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5G aus Sicht der Konsumenten: Abwarten statt Euphorie

Mobile Consumer Survey zeigt: Großes Informationsdefizit bei deutschen Verbrauchern

Für die Netzbetreiber ist 5G das derzeit alles beherrschende Branchenthema. Die Konsumentenperspektive dagegen ist eine völlig andere. Die Zahlen des Mobile Consumer Survey 2020 zeigen: Interesse und Zahlungsbereitschaft der deutschen Mobilfunknutzer sind weiterhin begrenzt. Zudem besteht ein massives Informationsdefizit in Bezug auf 5G.

Auch nach dem kommerziellen Start von 5G ist beim Großteil der Verbraucher statt Euphorie erst einmal abwarten angesagt. Altersübergreifend nutzen gerade einmal 19% der Befragten bereits 5G oder wollen dies tun, sobald die Dienste in ihrer Region verfügbar sind. Weitere 9% planen den Wechsel, wollen aber erst positive Rückmeldungen von „early adoptern“ erhalten. Dagegen hat eine große Gruppe von 51% der Deutschen überhaupt keine Eile beim Thema 5G. Diese Konsumenten wechseln „möglicherweise“ oder sogar erst dann, wenn sich die neuen Infrastrukturen zum Standard entwickelt haben. 

Tatsächlich fehlt 5G aus Konsumentensicht der „must have“-Charakter. Zwar sind jüngere Mobilfunknutzer tendenziell stärker interessiert als die älteren, aber selbst in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen Mobilfunk-Heavy-User lassen die Studienergebnisse keine echte Begeisterung erkennen. Deutlich weniger als ein Drittel von ihnen nutzt 5G oder plant einen Wechsel, sobald der Ausbau an ihrem Wohnort abgeschlossen ist. Die Zahlen sind ein klarer Beleg, dass der Mehrwert der neuen Infrastrukturen im B2C-Bereich noch nicht wahrgenommen wird

Mehrkosten für 5G: Geringe Zahlungsbereitschaft der Konsumenten

Vor dem Hintergrund des überschaubaren Interesses an 5G überrascht es kaum, dass die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten ebenfalls begrenzt ist. Im Rahmen der Befragung wurde ausdrücklich die gegenüber LTE fünfmal höhere Geschwindigkeit angesprochen, dennoch würde nur ein Teil der Mobilfunknutzer einen signifikanten Aufpreis für 5G zahlen. Lediglich 7% der Befragten wären die leistungsfähigen Netze eine Zuzahlung von mehr als 10 Euro wert. Angesichts der immensen Ausbaukosten ist dies für Netzbetreiber eine ernüchternde Zahl. Damit nicht genug: Bei über der Hälfte der Konsumenten besteht überhaupt keine zusätzliche Zahlungsbereitschaft. Und auch ein positiver Trend ist nicht erkennbar, denn die aktuellen Zahlen unterscheiden sich nicht wesentlich von jenen der Vorgängerstudien.

Die Leistungsfähigkeit bestehender Netze reicht vielen Konsumenten aus, entsprechend moderat ist die Zahlungsbereitschaft für 5G.

Dr. Andreas Gentner, Partner und Leiter Technology, Media & Telecommunications Deloitte

 

Worin liegen die Gründe für die Zurückhaltung? Augenscheinlich reicht die Leistungsfähigkeit bestehender Netze vielen Konsumenten aus. Populäre mobile Anwendungen und Content-Angebote erfordern kaum Bandbreiten, die nicht auch von LTE-Infrastrukturen bereitgestellt werden könnten. Dagegen sind spezifische Consumer-Use-Cases für 5G noch Mangelware. Anbieter tun gut daran, die wenigen Beispiele hervorzuheben und als Showcases für den Wert der neuen Netze im Zuge von Marketingkampagnen zu kommunizieren. Geeignete Anwendungsfälle sind beispielsweise im Bereich der Augmented Reality zu finden. Diese setzen nicht nur eine leistungsfähige Hardware, sondern auch performante Netzinfrastrukturen voraus und finden überwiegend im mobilen Kontext statt.

Konsumenten wissen nicht genug über die neuen Mobilfunknetze

Auch weitere Ergebnisse des Mobile Consumer Survey deuten hin auf ein massives Informationsdefizit deutscher Mobilfunknutzer bei 5G. Dieses wird von den Verbrauchern selbst wahrgenommen. Nach eigener Einschätzung wissen altersübergreifend 57% der Befragten nicht genug über die neuen Mobilfunknetze. Die fehlenden Kenntnisse ziehen sich durch alle Altersgruppen, selbst jüngere Mobilfunknutzer betrachten sich mehrheitlich als nicht gut informiert. Der nach wie vor hohe Anteil überrascht, denn spätestens mit den Frequenzauktionen hat es das Thema 5G in die Publikumspresse geschafft. Und auch der Start des Netzbetriebs ging einher mit zusätzlicher medialer Aufmerksamkeit. Zu einem guten Informationsstand auf Konsumentenseite führte die Berichterstattung nicht. Stattdessen müssen Netzbetreiber nun zügig in die Bresche springen und ihrerseits in gezielten Kampagnen zu Grundlagen, Hintergründen und Möglichkeiten der neuen Infrastrukturen aufklären.

 

Die deutschen Mobilfunknutzer fühlen sich aber nicht nur überwiegend schlecht informiert, die Mehrheit erwartet auch keine Verbesserung durch 5G-Dienste. Nur 43% der Befragten gehen von einer überlegenen Konnektivität aus. Der niedrige Anteil überrascht, denn eine technologische Weiterentwicklung durch den Evolutionsschritt von 4G zu 5G sollte prinzipiell vorausgesetzt werden können. Tatsächlich sind Konsumenten, die mit einer besseren Connectivity rechnen, in allen Alterssegmenten in der Minderheit.

Eine gewisse Skepsis gegenüber 5G ist auch bei der Frage nach der Unbedenklichkeit der neuen Netze zu beobachten. Immerhin 20% der deutschen Mobilfunknutzer glauben, dass 5G mit Gesundheitsrisiken verbunden ist. Weitere 20% wissen nicht, wie sie die Risiken einzuschätzen sollen. Die „5G-Skeptiker“ sind gleichermaßen in allen Altersgruppen vertreten. Netzbetreiber tun gut daran, die vorhandenen Sorgen ernst zu nehmen, sollten aber durchaus differenzieren. Konkrete Ängste um einen in der Nachbarschaft neu aufgestellten 5G-Sendemast können mit persönlicher Ansprache und fundierten, auch für Laien nachvollziehbaren Argumenten häufig moderiert werden. Kontraproduktiv dagegen ist jede Reaktion auf bizarre Verschwörungstheorien, die einen Zusammenhang zwischen 5G und dem Ausbruch von COVID-19 herzustellen versuchen.

Die aktuelle Stimmungslage in Deutschland ist geprägt von Zurückhaltung und sogar einer gewissen Skepsis gegenüber 5G.

Dr. Andreas Gentner, Partner und Leiter Technology, Media & Telecommunications Deloitte

 

Wie ist die Konsumentenperspektive auf 5G insgesamt zu bewerten? Herrschte bei 3G noch Euphorie und bei 4G immerhin gespannte Erwartung, so ist die aktuelle Stimmungslage in Deutschland geprägt von Zurückhaltung und sogar einer gewissen Skepsis gegenüber der neuen Generation von Mobilfunknetzen. Um das Meinungsbild kurzfristig zu ändern, müssen Netzbetreiber ihre 5G-Kommunikations- und Marketingmaßnahmen zügig auf die Vermittlung von Information und passenden Use Cases fokussieren. Mittel- und langfristig wird die Einstellung gegenüber 5G von dessen technologischen Vorzügen profitieren. Mit steigender Verbreitung lernen Konsumenten die dank hoher Bandbreiten und kurzer Latenzzeiten überlegene Nutzererfahrung ebenso zu schätzen wie neue mobile Anwendungsgebiete.