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‚Foreign Subsidies Regulation‘ – 100 Tage Anmeldepflicht für Unternehmenszusammenschlüsse

Die Kommission zieht eine erste Bilanz.

Am 12. Juli 2023 trat mit der 'Foreign Subsidies Regulation1, („FSR“ oder „Verordnung“) ein neues europäisches Kontrollregime in Kraft. Die Verordnung befähigt die Europäische Kommission („Kommission“) gegen drittstaatliche Subventionen vorzugehen, die den Binnenmarkt verzerren.

Ein zentrales Element der neuen Verordnung ist die seit dem 12. Oktober 2023 geltende Anmeldepflicht für Unternehmenszusammenschlüsse. Diese tritt neben die Fusionskontrolle und beinhaltet ein bußgeldbewährtes Vollzugsverbot. Bereits im Vorfeld ihres Inkrafttretens hatte die Anmeldepflicht daher bei Unternehmen und Investoren für große Verunsicherung gesorgt. Nicht zuletzt aufgrund der sehr weit gefassten Begrifflichkeiten, insbesondere des Begriffs der drittstaatlichen finanziellen Zuwendung („Zuwendung“).

In einem Kurzdossier gewährt die Kommission einen Einblick in die ersten 100 Tage des Bestehens der Anmeldepflicht. Dieser Beitrag zeigt, wie die Bilanz nach 100 Tagen ausfällt und welche aus den ersten Erfahrungswerten und Klarstellungen der Kommission gezogen werden können.


 

1. Gegenstand der FSR

Kurze Rekapitulation: Die mit der FSR geschaffenen Kontrollmechanismen sollen es der Kommission ermöglichen, wettbewerbsschädliche Einflüsse auf den EU-Binnenmarkt durch drittstaatliche Subventionen zu verhindern.

Im Hinblick auf Unternehmenstransaktionen sieht die Verordnung bei Überschreitung bestimmter Schwellenwerte eine Anmeldepflicht vor2, die neben die Fusionskontrolle tritt. Für einen anmeldepflichtigen Zusammenschluss gilt ein Vollzugsverbot, d.h. die Transaktion darf nicht vollzogen werden, bevor die Genehmigung der Kommission vorliegt. Bei Zuwiderhandlungen drohen hohe Bußgelder in Höhe von bis zu 10 % des Gesamtumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres.


 

2. Statistik der ersten 100 Tage

In den ersten 100 Tagen der Anmeldepflicht für Unternehmenszusammenschlüsse ist die Kommission in 53 Fällen in Pränotifizierungsgespräche mit Anmeldern eingetreten. Lediglich in einem dieser Fälle entschieden sich die Anmelder, das Vorhaben nicht weiterzuverfolgen.

Aus den Pränotifizierungsgesprächen resultierte in 14 Fällen eine förmliche Anmeldung. Von diesen 14 angemeldeten Zusammenschlussvorhaben wurden lediglich neun Vorhaben im Rahmen einer Phase-1-Untersuchung einer vollständigen Prüfung durch die Kommission unterzogen. In keinem der Fälle hat die Kommission ausreichende Anhaltspunkte für ausländische Subventionen die den Binnenmarkt verzerren, festgestellt.

Neben der Kontrolle unter der FSR waren 47 der 53 Zusammenschlussvorhaben auch Gegenstand von europäischen und nationalen Fusionskontrollverfahren. Zudem unterlagen 26 der 53 Zusammenschlussvorhaben der Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in einem oder mehreren Mitgliedsstaaten.

Die untersuchten Fälle reichten von Zusammenschlussvorhaben innerhalb desselben Mitgliedsstaates bis hin zu solchen zwischen EU- und Nicht-EU-Ländern. Die Fälle kamen aus den unterscheidlichsten Sektoren, angefangen bei Basisindustrien über Fashion Retail bis hin zu Bereichen der Hochtechnologie. Als bemerkenswert hebt die Kommission hervor, dass bei rund einem Drittel der Fälle ein Investmentfond als Anmelder beteiligt war.


 

3. Hinweise der Kommission

3.1. Zusammenschlusstatbestand: Richtige Zuordnung der Transaktion

Zusammenschlussvorhaben sind nach der FSR anmeldepflichtig, wenn mindestens eines der beteiligten Unternehmen

(i) in der EU niedergelassen ist,
(ii) einen Gesamtumsatz von mindestens EUR 500 Millionen in der EU erzielt und
(iii) die beteiligten Unternehmen in den drei Jahren vor Vertragsschluss, Veröffentlichung des Übernahmeangebots oder Erwerb der alleinigen Kontrolle gemeinsam drittstaatliche Zuwendungen von insgesamt mehr als EUR 50 Millionen erhalten haben.3

Die Begriffe des Zusammenschlusses und der Beteiligten entsprechen denen der EU-Fusionskontrollverordnung4.

Die Kommission betont die Notwendigkeit der richtigen Zuordnung des jeweiligen Zusammenschlussvorhabens zu dem einschlägigen Zusammenschlusstatbestand. Dies sei unverzichtbar, um zu ermitteln, wer im konkreten Fall die beteiligten Unternehmen seien, deren Umsätze und gewährte Zuwendungen zu berücksichtigen sind. Für die Bewertung der Anmeldepflicht könne es von erheblichem Unterschied sein, ob es auf die Umsätze des Zielunternehmens oder der fusionierenden Unternehmen ankommt.

Die korrekte Zuordnung zu einem der drei Zusammenschlusstatbestände (Kontrollerwerb, Fusion oder Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens) ist auch entscheidend für die Frage, welche drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen (“Zuwendungen”) für die jeweiligen beteiligten Unternehmen angegeben werden müssen.

3.2. Meldepflicht: Differenzierende Angabe von Zuwendungen in der Anmeldung
Die Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens erfolgt anhand des Formulars FS-CO der Durchführungsverordnung zur FSR5. In diesem sind die gewährten drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen anzugeben („Meldepflicht“). Dabei ist zwischen zwei Kategorien von Zuwendungen zu unterscheiden:

  • Zuwendungen, die möglicherweise unter eine der Kategorien des Art. 5 Abs. 1 lit. a-d FSR fallen (“potentielle Art. 5-Zuwendungen”).
  • Andere drittstaatliche Zuwendungen („sonstige Zuwendungen“).

Potentielle Art. 5-Zuwendungen sind gesondert in der Anmeldung auszuweisen und unterliegen strengen Meldepflichten. Sie sind der Kommission im Rahmen der Anmeldung bereits dann mitzuteilen, wenn sie in ihrer Höhe EUR 1 Millionen überschreiten, selbst wenn sie nur das Zielunternehmen betreffen.

Sonstige Zuwendungen unterliegen der Meldepflicht hingegen nur dann, wenn sie

(i) einem der Anmelder gewährt wurden,
(ii) individuell EUR 1 Millionen und
(iii) in ihrer Gesamthöhe mit anderen Zuwendungen EUR 45 Millionen pro Drittstaat übersteigen.

Hintergrund für die Unterscheidung der beiden Zuwendungenskategorien im Rahmen der Meldepflicht ist, dass es sich bei Zuwendungen, die möglicherweise in eine der Kategorien des Art. 5 Abs. 1 FSR fallen, potentiell um drittstaatliche Subventionen mit wettbewerbsverzerrender Wirkung handelt, die im Rahmen der materiellen Prüfung zu berücksichtigen sind.

Die Entscheidung darüber, ob eine Zuwendung tatsächlich als drittstaatliche Subvention zu qualifizieren ist, liegt im Ermessen der Kommission. In der Anmeldung sind daher unter den potentiellen Art. 5-Zuwendungen alle Zuwendungen anzugeben, die – unterstellt es würde sich um eine drittstaatliche Subvention handeln – die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 lit. a-d FSR erfüllen würden. Für die Meldepflicht ist somit unerheblich, ob eine Zuwendung zu marktüblichen Bedingungen gewährt wurde.

Um Unsicherheiten hinsichtlich der korrekten Zuordnung einer Zuwendung zu begegnen, betont die Kommission, dass eine Falschdeklaration einer sonstigen Zuwendung als potentielle Art. 5-Zuwendung in dem Formular FS-CO keine bindende Wirkung hat und einer Bewertung durch die Kommission nicht vorgreift. Im umgekehrten Fall könnte eine Falschdeklaration einer potentiellen Art. 5-Zuwendung als sonstige Zuwendung jedoch einen bußgeldbewährten Verstoß gegen die Meldepflicht nach sich ziehen. Die Kommission empfiehlt daher, bei Unklarheiten das zuständige Case Team zu kontaktieren.

3.3. Schwellenwerte: Unterschiede bei Anmelde- und Meldepflicht

Aufgrund der unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen der zuwendungsbezogenen Schwellenwerte für die Anmeldepflicht einerseits und die Meldepflicht andererseits – für die Anmeldepflicht sind sämtliche Zuwendungen zu berücksichtigen, während für die in der Form FS-CO anzugebenden sonstigen Zuwendungen bestimmte Zuwendungen außer Acht zu lassen sind – kann die Situation entstehen, dass ein Zusammenschluss der Anmeldepflicht unterliegt, während die einzelnen Zuwendungen nicht meldepflichtig sind.

In solchen Fällen erwartet die Kommission von den Anmeldern, dass diese das Überschreiten des Anmeldeschwellenwerts darlegen und begründen, warum die Zuwendungen nicht meldepflichtig sind. Hierdurch könnten Verfahrensverzögerungen vermieden werden.

3.4. Investmentfonds

Angesichts der hohen Beteiligungsquote von Investmentfonds an den bisherigen Pränotifizierungsgesprächen ist auf die Klarstellungen der Kommission hierzu ein besonderes Augenmerk zu legen.

Die Kommission betont, dass in der Anmeldung alle Zuwendungen als potentielle Art. 5-Zuwendungen offengelegt werden müssen, die zur Finanzierung einer Transaktion verwendet werden bzw. die der Transaktion zugutekommen. Es sei dabei nicht erforderlich, dass das betreffende Drittland die Absicht hat, die Transaktion zu erleichtern. Unter die Offenlegungspflicht fielen daher auch Zuwendungen von Drittstaaten, die einem Investmentfond als “limited partner investments” gewährt wurden, da diese typischerweise der Ausstattung von Investmentfonds mit finanziellen Ressourcen dienen.

3.5. Zuwendungen an ein notleidendes Unternehmen

In Bezug auf Zuwendungen an notleidende Unternehmen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 lit. a FSR führt die Kommission aus, dass die Frage, ob ein Unternehmen notleidend ist, für jede juristische Person individuell zu bewerten ist. Selbst wenn die Unternehmensgruppe insgesamt nicht als notleidend einzustufen sei, könne dies dennoch für eine einzelne juristische Person zutreffen.

Darüber hinaus erklärt die Kommission, Zuwendungen an notleidende Unternehmen unterlägen nur dann der Meldepflicht gemäß Abschnitt 5.2 des Formulars FS-CO, wenn sie potentiell dazu beigetragen hätten, die Rentabilität des Unternehmens wiederherzustellen. Hierzu zählten auch vorübergehende Liquiditätshilfen zur Aufrechterhaltung der Existenz der juristischen Person während der Erstellung eines Umstrukturierungs- oder Abwicklungsplans.

3.6. Die Ausnahmen nach Ziffern 6 und 7 der “Hinweise”

Die Kommission stellt eine sehr positive Resonzanz zu den im Rahmen des Konsultationsprozesses eingeführten Ausnahmen zu den meldepflichtigen sonstigen Zuwendungen fest, die in den Ziffern 6 und 7 der “Hinweise”6  der Durchführungsverordnung niedergelegt sind.

Ziffer 6 der Hinweise umfasst im Wesentlichen steuerbezogene Zuwendungen, Beschaffungs- und Verkaufsgeschäfte von Waren bzw. Dienstleistungen zu Marktbedingungen sowie sonstige Zuwendungen, deren jeweilige Höhe weniger als EUR 1 Mio. beträgt.

Ziffer 7 der Hinweise stellt eine Sonderregelung für Erwerbsvorgänge durch Investmentsfonds dar.

Laut Kommission sei eine deutliche Erleichterung für den administrativen Aufwand nach Angaben der Anmelder insbesondere bezüglich der Verträge zu Marktbedingungen festzustellen.

Gleichzeitig betont die Kommission, dass die Ausnahmen eng auszulegen und abschließend zu verstehen seien. Bei Ausnahmen nach Ziffer 6 müssten zudem die Anmelder im Rahmen der Selbsteinschätzung entscheiden, ob die fragliche Zuwendung unter diesen Ausnahmetatbestand zu subsumieren sei. Ausnahmen nach Ziffer 7 der Hinweise müssten hingegen von den Anmeldern gegenüber der Kommission geltend gemacht und begründet werden.


 

4. Fazit & Ausblick

Auch nach Inkrafttreten der Verordnung besteht bei Unternehmen und Investoren eine große Unsicherheit in Bezug auf den Anwendungsbereich der Foreign Subsidies Regulation. Dies zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass für 53 Vorhaben Pränotifizierungsgespräche geführt wurden, von denen nur 14 formell anmeldepflichtig waren. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Erläuterungen und Hinweise der Kommission sowie die laufend aktualisierten Q&A den Unternehmen eine bessere Selbsteinschätzung erlauben.

Mit Spannung ist daher weiterhin der Erlass von Leitlinien zu erwarten. Mit diesen ist jedoch nicht in nächster Zeit zu rechnen, die Kommission hat bisher keinen Termin in Aussicht gestellt. Die Frist zum Erlass von Leitlinien läuft erst am 12.01.2026 ab.


 

1 Verordnung (EU) 2022/2560 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (“Verordnung” oder “FSR”)
2 Art. 20 FSR
3 Art. 20 Abs. 3 FSR
4 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen
5 Durchführungsverordnung (EU) 2023/1441 der Kommission vom 10. Juli 2023 zur Festlegung detaillierter Vorschriften für die Durchführung von Verfahren nach der Verordnung (EU) 2022/2560 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen durch die Kommission.
6 Durchführungsverordnung, Hinweise für Angaben zu drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen, die in keine der Kategorien nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a bis e fallen (Abschnitt 5.3) (“Hinweise”)

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