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Family Offices in Deutschland

Aufgaben, Strukturen, Herausforderungen: Die neue Studie von Deloitte Private analysiert die Bedeutung von Family Offices in Deutschland

Family Offices spielen in Deutschland eine zunehmend größere Rolle, insbesondere wenn es um die Wahrnehmung der Interessen von Unternehmerfamilien und vermögenden Personen geht. Sie kümmern sich um die Verwaltung des Vermögens der Inhaber, aber auch um viele andere anspruchsvolle Aufgabenbereiche. Die neue Studie von Deloitte Private zeichnet ein detailliertes Bild dieses Bereichs und liefert aufschlussreiche Erkenntnisse über Strukturen und Leistungsspektren von Family Offices sowie deren Anforderungen und Erwartungen an ihre Partner. Außerdem bietet die Studie eine detaillierte Typologie und es werden Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet.

Family Offices sind keine neue Erfindung. Sie haben ihren Ursprung in den USA. Dort sind Einrichtungen dieser Art schon lange etabliert. Aber auch in Deutschland haben viele vermögende Unternehmensfamilien Family Offices gegründet. Die Familien betrauen diese meist kleinen, aber schlagkräftigen Dienstleistungsunternehmen mit dem Management von Beteiligungen, Vermögen und Assets. Aber auch individuelle Belange der Familienmitglieder gehören zu den vielfältigen Aufgaben. Für bestimmte Kompetenzbereiche nutzen Family Offices und vergleichbare Organisationen auch externe Expertise und Beratung. 

Einsichten in diese und andere Aspekte liefert die neue Studie von Deloitte Private, für die von Mai bis Juni 2022 insgesamt 112 deutsche Familienunternehmen, Family Offices und Private Equity-Gesellschaften befragt wurden. Ergänzend wurden vertiefende Experteninterviews geführt. Analog zu den Charakteristika von Familienunternehmen zeichnet viele Family Offices in der Einschätzung der Studienautoren eine langfristige Perspektive und ein Fokus auf Stabilität aus, zugleich sollen auch Flexibilität und Innovationskraft bewahrt und gestärkt werden. Typisch ist außerdem das Vorliegen von Spannungsfeldern beispielsweise zwischen Familie und Unternehmen, andererseits aber auch personelle Konsistenz sowie große Vertrautheit. Daraus erwächst oft eine hohe Komplexität der Aufgaben von Family Offices, zu denen nicht zuletzt auch die Erwirtschaftung einer zufriedenstellenden Rendite gehört.

Spezialisierte Dienstleister mit unterschiedlichen Organisationsformen

Es wird geschätzt, dass es in Deutschland ungefähr 200 bis 4.000 Family Offices gibt. Da im Bereich der Familienunternehmen über viele Themen Diskretion gewahrt wird, sind genaue Zahlen nicht bekannt. Oft sind die Family Offices rechtlich und wirtschaftlich eigenständige Organisationen. Die meisten kümmern sich um einzelne Gesellschafter oder um einzelne Stämme einer Unternehmerfamilie (Single Family Office). Das ist für die Familie sinnvoller als die Beauftragung einer externen Vermögensverwaltung. Der Ansatz lohnt sich nach allgemeiner Auffassung ab einem Vermögen von 200 bis 300 Millionen Euro1

Eine andere Version sind Multi Family Offices, die mehrere Unternehmerfamilien betreuen, wodurch Kostenvorteile erzielt werden können. Diese Organisationsform kann bereits ab einem Vermögen von 20 bis 30 Millionen Euro pro Gesellschafter sinnvoll sein2.  Daneben werden in der Studie auch „Inhouse Family Offices“ erfasst, bei denen entsprechende Dienstleistungen und spezielle Beteiligungsgesellschaften berücksichtigt werden. Weitere Details liefert die Typologie der Studie. 

 

Deloitte, Family Offices: Eine praxisorientierte Bestandsaufnahme und Blick in die Zukunft. Aus der Studienserie „Erfolgsfaktoren im Mittelstand“, S. 10, 2023. 

ebd.

Das Leistungsspektrum der Family Offices

Investitionsthemen stellen klassischerweise die Kernaufgabe eines Family Office dar. Daneben weisen folgende Tätigkeiten die meisten Nennungen durch die Studienteilnehmer auf: Dienstleistungen rund um Fragen der Unternehmensnachfolge (95%), Mediation und Interessenausgleich (86%), Organisation des grenzüberschreitenden Lebenswandels (86%), Förderung der nächsten Generation (83%) und allgemeine Beratungsleistungen (81%). Dazu kommen klassische Aufgaben wie etwa die Beratung zu Steuern und Compliance (68%), bei der Auswahl und Bewertung von Anlage- und Investitionsoptionen (67%) sowie bei der Regelung von Vermögensfragen (64%). 

Für bestimmte Dienstleistungen greifen die Family Offices auch auf externe Beratung zurück, etwa für Rechtsberatung, steuerliche Beratung und Wirtschaftsprüfung. Ein weiterer Ausbau der Beratungsleistungen wird von den Studienteilnehmern insbesondere in den Bereichen Strategie und Anlageberatung gewünscht. Erhoben wurden in der Umfrage auch die Kriterien bei der Auswahl externer Beratungsdienstleister. Am höchsten wird der Aspekt der fachlichen Qualität bewertet (82%), gefolgt von Diskretion (76%) und engagierter Beratung (73%). Der Preis als ein Hauptkriterium spielt dagegen eine eher untergeordnete Rolle (12%).

Investments, Risiken, Renditen: Strategien und Ansätze

Die meisten Family Offices sind für die Verwaltung und das Investment erheblicher Mittel zuständig. Diese haben unterschiedliche Quellen. Genannt werden laufende Erträge des Familienunternehmens, Verkauf des Unternehmens oder von dessen Teilen sowie Erbschaft. Welche Ansätze und Ziele die Family Offices verfolgen, wird bei der großen Mehrheit durch eine Familienstrategie bestimmt (80%). Bei den Familien besteht mehrheitlich der Wunsch, zukünftig eine solche zu entwickeln oder weiterzuentwickeln (64%). Für die formale Verankerung der Familienstrategie werden verschiedene Möglichkeiten genutzt, etwa Gesellschaftsvertrag, Testament, Vollmacht, Ehevertrag und Familienverfassung. 

Zentrale Aufgabe der Family Offices ist traditionell die Vermögensverwaltung. Die wichtigsten Ziele sind dabei die Erzielung einer Rendite und der Kapitalerhalt. Sonstige Aspekte wie soziale Ziele und Familienerhalt werden nur selten genannt. Bei der Vermögensverwaltung wird weitgehend eine strategische Grundausrichtung verfolgt (83%). Allerdings verfügen 30 Prozent der Organisationen nicht über eine Strategie für die Reinvestition. Die Vermögensverwalter investieren in eine große Bandbreite von Assets: Aktien, Immobilien, Anleihen, Private Equity, andere liquide Güter, Investmentfonds und Rohstoffe. Bei den Branchen dominieren Industrie (63%), IT (58%) und Basiskonsumgüter (51%); bei den Regionen Deutschland (84%), Europa außer Deutschland (70%), Nordamerika (60%) und Asien (44%). 

Das Anlagen-Risikomanagement besteht typischerweise in einer Diversifikation auf unterschiedlichen Ebenen. Die meisten Befragten diversifizieren bei den Assetklassen, gefolgt von Branchen- und geographischer Diversifikation. Absicherungsderivate kommen nur bei 14 Prozent der Family Offices zum Einsatz. Mit ihren Investitionen erzielte fast die Hälfte Family Offices in den letzten drei Jahren jährliche Renditen zwischen 10 und 20 Prozent. 59 Prozent der Family Offices würden eine geringere Rendite akzeptieren, wenn dadurch andere Ziele wie etwa Nachhaltigkeits-Kriterien erfüllt werden.

Operative Potenziale und praktische Handlungsempfehlungen

Family Offices weisen einen relativ geringen Grad an Formalisierung auf, auch digitale Methoden sind nicht überall im Einsatz. Zugleich ist jedoch in vielen Fällen eine Steigerung der Effizienz erwünscht. Zwar wird beispielsweise die Investitionstätigkeit in der Selbsteinschätzung von den Teilnehmern durchgehend als gut oder sehr gut beurteilt. Auffällig ist vor diesem Hintergrund aber auch, dass 79 Prozent der Organisationen die Funktionsfähigkeit ihrer Prozesse und Methoden noch keiner externen Überprüfung unterzogen haben. Nur 53 Prozent verwenden einen einheitlichen Prozess zur Auswahl und Bewertung von Investments, 29 Prozent betreiben kein umfassendes Asset Reporting. Beim Benchmarking und der Optimierung bestehender Strukturen und Prozesse bestehen damit Potenziale, die durch die Zusammenarbeit mit externen Partnern gehoben werden könnten. Aus den Studienergebnissen und der eigenen Beratungserfahrung haben die Autoren vier konkrete Handlungsempfehlungen für Family Offices abgeleitet:

1. Aufs Kerngeschäft fokussieren

Durch eine realistische Analyse des Leistungsportfolios und die Hinzuziehung externer Expertise können sich die – typischerweise personell schlank aufgestellten – Organisationen auf wertstiftende Aktivitäten konzentrieren und die Performance verbessern.

2. Chancen und Risiken in der Familie realistisch einschätzen

Das Family Office sollte sich um eine realistische Einschätzung der Familienverhältnisse bemühen, um Zielkonflikte frühzeitig zu identifizieren. Eine Familienverfassung oder Familienstrategie können hierfür eine gute Grundlage liefern.

3. Offenheit gegenüber sämtlichen Investmentformen zeigen

Die Berücksichtigung auch von Kapitalanlagen jenseits des traditionellen Horizonts sowie eine Intensivierung des Anlage- und Kapitalreportings können zur Optimierung der Rendite beitragen. Zugleich helfen sie bei der Integration der Familien in die Auswahlentscheidung. 

4. Interne Prozesse realistisch bewerten

Eine Analyse der eigenen Fähigkeiten und Prozesse ist eine Voraussetzung für die Erhöhung von Professionalität und Performance. Dafür können Family Offices eine strukturierte Bestandsaufnahme unternehmen oder, bei mangelnder interner Expertise, diese von einem externen Partner durchführen lassen.

Für weitere Informationen und detailliertere Ergebnisse senden wir Ihnen auf Anfrage gerne die Deloitte Private Family Office Studie persönlich zu.

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