Halteprämien

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Halteprämien in Instituten nach der IVV 3.0

Regula­torische Vorgaben und Gestaltungs­möglich­keiten

Spielräume bei der bedarfsgerechten Ausgestaltung von Halteprämien unter Berücksichtigung aufsichts- und arbeitsrechtlicher Rahmenbedingungen

1. HR-Überlegungen als Ausgangspunkt

Institute haben Halteprämien als Instrument zur Bindung von ausgewählten Mitarbeitern wiederentdeckt. Die Gründe für die intendierte Bindung sind vielfältig: Sie reichen von der Sicherstellung von produkt- bzw. marktbezogenem Know-how bei der Konzeptionierung bzw. Weiterentwicklung von neuen Produkten oder beim Auf- bzw. Ausbau von neuen Geschäftsfeldern sowie bei Reorganisationsmaßnahmen bis hin zur nachhaltigen Bindung von personengebundenen Kundenkontakten an das Institut.

Ein besonderes Interesse an einer längerfristigen Bindung kann insbesondere auch bei Transaktionen gegeben sein, in denen ausgewählte Mitarbeiter für die transaktionsrelevanten Geschäftsbereiche maßgebliche Kunden-Accounts und Umsätze verantworten und der Verbleib eben dieser Mitarbeiter für den Erwerber für die operative Fortführung des Geschäftsbereichs und dessen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg von wesentlicher Bedeutung ist.

Die gewünschte Bindungsdauer und die inhaltliche Ausgestaltung der Halteprämie korrelieren meist mit dem Bindungsgrund: Die intendierte Dauer kann von wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren betragen. Inhaltlich sollen die Anreizwirkungen zur fortgesetzten Tätigkeit für das Institut durch Einmalzahlungen oder durch fortgesetzte – ratierliche – Abschlagszahlungen gesetzt werden.

2. Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen

Die aufsichtsrechtlich relevante Dimension von Halteprämien findet ihre gesetzliche Regelung unter anderem in der Neufassung der Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten, die am 4. August 2017 in Kraft getreten ist (Institutsvergütungsverordnung, IVV) und die bankaufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen für die Vergütungssysteme von Instituten und Finanzdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Deutschland regelt. Zu dieser hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am 16. Februar 2018 eine Auslegungshilfe veröffentlicht, die Hinweise zur Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen gibt.

Die Vereinbarkeit der Ausgestaltung von Halteprämien mit den aufsichtsrechtlichen Vorgaben ist unter anderem Gegenstand der Jahresabschlussprüfung (§ 12 Prüfberichtsverordnung).

Halteprämien beinhalten nach der IVV einen variablen Vergütungsbestandteil (§ 2 Abs. 3 IVV), da die fortgesetzte Tätigkeit bis zum relevanten Stichtag eine Bedingung für ihre – endgültige – Gewährung darstellt. Sie sind daher unter anderem bei der Ermittlung und Festsetzung des Gesamtbetrags der variablen Vergütung (§ 7 IVV) sowie des Verhältnisses zwischen fixer und variabler Vergütung (§ 6 IVV) zu berücksichtigen. Halteprämien müssen nicht zwingend mit Zielparametern versehen sein. Erforderlich und zugleich hinreichend ist, dass das das Institut ein berechtigtes Interesse an der Gewährung der Halteprämien an den jeweiligen Mitarbeiter begründen und dokumentieren kann (§ 5 Abs. 7 S. 1 IVV). Das „berechtigte Interesse“ ist in § 5 Abs. 7 IVV nicht näher bestimmt. Die BaFin beschränkt sich in der Auslegungshilfe zu § 5 Abs. 7 IVV auf die Verlautbarung von Regelbeispielen, die typischerweise mit einem berechtigten Interesse einhergehen können sollen (Restrukturierung, Abwicklung oder Kontrollwechsel). Erforderlich und zugleich hinreichend für das berechtigte Interesse ist danach, dass die mit der Halteprämie incentivierte Bindung des Mitarbeiters einen unmittelbaren, positiven, nachhaltigen Bezug zum operativen Geschäftsbetrieb des Instituts aufweist.

Eine Halteprämie kann hiernach bei Reorganisationsmaßnahmen nicht nur Mitarbeitern gewährt werden, deren Tätigkeit für das Institut im Hinblick auf die bzw. für Zeiträume nach der Restrukturierungsmaßnahme operativ erforderlich ist. Sie kommt vielmehr auch für Mitarbeiter in Betracht, die hinsichtlich einer konkreten Restrukturierungsmaßnahme essentielle Wertbeiträge geleistet haben und dabei ein institutsspezifisches Wissen (etwa über das mit der Reorganisation überarbeitete Risikomanagementsystem) erlangt haben, an dessen fortgesetzter Nutzbarkeit für Zeiträume nach der Beendigung der Restrukturierung das Institut ein objektiv nachvollziehbares Interesse geltend machen kann.

Die BaFin fordert in der Auslegungshilfe zudem, dass die Halteprämie generell erst am Ende des Bindungszeitraums gewährt wird und der Bindungszeitraum grundsätzlich eine mindestens einjährige Dauer aufweist. Diese Anforderungen finden jedoch keine Stütze im Gesetz: Die mit der Halteprämie bezweckte Bindungswirkung kann auch bei einer (ratierlichen) Auszahlung der Halteprämie vor Ende bzw. während des Bindungszeitraums herbeigeführt werden, wenn das Institut gegen den jeweiligen Mitarbeiter für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens während des Bindungszeitraums einen arbeitsrechtlichen Rückzahlungsanspruch durchsetzen kann. Ein kürzerer als ein einjähriger Bindungszeitraum kommt in Betracht, wenn der Bindungszweck bereits mit diesem kürzeren Zeitraum erfüllt werden kann; etwa wenn der ausgewählte Mitarbeiter bei einer Transaktion den Eintritt bestimmter Vollzugsbedingungen sicherstellen soll und der Kaufvertrag für eben diesen Vollzug einen Zeitraum von sechs Monaten ab der Vertragsunterzeichnung vorsieht.

Bedeutende Institute nach Maßgabe des § 17 IVV haben bei der Gewährung der Halteprämien an Risk Taker zudem die Anforderungen der §§ 18 Abs. 5, 20 IVV zu beachten. Die Malus- und clawback-bezogene nachträgliche Risikoadjustierung kann dabei den besonderen Charakter der Halteprämie berücksichtigen. Eine Kürzung aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Instituts kann damit auf Fallgruppen fokussiert werden, in denen der konkrete Zweck der Retention-Zahlung mit Blick auf eine etwaige schlechte wirtschaftliche Lage bei ex post-Betrachtung als verfehlt bzw. nicht erreicht angesehen werden kann.

3. Arbeitsrechtliche Eckpfeiler der inhaltlichen Ausgestaltung

Halteprämien stellen arbeitsrechtlich Sonderzahlungen mit Gratifikationscharakter dar. Soll die Halteprämie bereits vor Ende bzw. während des Bindungszeitraums gewährt werden und ist sie aus diesem Grund mit einem Vorbehalt der Rückzahlung versehen, hat das Institut bei der Ausgestaltung die vom Bundesarbeitsgericht (BAG) aufgestellten Grundsätze für die Rückzahlung von Gratifikationszahlungen aufgrund vorzeitigen Ausscheidens zu beachten. Der Absicherung über eine Rückzahlungsklausel ag sind deshalb generell nur Beendigungstatbestände zugänglich, die vom Arbeitnehmer forciert sind. Das BAG hat Rückzahlungsverpflichtungen – und damit verbunden den arbeitsrechtlich zulässigen Bindungszeitraum – bisher bei Halteprämien von mindestens einem Bruttomonatsgehalt von bis sechs Monaten explizit für wirksam erachtet. Bei Halteprämien von mindestens zwei Bruttomonatsgehältern kann im Einzelfall ein Bindungszeitraum von über sechs Monaten – ggf. bis zu neun Monaten – zulässig sein. Darüber hinaus gehende Bindungszeiträume sind arbeitsrechtlich nur dann zulässig, wenn die Halteprämie einen Betrag von zwei Bruttomonatsgehältern signifikant übersteigt.

4. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz

Institute haben bei der Gewährung der Halteprämie den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Als Abgrenzungskriterium für die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der nicht begünstigten Mitarbeiter gegenüber den ausgewählten Mitarbeitern kann generell das berechtigte Interesse herangezogen werden.

Institute haben daher das berechtigte Interesse und den Kreis der ausgewählten Mitarbeiter sorgfältig und transparent zu bestimmen. Zulässig ist es hiernach zum Beispiel, den Kreis der ausgewählten Mitarbeiter nach Leistungskriterien zu bestimmen.

5. Zusammenfassung

Die arbeitsrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Konzeptionierung, Gestaltung und Implementierung von Halteprämien sind vielschichtig, bieten aber ausreichend Raum für bedarfsgerechte Modelle.

Eine Vielzahl von Instituten haben seit dem Inkrafttreten der aktuellen Fassung der IVV 3.0 effiziente Halteprämienkonzepte entwickeln und umsetzen können, die den gesetzlichen Rahmenbedingungen und den Vorgaben der Auslegungshilfe genügen.

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