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Sound Compensation@ARUG II & DCGK

Aktuelle Themenfelder bei der Umsetzung der neuen Vorgaben an die Vergütung von Vorständen in börsennotierten Gesellschaften

Börsennotierte Gesellschaften haben aktuell die neuen Vorgaben des ARUG II und des überarbeiteten DCGK für das Vorstandsvergütungssystem umzusetzen. In diesem Client Alert erörtern wir ausgewählte Themenfelder bei der Umsetzung der Vorgaben.

Die Ausgestaltung des (abstrakten) Vergütungssystems: § 87a AktG und sein Zusammenspiel mit Abschnitt G DCGK

§ 87a Abs. 1 S. 2 AktG bestimmt für das (abstrakte) Vergütungssystem in den Ziffern 1 bis 11 einen Katalog von Parametern, auf die im Vergütungssystem selber und in seiner Darstellung einzugehen ist. Der Katalog folgt einem Regel-Ausnahme-Grundsatz: Generell hat das Vergütungssystem (nur) Angaben zu den Parametern aus dem Katalog in Bezug auf die einzelnen Vergütungsbestandteile zu enthalten, die tatsächlich vorgesehen sind. Parameter aus dem Katalog, die nicht Gegenstand der konkreten Vorstandsvergütung sind, braucht das Unternehmen nicht in das Vergütungssystem nach § 87a AktG aufzunehmen. Zwingend sind nur die folgenden Parameter in das Vergütungssystem aufzunehmen: (1) Festlegung der Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder (Nr. 1), (2) Erläuterung der Berücksichtigung der Vergütungs- und Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer bei der Festsetzung des Vergütungssystems (Nr. 9), (3) Darstellung des Verfahrens zur Fest- und zur Umsetzung sowie zur Überprüfung des Vergütungssystems (Nr. 10) und (4) die in Nr. 11 für die Vorlage des Vergütungssystems der Hauptversammlung bestimmten Angaben.

Diesen Regel-Ausnahme-Grundsatz weicht die Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) faktisch teilweise wieder auf. Der DCGK enthält im Abschnitt G mehrere Empfehlungen für die Ausgestaltung der Vorstandsvergütung, die zugleich Gegenstand des Katalogs nach § 87a Abs. 1 S. 2 AktG sind. Dies betrifft etwa die Empfehlungen (1) der Angaben, welche finanziellen und nichtfinanziellen Leistungskriterien für die Gewährung variabler Vergütungsbestandteile maßgeblich sind (G.1 DCGK, § 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG) bzw. (2) zu Aufschubzeiten für die Auszahlung von Vergütungsbestandteilen (G.1 DCGK, § 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 AktG) oder (3) der überwiegenden Ausgestaltung der variablen Vergütung in Aktien oder aktienbasiert (G.10 DCGK, § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 AktG). Die Unternehmen haben in ihrer im Bundesanzeiger zu veröffentlichenden jährlichen Entsprechenserklärung auszuführen, in welchem Umfang sie dem DCGK folgen, und welche Empfehlungen des DCGK sie nicht anwenden und warum nicht (§ 161 Abs. 1 S. 2 AktG). Die mit der Entsprechenserklärung begründete Transparenzpflicht hat in der Vergangenheit bewirkt, dass viele börsennotierte Unternehmen einen großen Teil der Empfehlungen aus dem Kodex zur Vorstandsvergütung befolgt haben. Auch für die Umsetzung der Neufassung des DCGK ist eine vergleichbare Vorgehensweise bei vielen börsennotierten Unternehmen zu verzeichnen – mit der Folge, dass die bereits veröffentlichten Vergütungssysteme oft Angaben zu allen Parametern des Katalogs des § 87a Abs. 1 S. 2 AktG enthalten.


„Comply or Explain“ – in bedarfsgerechter Anwendung für das individuelle Vorstandsvergütungssystem

Im Einzelfall kann es geboten sein, bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Vorstandsvergütung von den Empfehlungen des DCGK abzuweichen. Dies vor allem dann, wenn der vom DCGK mit der jeweiligen Empfehlung verfolgte Zweck für die konkrete Vorstandsvergütung nicht in der vom DCGK intendierten Weise erfüllt werden kann oder nicht relevant ist. Die Aufnahme von Regelungen zur Rückforderung von bereits ausgezahlten variablen Vergütungsbestandteilen (Clawback, G.11 DCGK) kann im Einzelfall nicht relevant sein, wenn die vom DCGK mit einer Clawback-Regelung typischerweise verknüpfte Fallkonstellation – Verwirklichung eines vergütungsrelevanten negativen Erfolgsbeitrags erst in einem Folgereferenzzeitraum nach der Auszahlung des variablen Vergütungsbestandteils – beim Unternehmen generell nicht eintreten kann, etwa mit Blick auf das risikoaverse operative Geschäft oder auf die Risikostrategie. Der DCGK erkennt für solche Fälle eine zulässige Abweichung von seinen Empfehlungen selbst an und führt in seiner Präambel hierzu aus, dass eine gut begründete Abweichung von einer Kodexempfehlung im Interesse einer guten Unternehmensführung liegen kann. Die Begründung der Abweichung muss sachbezogene, rationale und am Unternehmenswohl orientierte Erwägungen erkennen lassen – und sollte bereits zusammen mit der Erarbeitung des Vergütungssystems nach § 87a AktG dokumentiert werden.


Die Angemessenheitsprüfung nach §§ 87 Abs. 1 S. 1, 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG, G.2 ff. DCGK

Die Prüfung der horizontalen und vertikalen Angemessenheit der bestehenden und vorgesehenen Vorstandsvergütung ist zentraler Bestandteil der Überarbeitung der (Regeln) zur Vorstandsvergütung.

Die Prüfung der horizontalen Angemessenheit hat der Aufsichtsrat anhand einer geeigneten Vergleichsgruppe aus anderen Unternehmen (Peer-Group) vorzunehmen, die in Bezug auf den konkreten produktbezogenen und geografischen Markt, die Branche und die Größe mit dem Unternehmen vergleichbar ist. Die Peer-Group soll gemäß G.3 DCGK mit Bedacht gewählt werden, damit es nicht zu einer automatischen Aufwärtsentwicklung der Vergütung („Race to the Top“) kommt.

Die Peer Group muss nicht nur Unternehmen aus dem unmittelbaren Branchen-Marktumfeld (die es oft gar nicht gibt), sondern kann auch branchenfremde – nicht börsennotierte – Unternehmen berücksichtigen, die eine vergleichbare Größe in Bezug auf die Anzahl der Mitarbeiter und den Umsatz aufweisen. Diese Kennzahlen für die Größe eines Unternehmens sind maßgeblich für die angemessene Vergütungshöhe und damit als Beurteilungskriterium zum Zweck des Vergütungsvergleiches etabliert. Dabei hat insbesondere die Unternehmensgröße den stärksten Einfluss auf Höhe sowie Bandbreite der Vorstandsbezüge.

Etwaige Abweichungen der Gesamtvergütung des Vorstands gegenüber der Peer Group hat der Aufsichtsrat in der Dokumentation der Angemessenheitsprüfung plausibel zu begründen.

Die Prüfung der vertikalen Angemessenheit bezieht sich auf das Verhältnis der Vorstandsvergütung zur Vergütung des oberen Führungskreises und der Belegschaft insgesamt und hat das Verhältnis auch in der zeitlichen Entwicklung zu berücksichtigen (G.4 DCGK). Der obere Führungskreis umfasst in der Regel die erste Berichtsebene; im Einzelfall kann der Aufsichtsrat auch eine erweiterte Vergleichsgruppe aufstellen. Die zeitliche Entwicklung sollte in der konkreten Prüfung mindestens einen dreijährigen Referenzzeitraum umfassen; mit Blick auf die für den Vergütungsbericht nach § 162 Abs. 1 S. 2 AktG anzusetzende fünfjährige Referenzperiode sollte praktisch ein mindestens fünfjähriger Zeitraum angesetzt werden.


(Vorübergehende) Abweichungen vom Vergütungssystem – und ihre Dokumentation im Vergütungssystem (§ 87a Abs. 2 AktG)

Gemäß § 87a Abs. 2 S. 2 AktG kann der Aufsichtsrat (nur) vorübergehend von dem Vergütungssystem abweichen, wenn dies im Interesse des langfristigen Wohlergehens des Unternehmens notwendig ist und das Vergütungssystem das Verfahren des Abweichens sowie die Bestandteile des Vergütungssystems, von denen abgewichen werden kann, benennt. Die Gründe für die vorübergehende Abweichung in der Praxis können vielfältig sein – zugleich erfordert die gesetzliche Vorgabe des § 87a Abs. 2 S. 2 AktG eine umfassende Reflektion möglicher Abweichungsszenarien bereits bei der Erstellung des Vergütungssystems. Außerdem soll der Anwendungsbereich der ausnahmsweisen Abweichung nur auf besondere Krisensituationen der Gesellschaft beschränken werden. In der Praxis bietet sich hier grundsätzlich eine kombinierte Vorgehensweise an: Das Vergütungssystem sollte einerseits konkrete Fallkonstellationen für eine erforderliche Abweichung im Einzelfall benennen (z.B. Berufung und Anstellung eines neuen Vorstandsmitglieds in etwaigen Krisensituationen der Gesellschaft, die im Einzelfall besondere Vergütungsanreize oder Modifikationen der allgemeinen Systematik des Vergütungssystems erforderlich macht). Zugleich sollte das Vergütungssystem die konkret definierten Fallgruppen als Regelbeispiele ausgestalten, um im konkreten besonderen Einzelfall eine hinreichend flexible Gestaltungsmöglichkeit – in Übereinstimmung mit dem verabschiedeten Vergütungssystem – zu haben. Sign on-Boni, die von neuen Vorstandsmitgliedern bei der Berufung und Anstellung in der Krise des Unternehmens mitunter gefordert werden, sind in diesem Zusammenhang besonders sorgfältig zu behandeln. Ihre Gewährung muss gemäß den Vorgaben des § 87a Abs. 2 S. 2 AktG dem Grunde, wenn auch nicht der Höhe nach, bereits im Vergütungssystem angelegt sein.

Nach § 120a Abs. 1 AktG muss die Hauptversammlung das Vergütungssystem billigen. Verweigert sie ihre Zustimmung – wie basierend auf der Empfehlung von Stimmrechtsberatern aus Gründen mangelnder Transparenz erst jüngst geschehen – ist das Vergütungssystem zu überarbeiten und erneut zur Billigung vorzulegen. Dies erzeugt in diesem wahrnehmungssensiblen Bereich kein gutes Bild in der Öffentlichkeit. Auch aus diesem Grund ist bei der Ausgestaltung und Darstellung des Vergütungssystems besondere Sorgfalt geboten.


Fazit

Börsennotierte Unternehmen haben die Vorgaben des ARUG II, des DCGK und die untereinander bestehenden Wechselbeziehungen bei der Umsetzung der konkreten Vorstandsvergütung sorgfältig zu beachten und die konkreten Regelungsinhalte – unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Regelungszwecks und der daraus resultierenden Argumentationsspielräume – sorgfältig in dem für ihre Vorstandsmitglieder vorgesehenen Vergütungssystem umzusetzen.
 

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