Aktuelle arbeitsrechtliche Rechtsprechung zur bAV

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Aktuelle arbeits­rechtliche Recht­sprechung zur bAV

1. Widerruf einer Pensionszusage (BGH Urt. v. 2.7.2019, II ZR 252/16

In seinem Urteil vom 2.7.2019 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Anforderungen an den Widerruf einer einem Geschäftsführer erteilten BAV-Zusage weiter präzisiert.

In dem entscheidungsrelevanten Sachverhalt hatte die beklagte Gesellschaft im Jahr 1999 dem klagenden Gesellschafter-Geschäftsführer die BAV-Zusage zu diesem Zeitpunkt, als dieser mit einem Anteil von 98 % Mehrheitsgesellschafter war, erteilt. Der Kläger erhielt aus der BAV-Zusage erstmals im Jahr 2011 Versorgungsleistungen. Im Juni 2013 veräußerte er 51 % der Geschäftsanteile an einen fremden Dritten, den E. Ab August 2013 kam es zu Streitigkeiten zwischen dem Kläger und E, die in einem nachhaltigen Zerwürfnis endeten. Der Kläger verpfändete daraufhin, in seiner Funktion als Geschäftsführer der Beklagten, am 23.8.2013 zu seinen Gunsten verschiedene Vermögenswerte der Beklagten in Höhe von insgesamt ca. 1,3 Mio. EUR, die die Beklagte zur Deckung der BAV-Zusage auf einem Bankkonto deponiert hatte. Nachdem die Pensionszahlung für September 2013 ausgeblieben war, teilte der Kläger der Beklagten am 23.9.2013 mit, dass er von seinem – von der Beklagten bestrittenen – Recht auf Kapitalabfindung Gebrauch mache, und veranlasste den Transfer der verpfändeten Vermögenswerte auf sein privates Bankkonto. Die Beklagte nahm den Kläger daraufhin in einem Rechtsstreit auf Rückerstattung in Anspruch, die der Kläger in der Folgezeit leistete. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten fasste am 20.9.2013 den von E forcierten Beschluss zur Verlegung ihres Sitzes mit Wirkung zum 1.10.2013. Der Kläger erkannte diesen Beschluss nicht an und war auch ab dem 1.10.2013 - nach Auffassung des E eigenmächtig - als Geschäftsführer am bisherigen Sitz der Beklagten tätig. Mit einem Rundschreiben vom 1.10.2013 wandte sich der Kläger an Kunden der Beklagten und teilte mit, er sei als Geschäftsführer zukünftig nur noch unter einer in dem besagten Schreiben angeführten Mobiltelefonnummer erreichbar. Die Mobiltelefonnummer führte zur D-GmbH, die der Kläger zuvor gegründet hatte und die auf dem gleichen Geschäftsfeld wie die Beklagte tätig war. In der Folgezeit wechselten viele Kunden der Beklagten zur D-GmbH. E fasste in einer Gesellschafterversammlung am 28.11.2013 unter anderem den Beschluss zum Widerruf der BAV-Zusage. Die Beklagte hat in der Folgezeit ihren Geschäftsbetrieb eingestellt, dies nach eigener Behauptung aufgrund der vom Kläger veranlassten Kundenwechsel zur D-GmbH.

Der Kläger erhob gegen den Widerruf der BAV-Zusage Anfechtungsklage. Er führte in dem Rechtsstreit aus, dass die Beklagte ihren Geschäftsbetrieb – unabhängig von dem Kundenwechsel – aufgrund der Inkompetenz ihres - von E eingesetzten - weiteren Geschäftsführers eingestellt habe. Das Berufungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Widerruf der BAV-Zusage wirksam erfolgt sei. Es stützte den Widerruf im Kern auf die von ihm angenommenen Pflichtverletzungen des Klägers in der Nichtbefolgung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung zum Sitzwechsel und auf die Ansprache der Kunden der Beklagten zum Wechsel zur D-GmbH. Es ließ im Ergebnis offen, ob der vom Kläger forcierte Kundenwechsel für die Geschäftseinstellung ursächlich gewesen ist.
Der BGH gab der Revision des Klägers statt.

Zur Begründung bestätigte er zunächst die Leitsätze seiner restriktiven Rechtsprechung, wonach der Widerruf einer einem Geschäftsführer erteilten BAV-Zusage nur dann wirksam ist, wenn die Geltendmachung von Leistungen aus der BAV-Zusage rechtsmissbräuchlich ist, der Pensionsberechtigte also seine Pflichten aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag in so grober Weise verletzt hat, dass sich die bewiesene Betriebstreue im Nachhinein als wertlos herausgestellt hat. Dies kann unter anderem durch ein Verhalten begründet sein, welches die Gesellschaft in eine Existenz bedrohende Lage bringt oder durch das ihr ein hoher Schaden entsteht.

Der BGH betont in der vorliegenden Entscheidung, dass die konkrete Pflichtverletzung für die Existenzgefährdung der Gesellschaft ursächlich, also kausal sein muss. Die Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität obliege der Gesellschaft als Versorgungsschuldnerin. Im vorliegenden Rechtsstreit konnte das Gericht bereits sowohl die existenzgefährdende Lage der Gesellschaft als auch eine solche Kausalität für die dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzungen nicht erkennen und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das Berufungsgericht zurück.

Fazit

Die Entscheidung des BGH sensibilisiert die Praxis einmal mehr für die restriktiven Anforderungen der Rechtsprechung an den wirksamen Widerruf von BAV-Zusagen gegenüber Geschäftsführern bzw. sonstigen gesetzlichen Organvertretern einer Gesellschaft. Gesellschaften, die den Widerruf einer BAV-Zusage beabsichtigten, haben vor allem die Kausalität der im Raum stehenden Pflichtverletzung für die existenzgefährdende Lage sorgfältig herauszuarbeiten und mit belastbaren Beweismitteln zu belegen. Zudem lässt die Entscheidung erkennen, dass der Widerruf im konkreten Fall einer tatsächlichen existenzgefährdenden Lage der Gesellschaft bedarf.

2. Bestätigung der Höchstaltersgrenze von 50 Jahren in BAV-Zusagen durch das BVerfG (BVerfG Beschl. v. 23.7.2019, 1 BvR 684/14)

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 23.7.2019 die Wirksamkeit einer Altersgrenze von 50 Jahren in BAV-Zusagen erkannt und damit die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, konkret in dem hier entscheidungsrelevanten Urteil vom 12.11.2013, 3 AZR 356/12) bestätigt.

Dem Beschluss zugrunde lag eine BAV-Zusage, die die Gewährung von Altersrentenleistungen an eine mindestens zehnjährige anrechnungsfähige Dienstzeit (Wartezeit) knüpfte und damit im Ergebnis als Bedingung für die Aufnahme in den von der BAV-Zusage begünstigten Personenkreis eineHöchstaltersgrenze von 50 Jahren vorsah. Die auf Leistungen aus der BAV-Zusage klagende Arbeitnehmerin hatte zum Zeitpunkt der Aufnahme ihres Arbeitsverhältnisses bereits das 52. Lebensjahr vollendet. Sie stützte ihre Klage auf die Erwägung, dass dieHöchstaltersgrenze gegen das gesetzliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters oder wegen des Geschlechts aus § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoße und gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam sei.

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht an. In der Begründung schloss es sich den Erwägungen des BAG an, wonach eine Höchstaltersgrenze zwar eine ungünstigere Behandlung von Personen bedinge, die zum Zeitpunkt der Aufnahme des Arbeitsverhältnisses bereits die Altersgrenze überschritten hätten. Die Ungleichbehandlung gegenüber jüngeren Arbeitnehmern sei jedoch gerechtfertigt im Sinne des § 10 AGG, weil der Arbeitgeber einerseits das berechtigte Interesse des Schutzes vor einer Überbelastung aus BAV-Zusagen – insbesondere aus der Abwicklung von Klein(st-) Anwartschaften – geltend machen könne, und anderseits Arbeitnehmer vor der Vollendung des 50. Lebensjahres bei anderen Arbeitgebern ausreichend Zeit hätten, Betriebsrentenanwartschaften zu erdienen oder anderweitig für ihre Altersversorgung vorzusorgen.

Fazit

Die Praxis konnte die rechtssichere Gestaltung von Höchstaltersgrenzen faktisch bereits aus dem Urteil des BAG vom 12.11.2013 ableiten. Die klarstellende Entscheidung des BVerfG kann als finaler Schlusspunkt der diesbezüglichen Diskussion angesehen werden. Sie zeigt zugleich die praktischen Gestaltungsmöglichkeiten für eine bedarfsgerechte Steuerung des Interesses des Arbeitgebers vor einem Überlastungsschutz aus BAV-Zusagen durch die Verwendung von Altersklauseln auf. Die Entscheidung zu Höchstaltersgrenzen erhöht die Rechtssicherheit. Sie bestätigt, dass Höchstaltersgrenzen taugliche Gestaltungsmittel sind – ebenso wie die vom BAG bereits für rechtswirksam erachteten Altersabstandsklauseln mit einer ratierlichen Kürzung von Hinterbliebenenleistungen (Urt. v. 11.12.2018, 3 AZR 400/17; siehe hierzu die Rechtsprechungs-Übersicht in der DPEsche 01/2019) und Spätehenklauseln, die einem Arbeitnehmer Hinterbliebenenleistungen für seinen Ehegatten nur für den Fall zusagen, dass die Ehe vor Vollendung des 62. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen ist, wenn die Vollendung des 62. Lebensjahres die feste Altersgrenze der Versorgungsordnung darstellt.

3. Wirksamer Ausschluss von Arbeitnehmern von Ansprüchen aus einer BAV-Zusage im Durchführungsweg der Unterstützungskasse bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten (BAG Urt. v. 22.1.2019, 3 AZR 9/18).

Das BAG hat in seinem Beschluss vom 22.1.2019 die Wirksamkeit eines Ausschlusses von Arbeitnehmern von Ansprüchen aus einer BAV-Zusage im Durchführungsweg der Unterstützungskasse bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten für wirksam erachtet, wenn die konkreten Mitwirkungspflichten und die aus ihrer Missachtung folgende Rechtsfolge des Ausschlusses von Ansprüchen in der Rechtsgrundlage der BAV-Zusage (im konkreten Fall: einer Betriebsvereinbarung) explizit geregelt sind und dem Arbeitnehmer verständlich ist, dass die Unterstützungskasse die Versorgungsleistungen nur bei Erfüllung der konkreten Mitwirkungspflicht erfüllt.

In dem entscheidungsrelevanten Sachverhalt sah der Leistungsplan der – durch Entgeltumwandlung finanzierten – BAV-Zusage für die Gewährung einer Invaliditätsleistung durch die Unterstützungskasse zwei Leistungsoptionen vor: eine Grundoption mit Invaliditätsleistungen in Höhe von 100 % der im Leistungsplan ebenfalls vorgesehenen Altersrentenleistungen (A1) und eine gesteigerte Leistungsoption (A6) mit Invaliditätsleistungen in Höhe von 500 % der Altersrentenleistungen. Die Unterstützungskasse finanzierte die Versorgungsleistungen durch eine kongruente Rückdeckung aus. Die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen nach der Option A6 knüpfte der Leistungsplan an die Beantwortung von Gesundheitsfragen des Versicherers und die Unterziehung einer gegebenenfalls erforderlichen ärztlichen Untersuchung. Arbeitnehmer, die diese Mitwirkungspflichten nicht erfüllten oder für die der Versicherer den Abschluss einer Rückdeckungsversicherung für die Option A6 aus gesundheitlichen Gründen ablehnten, erhielten nach dem Leistungsplan (nur) Hinterbliebenenleistungen nach der Option A1. Der Kläger wählte die Option A6 und lies in der Folgezeit die vom Rückdeckungsversicherer hierzu vorgelegten Fragen zur Beantwortung seiner Gesundheit unbeantwortet. Die Unterstützungskasse bestätigte zunächst die gewählte Option A6 und fertigte auch einen entsprechenden Leistungsnachweis mit Invaliditätsleistungen nach der Option A6 aus. Diesen korrigierte sie bereits im Folgejahr der weiteren Laufzeit des Arbeitsverhältnisses und wies in dem Folge-Leistungsnachweis Leistungen nach der Option A1 aus. Sie gewährte dem Kläger nach Eintritt seiner Berufsunfähigkeit Invaliditätsleistungen nach der Option A1. Der Kläger begehrte mit seiner Klage Leistungen nach der Option A6.

Das BAG wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass der Leistungsplan einer Unterstützungskasse als Bestandteil der Rechtsgrundlage der BAV-Zusage die streitgegenständlichen Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers – insbesondere bei einer kongruenten Rückdeckung der Versorgungsverpflichtungen durch eine Rückdeckungsversicherung – wirksam vorsehen könne. Ein Arbeitnehmer könne angesichts der für die Ausfinanzierung erforderlichen Kenntnis des Rückdeckungsversicherers vom Gesundheitsstatus nicht davon ausgehen, dass er die konkreten Hinterbliebenenleistungen auch ohne Beantwortung der Gesundheitsfragen erhalten könne. Aus diesem Grund könne im vorliegenden Fall auch der von der Unterstützungskasse zwischenzeitlich erstellte Leistungsnachweis mit der Option A6 keine rechtliche Bindungswirkung entfalten.

Fazit

Moderne BAV-Zusagen im externen Durchführungsweg einer Unterstützungskasse sehen für Arbeitnehmer häufig Wahlmöglichkeiten für die einzelnen Versorgungsleistungen vor; dies insbesondere auch bei einer Finanzierung der Versorgungsleistungen durch den Arbeitnehmer im Wege der Entgeltumwandlung. Das BAG bestätigt mit seiner Entscheidung die Rechtspraxis von solchen BAV-Zusagen mit einer kongruenten Rückdeckungsversicherung, die die Gewährung von höheren Versorgungsleistungen nach einzelnen Wahltarifen an die Mitwirkung des Arbeitnehmers zur Aufklärung seines Gesundheitsstatus knüpfen.

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