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CE-Kennzeichnung – Auswirkungen eines „No Deal Brexit“
Ein Überblick über die Auswirkungen eines „No Deal Brexit“ auf die Verkehrsfähigkeit von Produkten, welche mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden müssen.
Ein „No Deal Brexit“ könnte Auswirkungen auf die Verkehrsfähigkeit von mit einer CE-Kennzeichnung versehenen Produkten haben – Unternehmen sollten den einschlägigen Handlungsbedarf jetzt prüfen und durch Erlangung ausreichender Konformitätsbewertungen für ihre Produkte sicherstellen, dass deren Vertrieb auf dem europäischen Binnenmarkt nicht gefährdet ist.
Die CE-Kennzeichnung ist ein wesentlicher Hinweis darauf, dass ein Produkt den in verschiedenen EU-Rechtsvorschriften festgelegten Sicherheits-, Umwelt- und Gesundheitsanforderungen entspricht. Unabhängig davon, ob die betreffenden Produkte dort hergestellt wurden ermöglicht die Kennzeichnung den freien Warenverkehr im Europäischen Wirtschaftsraum (EU-Mitgliedstaaten und einigen EFTA-Ländern: Island, Norwegen, Lichtenstein) und der Türkei. Die CE-Kennzeichnung stellt damit eine Art produktbezogenen „Reisepass“ dar. Der folgende Beitrag beleuchtet die möglichen Auswirkungen eines „No Deal Brexit“, also eines unkontrollierten Austritts des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union ohne verhandeltes Abkommen mit den verbleibenden EU-27-Mitgliedsstaaten, auf die Verkehrsfähigkeit von Produkten, welche mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden müssen und zeigt den entsprechenden Handlungsbedarf für betroffene Unternehmen auf.
Die Ausgangslage
Mit der CE-Kennzeichnung wird die Konformität bestimmter Produkte mit allen anzuwendenden Rechtsvorschriften, in denen ihre Anbringung vorgesehen ist, bescheinigt. In der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 sind dabei die allgemeinen Grundsätze für die CE-Kennzeichnung festgelegt, während im Beschluss Nr. 768/2008/EG ihre Anbringung geregelt wird.
Mit Anbringung des CE-Zeichens bestätigt der Hersteller auf eigene Verantwortung, dass das betreffende Produkt die geltenden Harmonisierungsvorschriften der Europäischen Union erfüllt und die einschlägigen Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt wurden. Das CE-Kennzeichen ist dabei jedoch keine Herkunftskennzeichnung. Produkte, die das CE-Zeichen tragen, können überall auf der Welt gefertigt worden sein. Vorgeschrieben ist die Kennzeichnung auch nicht für alle Produkte, sondern lediglich für solche, die in den Anwendungsbereich einer oder mehrerer Harmonisierungsrechtsvorschriften fallen.
In jedem Fall setzt die Anbringung der CE-Kennzeichnung eine vorherige umfassende Konformitätsbewertung vor. In den produktbezogenen Harmonisierungsvorschriften ist jeweils geregelt, ob die Konformitätsbewertung vom Hersteller selbst durchgeführt werden darf (Selbstzertifizierung) oder ob eine notifizierte Stelle diese Aufgabe übernehmen muss.
Grundsätzlich ist die Einschaltung einer notifizierten Stelle regelmäßig dann erforderlich, wenn es sich bei den zu kennzeichnenden Produkten um besonders sensible bzw. risikogeneigte Produkte handelt. Hierzu zählen beispielsweise Druckbehälter wie Feuerlöscher, Aufzüge und bestimmte Werkzeugmaschinen. Wenngleich für zahlreiche Produkte eine Selbstzertifizierung durch den Hersteller möglich wäre, verzichten viele Unternehmen auf eine solche und nehmen für die Erteilung einer Konformitätsbescheinigung stattdessen die Dienste der notifizierten Stellen in Anspruch.
Anders als die Produkthersteller müssen die notifizierten Stellen ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union haben.
Es ist eben diese Anforderung, die im Falle eines „No Deal Brexit“ zu Problemen in Bezug auf die Teilnahme am freien Warenverkehr auf dem europäischen Binnenmarkt führen kann.
Die Auswirkungen eines „No Deal Brexit“
Sollte das Vereinigte Königreich mit Ablauf des 31. Oktobers 2019 die Europäische Union verlassen, ohne dass die Bedingungen und Konsequenzen eines solchen Austritts durch ein Abkommen geregelt würden, würden die Konformitätsbewertungen notifizierter Stellen mit Sitz im Vereinigten Königreich den ihre Gültigkeit verlieren. Folglich dürften die so zertifizierten Produkte dem Grundsatz nach nicht mehr in der EU-27 bzw. in denjenigen Ländern, die sich den CE-Kennzeichnungsregularien unterworfen haben, in den Verkehr gebracht werden.
Vor diesem Hintergrund sollten sich Unternehmen spätestens jetzt auf ein „No Deal Brexit“-Szenario vorbereiten und sicherstellen, dass ihre Produkte auch in einem solchen Fall weiterhin verkehrsfähig bleiben.
Dies kann grundsätzlich auf zwei Wegen erfolgen:
- Wurde ein Produkt im Vereinigten Königreich zertifiziert, so sollte möglichst zeitnah bei einem Zertifizierungsinstitut eines anderen Staates, der sich den CE-Kennzeichnungsregularien unterworfen hat, eine neue Konformitätsbewertung beantragt werden.
- In bestimmten Fällen besteht die Möglichkeit, ein bestehendes Konformitätsdossier eines britischen Zertifizierungsinstituts auf eine Zertifizierungsstelle in einem anderen Staat, der sich den CE-Kennzeichnungsregularien unterworfen hat, zu übertragen. Diese Vorgehensweise besteht jedoch nicht immer. Ob ein solches Vorgehen durchführbar und praktikabel ist, muss im Einzelfall geprüft werden.
Praxishinweise
Der bevorstehende Brexit bedeutet für deutsche Unternehmen in vielen Bereichen insbesondere quälende Ungewissheit. Was die CE-Kennzeichnungen angeht, so ist es sicherlich denkbar, dass sich die EU-27-Mitgliedsstaaten mit dem Vereinigten Königreich darauf einigen, zumindest die bereits ausgestellten Konformitätsbewertungen auch weiterhin gegenseitig anzuerkennen. Zwingende Voraussetzung wäre dabei jedoch die Einhaltung der geltenden Produkt- und Sicherheitsstandards der einschlägigen Harmonisierungsvorschriften.
Ob sich ein „No Deal Brexit“ und die damit einhergehenden Folgen noch abwenden lassen, und zumindest in Teilbereichen abkommensrechtliche Regelungen gefunden werden, steht mehr denn je in den Sternen. Vor diesem Hintergrund bleibt Unternehmen kaum eine andere Option als sich auf dieses „worst case“-Szenario vorzubereiten. Für den Bereich der CE-kennzeichnungspflichtigen Produkte bedeutet dies insbesondere, sicherzustellen, dass für die Produkte gültige Konformitätsbewertungen vorliegen, damit die Rechtmäßigkeit von deren Vertrieb auf dem europäischen Binnenmarkt nicht gefährdet wird.
