung Factoring-intensiver Zielunternehmen ergeben. 

Dessen ungeachtet kann es in der Realität viele Gründe geben, Factoring zu betreiben, z.B. wenn Zinskonditionen gegenüber einem Bankdarlehen vorteilhaft sind und Organisationsprozesse verschlankt werden können.

Die für die DCF-Bewertung beschriebenen Analysen sind grundsätzlich auch auf Multiple-Bewertungen zu übertragen. Analog zu den Analysen zur Ableitung von unverschuldeten Betafaktoren in der DCF-Bewertung ist hier zu hinterfragen, inwieweit bei der Ableitung entsprechender Multiplikatoren Ergebnisgrößen und Verschuldung der Vergleichsunternehmen anzupassen sind. 

In der Praxis sieht sich der Bewerter der Herausforderung gegenüber, für die Vergleichsunternehmen tatsächlich auch die relevanten Informationen zum Umfang des Factoring zu erhalten:

  • Da echtes Factoring als Verkauf bilanziert wird, sind Unternehmen regelmäßig nicht verpflichtet, das Factoringvolumen als Teil der außerbilanziellen Verbindlichkeiten offenzulegen. Eine automatisierte Datenabfrage über gängige Finanzinformationsdienstleister ist somit nicht ohne Weiteres möglich.
  • Entsprechende Informationen können sich insbesondere aus den Angaben im Jahresabschluss zur Veräußerung der Forderungen (bei erstmaliger Anwendung bzw. späteren Volumenerhöhungen) ergeben. Auch Angaben zu Factoringaufwendungen können Hinweise auf den Umfang geben. Darüber hinaus kann der Vergleich von Forderungslaufzeiten vergleichbarer Unternehmen ein Indikator für die Nutzung von Factoring darstellen. 

Angesichts der Hürden in der Informationsbeschaffung ist im Einzelfall abzuwägen, ob von den dargestellten Bereinigungen aus Wesentlichkeitsgründen abgesehen werden kann. Das obige Beispiel illustriert jedoch, dass insbesondere bei Factoring-intensiven Zielunternehmen entsprechende Analysen unerlässlich sind, um Fehlbewertungen zu vermeiden. 

Sie haben weitergehende Fragen zu diesem Thema oder benötigen Unterstützung bei anderen Bewertungsthemen? Sprechen Sie uns gerne an.

1Deutscher Factoring Verband e.V., Jahresbericht 2021, S. 4.

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