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Der (Gesellschafter-)GmbH-Geschäftsführer in der betrieblichen Altersversorgung

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die inhaltliche Ausgestaltung und Durchführung von Zusagen der betrieblichen Altersversorgung (BAV-Zusagen) gegenüber GmbH-Geschäftsführern sind im Fluss. Im Kern der Diskussion steht – unverändert – die Anwendbarkeit des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) auf Geschäftsführer, die zugleich Gesellschafter der GmbH sind. Die Anwendbarkeit des BetrAVG wird in der Praxis vor allem virulent bei einer Insolvenz der GmbH und der dann im Raum stehenden Frage des gesetzlichen Insolvenzschutzes nach §§ 7 ff. BetrAVG für die BAV-Zusage. Für Geschäftsführer ohne eine Beteiligung an der GmbH (Fremd-Geschäftsführer) stehen in der jüngeren Praxis Fragen zur Abbedingbarkeit von einzelnen gesetzlichen Vorgaben des BetrAVG im Fokus, vor allem zu den restriktiven Vorgaben des § 3 BetrAVG zur Abfindung von Versorgungsanwartschaften aus der BAV-Zusage sowie zur etwaigen Anpassung der Betriebsrentenleistungen bzw. der Versorgungsanwartschaften bei einer vorzeitigen Beendigung des Geschäftsführer-Anstellungsverhältnisses.

Die BAV-Zusage des (Gesellschafter-)Geschäftsführers und das BetrAVG

Der persönliche Geltungsbereich des BetrAVG erstreckt sich gemäß § 17 Abs. 1 BetrAVG auf Arbeitnehmer (§ 17 Abs. 1 S. 1 BetrAVG) und alle sonstigen Personen, denen in gleicher Weise wie Arbeitnehmern Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind (§ 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG).

Sonstige Personen sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nur solche, die in Bezug auf die BAV-Zusage in vergleichbarer Weise schutzbedürftig sind wie Arbeitnehmer. Die Schutzbedürftigkeit fokussiert sich auf die wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, seinen fehlenden Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung der BAV-Zusage und den dafür seiner BAV-Zusage zugeordneten gesetzlichen Insolvenzschutz (§§ 7ff. BetrAVG). Sie besteht nicht für Versorgungsberechtigte, die vermögens- und einflussmäßig mit dem Unternehmen, für das sie arbeiten, so stark verbunden sind, dass sie es wirtschaftlich als ihr eigenes betrachten können und bei denen die Ansprüche aus der BAV-Zusage insoweit als Unternehmerlohn anzusehen sind.

Der Bundesgerichtshof (BGH) – als für Rechtsstreitigkeiten aus BAV-Zusagen von GmbH-Geschäftsführern typischerweise zuständiges, letztinstanzliches Gericht – qualifiziert nach dieser Abgrenzung den Fremd-Geschäftsführer als sonstige Person gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG. Er verneint die Anwendung des BetrAVG auf BAV-Zusagen gegenüber Alleingesellschafter-Geschäftsführern sowie gegenüber Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführern, die kraft ihrer Gesellschafter-Kapitalbeteiligung in Verbindung mit einer entsprechenden Leitungsmacht in uneingeschränkter Weise als bzw. wie ein Unternehmer der GmbH handeln können.


Der Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer und das BetrAVG: Leitungsmacht nunmehr auch bereits bei einer kumulierten Beteiligung von 50%

Differenzierter beurteilt sich die Anwendung des BetrAVG auf BAV-Zusagen von Geschäftsführern, die (nur) eine Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft halten. Die Minderheitsbeteiligung vermittelt dem Geschäftsführer vermögens- und einflussmäßig im Allgemeinen noch keine so überragende Stellung, dass er wie ein (gleich einem) Unternehmer der GmbH handeln kann.

Der BGH nimmt die Beurteilung anhand einer Einzelfallbetrachtung vor: Maßgeblich soll sein, ob der Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer, gegebenenfalls unter Zusammenrechnung mit den Gesellschaftsanteilen von weiteren Gesellschafter-Geschäftsführern, in der Lage ist, die Geschicke der GmbH zu bestimmen. Ist dies der Fall und der Anteil der Beteiligung beim einzelnen Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer nicht unbedeutend, soll der einzelne Minderheits-Gesellschafter nicht als sonstige Person nach § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG anzusehen sein. Der BGH hat bisher nicht entschieden, ab welcher Beteiligung der Gesellschaftsanteil als „nicht unbedeutender“ Anteil angesehen werden kann; er hat in seiner bisherigen Rechtsprechung im Einzelfall einen nicht unbedeutenden Anteil bei einer Beteiligung von 11,86% bejaht und bei einer Beteiligung von 8% verneint. In der Praxis wird – in Anlehnung an das Aktien- und Umwandlungsrecht – überwiegend eine Untergrenze von 10% als Wertgrenze angenommen.

Nach den vorgenannten Kriterien hat der BGH bereits in der Vergangenheit die BAV-Zusagen von Minderheits-Gesellschaftern vom Anwendungsbereich des BetrAVG ausgeschlossen, deren Gesellschafterbeteiligung zusammen mit den Anteilen von weiteren Gesellschafter-Geschäftsführern mehr als 50% des Gesellschaftskapitals beträgt. In seinem Urteil vom 1. Oktober 2019 (II ZR 386/17) hat der BGH seine Rechtsprechung auch auf Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer ausgeweitet, deren Gesellschaftsanteile unter Zusammenrechnung der Anteile von weiteren Gesellschafter-Geschäftsführern genau 50% des Gesellschaftskapitals erreichen. Dies mit der Begründung, dass bereits ein solcher kumulierter, hälftiger Anteil am Gesellschaftskapital eine Sperrminorität zugunsten der Gesellschafter-Geschäftsführer begründet und diese damit faktisch eine hinreichende Leitungsmacht für sich verzeichnen können.

Die Praxis hat sich auf diese Ausweitung der Rechtsprechung des BGH einzustellen und einen etwa gewollten Insolvenzschutz für die Versorgungsanwartschaften des Geschäftsführers aus der BAV-Zusage privatrechtlich zu begründen; insbesondere über die praxisüblichen Instrumente der Rückdeckungsversicherung bzw. einer doppelseitigen Treuhandlösung über ein Contractual Trust Agreement (s. dazu unseren aktuellen Client Alert).


Abbedingbarkeit von einzelnen gesetzlichen Vorgaben für vom BetrAVG erfasste BAV-Zusagen von Geschäftsführern

BAV-Zusagen von Geschäftsführern, die nach den vorgenannten Kriterien als sonstige Personen gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG qualifiziert werden können, unterliegen generell den arbeitsrechtlichen Vorschriften des BetrAVG, vor allem den §§ 1 bis 16 BetrAVG. Das BetrAVGumfasst neben dem gesetzlichen Insolvenzschutz unter anderem die gesetzlichen Regelungen zur Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaften und ihrer Anpassung bei einer vorzeitigen Beendigung des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses (§§ 1b ff. BetrAVG), zu den restriktiven Möglichkeiten der Abfindung (§ 3 BetrAVG) sowie zur Anpassung(sprüfung) der Rentenleistungen (§ 16 BetrAVG).

Das BAG hatte bereits im Jahr 2009 entschieden, dass BAV-Zusagen von Organmitgliedern einer Aktiengesellschaft (dort: Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft) von den gesetzlichen Vorgaben des BetrAVG in gleichem Umfang abweichen können wie Tarifverträge (§ 19 Abs. 1 BetrAVG). Der BGH hat diesen Rechtssatz in seiner Entscheidung vom 23. Mai 2017 (II ZR 6/16) auf die BAV-Zusagen von GmbH-Geschäftsführern übertragen und in diesem Rechtsstreit konkret die Abbedingbarkeit der restriktiven Vorgaben des § 3 BetrAVG für eine Abfindung bzw. einen Verzicht des Versorgungsbegünstigten auf die Leistungen aus der BAV-Zusage bejaht. Die in § 19 Abs. 1 BetrAVG in Bezug genommenen sog. tarifdispositiven Vorschriften erfassen neben den vorgenannten Regelungen unter anderem auch die gesetzlichen Vorgaben zur Übertragbarkeit der BAV-Zusage (§ 4 BetrAVG) und zur Verjährung des Stammrechts aus der BAV-Zusage (§ 18a S. 1 BetrAVG).


Fazit

GmbH und (Gesellschafter-)Geschäftsführer haben bei der inhaltlichen Ausgestaltung bzw. Modifizierung der konkreten BAV-Zusage die gesetzlichen Rahmenbedingungen sorgfältig abzustecken. Unterliegt die BAV-Zusage dem BetrAVG, eröffnet die jüngere Rechtsprechung zur Abbedingbarkeit der tarifdispositiven Vorgaben des BetrAVG der Praxis im Einzelfall eine bedarfsgerechte Ausgestaltung der BAV-Zusage.  

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