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Corporate Restructuring Insights 01/2025

Herabsetzung der Vorstandsvergütung in der Insolvenz gemäß § 87 Abs. 2 AktG – Anmerkung zum Urteil des BGH ( II. Zivilsenat), vom 22.10.2024 – II ZR 97/23

In unseren "Corporate Restructuring Insights" wollen wir Ihnen in regelmäßigen Abständen interessante Themen rund um die Themen Restrukturierungen, Sanierungen und Insolvenzen näherbringen.

1. Insights

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 22. Oktober 2024 – II ZR 97/23 erneut mit der Frage der Herabsetzung von Vorstandsvergütungen im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens auseinandergesetzt.

Die Entscheidung knüpft damit thematisch an die Vorgängerentscheidung aus dem Oktober 2015 zum Az. II ZR 296/14 an.

 

2. Sachverhalt

In dem zugrundeliegenden Fall wurde mit dem zukünftigen Vorstand einer AG, dem jetzigen Kläger, ein Dienstvertrag zum 14. November 2019 mit Diensteintritt zum 1. Januar 2020 abgeschlossen. Die Vergütung betrug EUR 240.000 p.a. Grundgehalt zuzüglich Tantieme. Am 23. Dezember 2019 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. In der Folge der Eröffnung macht der Beklagte von seinem Kündigungsrecht gem. § 113 InsO Gebrauch und teilte dem Kläger ergänzend mit, dass die Vergütung unter Herabsetzung der Tantieme auf EUR 8.000 festgesetzt werde.

Der Kläger blieb in erster und zweiter Instanz ohne Erfolg. Der BGH hat das Berufungsurteil des OLG Frankfurt aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

 

3. Entscheidung des BGH

Das Urteil des BGH vom 22. Oktober 2024 (Az. II ZR 97/23) behandelt die Herabsetzung der Vorstandsvergütung im Insolvenzfall. Während in der Entscheidung aus dem Jahre 2015 nicht entscheidungserheblich war, ob das Recht aus § 87 Abs. 2 AktG für die Zeit nach Insolvenzeröffnung nur vom Insolvenzverwalter ausgeübt werden darf, kommt es auf diese Frage im vorliegenden Fall an.

Der BGH führt klarstellend aus, dass im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter übergeht. Die Vergütungsansprüche sind aus der Insolvenzmasse zu leisten, sodass auch die Befugnis zur Ausübung des Rechts zur Herabsetzung der Vorstandsvergütung unmittelbar die Insolvenzmasse betrifft und schließlich vom Insolvenzverwalter ausgeübt werden muss.
Es handelt sich bei der Herabsetzung der Vergütung gerade nicht um den innergesellschaftlichen Bereich, der den Befugnissen des Insolvenzverwalters entzogene ist, so der BGH.

Ob die Vorstandsvergütung herabgesetzt werden kann, hängt davon ab, ob die Weitergewährung der Bezüge für die Gesellschaft unbillig wäre. Dabei normiert der § 87 Abs. 2 AktG konkret:

Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung so, dass die Weitergewährung der Bezüge nach Absatz 1 unbillig für die Gesellschaft wäre, so soll der Aufsichtsrat oder im Falle des § 85 Absatz 3 das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats die Bezüge auf die angemessene Höhe herabsetzen.“

Umstritten ist, ob dem Vorstand die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft zuzurechnen sein muss.

Während eine Auffassung davon ausgeht, dass der Vorstand einen qualifizierten, ihm individuell zurechenbaren Beitrag zur Verschlechterung der Gesellschaftslage geleistet haben muss, um das Merkmal der Unbilligkeit zu erfüllen, sieht eine andere Auffassung die Zurechenbarkeit nicht als zwingende Voraussetzung, sondern als einen Aspekt, der im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen ist.

Der BGH schließt sich in seinem Urteil der letztgenannten Auffassung an. Demnach ist ein Zusammenhang zwischen der Verschlechterung der Gesellschaftslage und der Vorstandstätigkeit gerade keine Voraussetzung, um eine Unbilligkeit bejahen zu können. Begründet wird dies zum einen mit dem Wortlaut des § 87 Abs. 2 Nr. 1 AktG, aus dem sich ein erforderlicher Zurechnungszusammenhang nicht eindeutig ergibt. Zum anderen spricht systematisch gesehen, der Zusammenhang des § 87 Abs. 2 AktG mit dessen erstem Absatz dafür, das Herabsetzungsrecht im Rahmen der Billigkeitsprüfung nicht durch zwingende Voraussetzungen zu beschränken, sondern in einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen.

Bislang gibt es kein einheitliches Verständnis und keine klare Abgrenzung des Merkmals der Zurechnung in der rechtswissenschaftlichen Literatur. Einige Stimmen fordern mehr als nur einen zeitlichen Zusammenhang oder verneinen das Herabsetzungsrecht unter Zurechnungsaspekten bei externer Krisenverursachung. Andere verlangen eine individuelle Zurechenbarkeit oder die Realisierung einer vom Vorstand geschaffenen Gefahr. Es erscheint damit fraglich, ob das Merkmal der Zurechnung überhaupt rechtssicher und sachgerecht angewandt werden kann.

Der BGH bemängelt in der Entscheidung, dass das Berufungsgericht die Gesamtabwägung verkennt und damit nicht den richtigen Prüfungsansatz zugrunde gelegt hat. Das Berufungsgericht stellt die Frage, ob die Herabsetzung der Vorstandsvergütung unbillig ist. Die Frage ist allerdings, ob die Beibehaltung der ursprünglichen Vorstandsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Unternehmensinteresses für die Gesellschaft unbillig ist.

 

4. Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH schafft im Hinblick auf die Kompetenzen des Insolvenzverwalters und der Herabsetzungsmöglichkeit von Vorstandsvergütungen Klarheit. Die im Aktiengesetz bestehenden Möglichkeiten des Aufsichtsrates, Vorstandsvergütungen bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft nach § 87 Abs. 2 S. 1 AktG herabzusetzen, werden mit Verfahrenseröffnung auf den Insolvenzverwalter übertragen. Der Insolvenzverwalter muss damit die bestehenden Vorstandsvergütungen überprüfen und soweit notwendig, entsprechende Herabsetzungen vornehmen. Als Verbindlichkeit der Insolvenzmasse ist dem Insolvenzverwalter zu empfehlen, entsprechende Vergütungen unmittelbar nach dem eröffneten Verfahren zu überprüfen, um ein etwaiges Haftungsrisiko seinerseits auszuschließen. Die damit bestehenden Sorgfaltspflichten aus §§ 116, 93 AktG gehen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über.

Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Das dem Insolvenzverwalter zustehende Wahlrecht aus § 113 InsO bietet die Möglichkeit, bestehenden Verträge mit Vorständen, mit der dem Gestaltungsrecht innewohnenden Frist von 3 Monaten kündigen. Es ist daher konsequent, dem Insolvenzverwalter auch die Befugnis zuzusprechen, eine Herabsetzung unmittelbar vorzunehmen. Vorstandsvergütungen sind Zahlungen, die aus der Insolvenzmasse zu leisten sind. Der Insolvenzverwalter, der die Verfügungsbefugnis über die Masse ausübt, muss als Konsequenz auch über diese Vergütungen entscheiden können.

Insbesondere im Hinblick auf ein eröffnetes Insolvenzverfahren ist es richtig, die Herabsetzung einer Vorstandsvergütung, ohne die Notwendigkeit eines bestehenden Zurechnungszusammenhangs anzunehmen. Weder hat sich eine gefestigte Meinung gebildet, wann ein solcher Zurechnungszusammenhang vorliegen soll, noch kann eine solche Zurechnung in der Praxis im eröffneten Insolvenzverfahren und der damit einhergehenden Mehrzahl an Pflichten wohl erfüllt werden. Am Ende ginge eine solche Verzögerung schließlich zu Lasten der Masse.

Stand: Februar 2025

 

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