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Aufsichtsrechtliche Risiken für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors

Teil 1: Finanztransfergeschäft

Im Rahmen dieser Beitragsreihe stellen wir Konstellationen vor, in denen auch Unternehmen, die nicht dem Finanzsektor angehören, mit aufsichtsrechtlichen Fragen in Berührung kommen können. Vorliegend geht es um das Finanztransfergeschäft, das grundsätzlich bei jeder Übermittlung eines Geldbetrags zu einer Erlaubnispflicht führen kann.

Häufig ist es ökonomisch sehr naheliegend, dass ein Schuldner einen geschuldeten Geldbetrag nicht direkt an seinen Gläubiger übermittelt (z.B. überweist), sondern für die Zahlungsabwicklung einen Dritten eingeschaltet.

Vielfach ist ein solcher Dritter „näher am Kunden“ oder verfügt ohnehin über die erforderliche Infrastruktur, um Gelder ohne Aufwand weiterzuleiten. Zum Teil bietet es sich auch an, einen Dritten formal als zusätzliche Partei zwischenzuschalten, um die Anzahl der an einen bestimmten Schuldner gerichteten Rechnungen zu reduzieren.

Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive besteht bei derartigen Sachverhalten allerdings die Gefahr, dass ungewollt der Tatbestand eines Finanztransfergeschäfts im Sinne des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes („ZAG“) erfüllt wird.

 

Tatbestand des Finanztransfergeschäfts

Das Finanztransfergeschäft ist in § 1 Satz 2 Nr. 6 ZAG definiert. Die relativ komplexe Definition lässt sich verkürzt so fassen, dass jede Einschaltung eines Dritten zur Übermittlung eines Geldbetrages vom Schuldner (Zahler) an den Gläubiger (Zahlungsempfänger) grundsätzlich erlaubnispflichtig ist.

Der Tatbestand dient damit als Auffangtatbestand, um Konstellationen zu erfassen, die nicht von anderen Tatbeständen des ZAG abgedeckt werden – und damit letztendlich dazu, aufsichtsrechtliche Lücken zu schließen.

Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob der der Dritte vom Zahler oder Zahlungsempfänger eingeschaltet wird, wie die zeitliche Abfolge der Zahlungen ist, welcher Zahlungsweg genutzt wird und ob der Dritte formal selbst in die Position des Gläubigers oder Schuldners eintritt.

Angesichts dieser weitreichenden Definition besteht in vielen alltäglichen Konstellation des Wirtschaftslebens zumindest das Risiko des Vorliegens eines erlaubnispflichtigen Finanztransfergeschäfts – mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.

 

Aufsichtsschwerpunkt

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) hat die Bekämpfung des unerlaubt betriebenen Finanztransfergeschäfts und die Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung beim Finanztransfergeschäft zu einem Aufsichtsschwerpunkt für das Jahr 2020 erklärt.

Dies unterstreicht die besondere Bedeutung, die dem Finanztransfergeschäft seitens der Aufsichtsbehörden eingeräumt wird. Es ist damit zu rechnen, dass sich die Aufsichtsintensität in diesem Bereich in der kommenden Zeit noch einmal erhöht.

 

Typische Fallkonstellationen

In der jüngeren Vergangenheit wurde das Finanztransfergeschäft in einer Reihe von Fallkonstellationen zumindest thematisiert oder war sogar Gegenstand konkreter aufsichtsrechtlicher Maßnahmen.

Ein häufig anzutreffender Fall ist in diesem Kontext die „Bündelung“ von Leistungsbeziehungen bei einem Dienstleister, die zum Ziel hat, dass der Kunde viele verschiedene Leistungen mit nur einer Zahlung bezahlt. In diesen Konstellationen rechnet ein Gläubiger Leistungen von anderen Gläubigern (in eigenem oder fremden Namen) mit ab und der Kunde zahlt nur einen Gesamtbetrag. Überall dort, wo „alles aus einer Hand“ draufsteht, liegt deshalb die Annahme eines Finanztransfergeschäfts nicht fern.

In diesem Zusammenhang hat die BaFin beispielsweise die „Full-Service-Angebote“ von Leasingunternehmen ins Auge gefasst näher untersucht. Die Frage, ob und für welche Serviceangebote Leasingunternehmen eine (zusätzliche) Erlaubnis nach ZAG benötigen, wird derzeit noch diskutiert.

Ein besonderer Bedarf zur Bündelung von Zahlungsströmen kann sich auch innerhalb von Unternehmensgruppen ergeben. In vielen Fällen ist es wirtschaftlich sinnvoll, dass nur ein Gruppenunternehmen im Verhältnis zu Kunden, Geschäftspartnern und Banken Zahlungen abwickelt. Zwar können derartige Konstellationen unter Umständen von dem im ZAG verankerten sog. Konzernprivileg profitieren. Die BaFin legt das Konzernprivileg allerdings sehr restriktiv aus. Für die unternehmerische Praxis ist es daher von erheblicher Bedeutung sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Konzernprivilegs, auf die sich die BaFin und verschiedene Unternehmensverbände geeinigt haben, beachtet werden.

Schließlich sind Fallgestaltungen zu nennen, bei denen ein (erhöhtes) Missbrauchsrisiko zumindest naheliegt. Dies gilt bspw. für die Nutzung von deutschen Girokonten für den Transfer von Geldern aus Deutschland ins Ausland, etwa zum Zwecke einer Beteiligung an Geschäften mit Kryptowährungen oder Wertpapiergeschäften. Ebenso können Verrechnungs- und Vertrauenssysteme genannt werden, zum Beispiel sog. Hawala-Systeme, die aufgrund ihrer Intransparenz naturgemäß für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung besonders anfällig sind.

Gegen die beiden letztgenannten Fallgestaltungen sind die BaFin und die Strafverfolgungsbehörden in der jüngeren Vergangenheit verstärkt eingeschritten. Unternehmen sollten deshalb nicht nur in diesen Konstellationen beim Transfer von Geldern für ihre Kunden besondere Vorsicht walten lassen und eine mögliche Erlaubnispflicht ihrer Tätigkeiten im Blick behalten.

 

Einschneidende Konsequenzen

Wenn und soweit Dienste, die als Finanztransfergeschäft zu qualifizieren sind, gewerblich oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, erbracht werden, ist eine Erlaubnis der zuständigen Aufsichtsbehörden erforderlich.

Die Erbringung des Finanztransfergeschäfts ohne eine entsprechende Erlaubnis zieht einschneidende Konsequenzen nach sich. Diese reichen von einem behördlichen Einschreiten über die Verhängung von Sanktionen nach den einschlägigen Straf- und Bußgeldvorschriften bis hin zur persönlichen (zivilrechtlichen) Haftung der handelnden Personen – und können zusätzlich erheblichen Reputationsverlust nach sich ziehen.

Es empfiehlt sich daher bei jeder wirtschaftlich noch so sinnvollen Gestaltung, die eine Übermittlung von Geldbeträgen zum Gegenstand hat, das Risiko einer Qualifikation als Finanztransfergeschäft abzuklären um festzustellen, ob die vorgesehenen oder bereits durchgeführten Dienste eine Erlaubnispflicht auslösen und/oder eine solche gegebenenfalls vermieden werden kann. Nur so kann gesetzeskonformes Verhalten sichergestellt werden.

 

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