Turboliquidation in den Niederlanden

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Turbo­liquidation in den Nieder­landen

Geplante Gesetzes­änderungen

Für betrügerische Unternehmer in den Niederlanden wird es wohl bald schwieriger, sich durch "Turboliquidation" dem Zugriff ihrer Gläubiger zu entziehen. Inhaber sollen die beschleunigte Auflösung einer Gesellschaft im Wege einer Turboliquidation zukünftig im Voraus ankündigen und die Gründe für deren Notwendigkeit besser erläutern müssen. Dies soll dazu beitragen, Gläubigern die Möglichkeit zu verschaffen, ihr Geld zurückzuerhalten.


Nach derzeitiger Rechtslage ist Betrug mit sogenannten "plof-bv's" und "Turboliquidation" in den Niederlanden recht einfach. Bislang können betrügerische Unternehmer das Instrument einsetzen, um die Durchsetzung von Forderungen ihrer Gläubiger zu vermeiden. Der niederländische Minister Sander Dekker hat eine Gesetzesänderung angekündigt, die zum Ziel hat, den Missbrauch dieses Instruments zu bekämpfen.

Für betrügerische Unternehmer in den Niederlanden dürfte es bald schwieriger werden, durch "Turboliquidation" dem Zugriff ihrer Gläubiger zu entgehen.

Zukünftig sollen Inhaber, die eine beschleunigte Auflösung/Abwicklung einer Gesellschaft im Wege einer Turboliquidation planen, diese im Voraus ankündigen und die Gründe für deren Notwendigkeit besser erläutern müssen. Dies soll dazu beitragen, Gläubigern die Möglichkeit zu verschaffen, ihr Geld zurückzuerhalten. Das niederländische Ministerium für Justiz und Sicherheit hofft, dass damit der Anstieg des Betrugs mit sogenannten Plof-BV's (von Niederländisch ploffen = platzen, knallen, zerbersten) gestoppt wird.

Der zuständige Minister Sander Dekker schreibt am 7. Oktober 2019 an die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments, dass er an einer Gesetzesänderung arbeite.

Die Möglichkeit der Durchführung einer Turboliquidation, einer schnellen Auflösung eines Unternehmens ohne förmliches Liquidationsverfahren, gibt es in den Niederlanden seit 1994. Das Instrument sollte Unternehmern Kosten und Bürokratie ersparen, wenn die Aktivitäten eines Unternehmens eingestellt wurden und keine Vermögensgegenstände mehr vorhanden sind. Jedoch habe es die Einfachheit des Verfahrens viel zu leicht gemacht, dieses zu missbrauchen, sagt Minister Dekker. 

Verfahren der Turboliquidation

Im Falle einer Turboliquidation beschließt die Gesellschafterversammlung die Auflösung der Gesellschaft. Der Geschäftsführer unterrichtet die Handelskammer von der Auflösung und unterzeichnet ein Formular, mit dem er erklärt, dass keine Vermögensgegenstände mehr vorhanden sind. Mehr ist nicht erforderlich. Vergleichbare Rechtsinstitute stehen in Deutschland nicht zur Verfügung - sieht man einmal von Versuchen ab, das Löschungsverfahren nach § 141 a FGG für diese Zwecke einzusetzen.

Im Jahr 2018 registrierte die niederländische Handelskammer fast 37.000 Auflösungsbeschlüsse, davon 33.000 "Turboliquidationen". Das Ministerium für Justiz und Sicherheit weiß nicht, wie oft in diesem Zusammenhang betrügerisches Verhalten vorlag. Auf der Grundlage der Zahlen für den Zeitraum 2010-2016 schätzt die Steuer- und Zollverwaltung, dass jede fünfte Turboliquidation betrügerischer Natur gewesen sein könnte.

Nach einer in der niederländischen rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen Auffassung soll der Missbrauch der Turboliquidation „bemerkenswert einfach" sein. Dies – gepaart mit einer stärkeren Fokussierung der Verfolgungsbehörden auf Tatbestände der Insolvenzverschleppung und des Insolvenzbetrugs – führe zu einem Ansteigen der Missbrauchsfälle. Andere meinen, die bislang nicht statistisch erhobene Anzahl der tatsächlichen Missbrauchsfälle rechtfertigen nicht die Abschaffung eines für eine für sich genommen sinnvolle schnelle Abwicklung von vermögenslosen Gesellschaften geschaffenen Rechtsinstituts.

Besserer Schutz

Minister Dekker will nun im Rahmen einer Gesetzesänderung den Prozess der Turboliquidation transparenter machen. „In der aktuellen Situation werden die Gläubiger nicht informiert und erfahren erst im Laufe der Zeit, dass sie ihre Forderungen vergessen können. Sie werden bald besser geschützt sein", sagt Dekker. In einem Brief an die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments schreibt Dekker: "Ein Unternehmen, das eine Turboliquidation beabsichtigt, muss in Zukunft mehr Informationen liefern, um die Notwendigkeit der Turboliquidation zu rechtfertigen. So wird die Geschäftsleitung beispielsweise verpflichtet sein, eine endgültige Bilanz aufstellen zu lassen, mit Erläuterungen dazu, warum in der Bilanz kein Vermögen (mehr) ausgewiesen wird. Die Gesellschaft muss auch Einblick in ihren Jahresabschluss gewähren. In den Vorjahren vollzogene oder eingetretene Änderungen des Vermögens wären dann leichter zu kontrollieren.“

Umsetzung

Wie genau der Minister dies bewerkstelligen will, hat er noch nicht mitgeteilt. Dekker ist jedoch der Meinung, dass Gläubiger einer Turboliquidation vor Gericht nun leichter entgegenwirken können. Es solle auch einfacher werden, z.B. Geschäftsleitungsorgane wegen Betrug zu belangen. „Ob die Gläubiger dies auch tun wollen, liegt in ihrer eigenen Verantwortung", sagt Dekker.

Fazit

Auch nach der eigenen Erfahrung der Verfasser wurde das Verfahren der Turboliquidation in der Vergangenheit auch missbräuchlich eingesetzt, etwa um Gesellschaften einer Inanspruchnahme aus von ihnen gewährten persönlichen Sicherheiten zu entziehen, in dem zunächst sogenannte asset stripping-Maßnahmen durchgeführt wurden und die Gesellschaft sodann still, heimlich und schnell turbo-abgewickelt wurde. Die hiermit verbundene Schädigung von Gläubigern war beträchtlich. Vor diesem Hintergrund wäre eine Gesetzesänderung, durch die Missbrauch ein Riegel vorgeschoben wird, durchaus zu begrüßen.

Zuzugeben ist den Kritikern gegenüber allerdings, dass das Verfahren für normale Fallgestaltungen durchaus sinnvoll erscheint – wo eine Schädigung von Gläubigern nicht droht, sind die zeitlichen Vorgaben für ein stilles Liquidationsverfahren nach deutschem Recht insbesondere ausländischen Marktteilnehmern häufig nur schwer vermittelbar.

Es bleibt abzuwarten, ob es dem niederländischen Gesetzgeber gelingt, beiden Zielsetzungen gerecht zu werden, so dass sich Vertragspartner niederländischer BVs nicht mehr dem Risiko ausgesetzt sehen, dass sich die niederländische BV „mir nichts dir nichts“ ihren Verpflichtungen entzieht, für „Normalfälle“ jedoch weiterhin die Möglichkeit einer effizienten Abwicklung inaktiver BVs erhalten bleibt.

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