Perspektiven

Digital Government: Akzeptanz der Bevölkerung steigt

Das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in die digitalen Services der Behörden ist während der Corona-Krise leicht angestiegen. Dies ist eine Chance für Bund, Kantone und Gemeinden, um die Schwellen zur Nutzung von E-Government-Services weiter zu senken. Dafür müssten im ersten Schritt nur die bestehenden Prozesse für Bevölkerung und Verwaltungsangestellte weiter verschlankt und optimiert werden.

Gleich zu Beginn der Corona-Krise stand eine der Dienstleistungen der Verwaltung in der Schweiz besonders im Rampenlicht: 1,9 Millionen Arbeitnehmer wollten sich für den Bezug von Kurzarbeiterentschädigung registrieren. Bei der Nutzung dieses Dienstes stellte sich heraus, dass dieser Service nicht genügend digitalisiert ist. Im Registrierungsprozess verbargen sich mehrere sogenannte Medienbrüche. Zum Beispiel konnten Formulare nicht elektronisch übermittelt werden, sondern mussten auf Papier ausgedruckt und per Post an die Behörde geschickt werden. Eine vergebene Chance. Dabei hatte der Bundesrat noch in seiner E-Government Strategie 2020-2023 formuliert, dass «Bund, Kantone und Gemeinden der Bevölkerung und Wirtschaft möglichst nutzerfreundliche, zielgruppengerechte, standardisierte und ressourcensparende digitale Dienste anbieten sollen.» Und dennoch beklagen viele immer wieder, dass es zwar Services vonseiten der Verwaltung gäbe, sie aber oft nicht gefunden oder verstanden würden. «Digital first» geht anders.

Akzeptanz von digitalen Diensten bleibt gleich oder hat sogar zugenommen

Dabei wären die Bevölkerung bereit, elektronische Behördenleistungen zu nutzen, auch und gerade nach der Corona-Krise. Laut der aktuellen Deloitte-Umfrage Digital Government Survey 2020 ist die Akzeptanz von digitalen staatlichen Diensten bei der grossen Mehrheit der befragten Personen während der Pandemie weitgehend gleichgeblieben (73%). Bei jedem Zehnten ist das Vertrauen in diese Online-Dienste sogar gestiegen, vor allem bei den Unter-Dreissigjährigen und den Grossstadtbewohnern, die allgemein als «Early Adopter» digitaler Services bekannt sind.

Vertrauen in digitale Angebot seit Corona-Krise

Schon vor der Pandemie war eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung bereit für mehr elektronische Dienstleistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden. In der Nationalen E-Government-Studie 2019 gaben 47% der Befragten an, dass sie häufiger an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen würden, wenn sie eine elektronische Urne nutzen könnten. Fast 70% der Befragten waren der Meinung, dass E-Voting allen Stimmberechtigten zur Verfügung stehen müsste. Die Studie belegte auch, dass die derzeitige Nachfrage der Bevölkerung und insbesondere der Unternehmen nach elektronischen Behördenleistungen durch das bestehende Angebot nur teilweise gedeckt wird. Der Blick auf einzelne Dienstleistungen zeigt, dass die Nachfrage bei den Nutzenden hoch ist, aber längst nicht alle Gemeinden und Kantone diese Dienstleistungen online anbieten.

Einstellung der Bevölkerung zu digitalen Diensten hat sich verbessert

Bei knapp einem Drittel (31%) hat sich die Einstellung zu digitalen Diensten positiv verändert, auch hier zeigen die Unter-Dreissigjährigen und die Grossstadtbewohner eine noch höhere Zustimmung. Und immerhin hat sich bei mehr als jeder zweiten Person (59%) die Einstellung zu diesen Diensten und ihrer Nutzung nicht verändert. Der Anteil derjenigen, die angaben, ihre Einstellung nicht geändert zu haben, liegt sogar noch etwas höher bei den Älteren und der ländlichen Bevölkerung.

Corona-Krise und digitale Dienste

Gleichzeitig ist allerdings die Nutzung unter Älteren gestiegen. Die Corona-Krise hat damit insgesamt zu einer sehr positiven Entwicklung von Vertrauen und Einstellung gegenüber online Dienstleistungen der Behörden geführt.

Mehrheit der Verwaltungsangestellten für mehr digitale externe Dienste und interne Abläufe

Auch aufseiten der Schweizer Verwaltungsangestellten wünscht sich eine Mehrheit mehr digitale externe Bürgerdienste (34%) und einen Ausbau digitalisierter interner Abläufe (16%). Ein doch relativ hoher Anteil von (39%) sieht jedoch keinen zusätzlichen Bedarf für digitale Abläufe oder Dienste, wobei dieser Anteil im Gesundheits- und Sozialwesen überdurchschnittlich hoch ist. Zwar gibt es schon zahlreiche digitale Anwendungen im Gesundheitsbereich, die die Abläufe in Kliniken und Arztpraxen erleichtern und den Austausch zwischen Medizinern und Patienten verbessern. Doch stärker als in anderen Branchen sind der Digitalisierung hier Grenzen gesetzt. Vor allem in Pflegeberufen können sie meist nur administrative Aufgaben übernehmen. Remote Working ist in der persönlichen Pflege schlicht unmöglich, weil man hier direkt mit den Menschen arbeiten muss.

Grundsätzlich sind die Verwaltungsangestellten seit der Corona-Krise also bereit, ihre Arbeitsweisen zu verändern, um damit das Angebot an externen digitalen Diensten zu erhöhen. Bei 38% der Befragten ist die Bereitschaft zur Veränderung der Arbeitsweise gestiegen. Für 43% der Befragten hat sich diese Bereitschaft allerdings nicht verändert. Bei 19% der Angestellten ist sie sogar gesunken.

Änderung Arbeitsweise seit Corona-Krise

Warum können sich viele der staatlichen Angestellten, deren Bereitschaft gesunken ist, nicht für mehr Digitalisierung ihrer Arbeitsprozesse erwärmen? Liegt es an mangelnden IT-Kenntnissen? Oder der Befürchtung, mehr Arbeit damit zu haben? Sind es träge, konservative Strukturen, oder mangelhafte technische Ausstattung?

Schaut man genauer hin, erkennt man schnell, dass die ablehnende oder gleichgültige Haltung gegenüber einer weiteren Digitalisierung der E-Government-Services handfeste Gründe hat. Vor allem im Home-Office war es vielen gar nicht möglich, die Vorteile digitalisierter Services zuhause auszuschöpfen. Sie konnten gar nicht digital von zuhause arbeiten, weil ihnen schlichtweg das Werkzeug dazu fehlte – neben den in den Büros installierten Desktops standen nicht ausreichend mobile Endgeräte wie Laptops zur Verfügung. Die zeitnahe Anschaffung dieser Instrumente hätte kurzfristig zusätzliche hohe Kosten verursacht. Ausserdem konnten teilweise wichtige Papierdokumente nicht mit nach Hause genommen werden.

Was auch immer die Gründe für die sinkende Bereitschaft bei einigen Verwaltungsangestellten sind: Behörden und Verwaltungsleitungen müssen die Gunst der Stunde in der Krise nutzen und ein Bewusstsein für die Vorteile des Ausbaus digitaler Services bei ihren Mitarbeitenden schaffen. Die Angestellten müssen besser informiert und geschult werden. Die Schulungen können auf der Grundlage der Systeme stattfinden, die schon installiert sind. Deren Möglichkeiten müssen nur besser ausgeschöpft werden.

Die grössten Hürden sind rechtliche Rahmenbedingungen und (fehlende) Hard- und Software

Die derzeit bestehenden Digitalisierungshürden bei externen Diensten lassen sich nach Meinung der Befragten leicht benennen. Bei den externen Diensten sind es drei Faktoren: die rechtlichen Rahmenbedingungen (37%), IT Hard- und Software (30%), sowie die physische Infrastruktur (14%).

Digitalisierungshürden externe Dienstleistungen

Wie lassen sich diese benannten Hürden nun mit relativ wenig Kosten und geringem Aufwand weiter senken? Durch die Entschlackung von Vorschriften, Regeln und Gesetzen, die die Digitalisierung hemmen. Doch gesetzliche Rahmenbedingungen zu ändern, kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Gerade jetzt in der Corona-Krise ist die Geschwindigkeit der Umsetzung aber besonders wichtig – und möglich. Denn die Pandemie hat eine Situation geschaffen, in der viele Veränderungen auf einmal sehr schnell umgesetzt werden können. Dies gilt es zu nutzen. Schneller als die Änderung gesetzlicher Rahmenbedingungen umzusetzen, ist die Anschaffung von mehr Hardware und die flächendeckende Ausstattung der Mitarbeiter mit Laptops. Das ist allerdings mit hohen Kosten verbunden.

Der «Quickest fix» ist der «Quickest win»

Vielversprechender ist die Konzentration auf Prozesse und deren Vereinfachung. Dafür bedarf es keiner langjährigen Entwicklung völlig neuer IT-Systeme: neue elektronische Formulare ohne Papierausdruck und Postversand und wenige smarte neue Software-Tools könnten die Anzahl der vorhandenen Medienbrüche im Prozess reduzieren. Dafür muss man keine neue IT-Landschaft bauen, keine Hardware kaufen und keine Gesetze ändern. Vor allem den Prozessen könnten die Verbesserungen schnell erreicht werden. Der «quickest fix» verspricht hier auch den «quickest win». Die Bevölkerung und die Verwaltungsangestellten sind mehrheitlich offen und bereit für diese Optimierung digitaler Services. Solche Änderungen lassen sich in wenigen Wochen realisieren, wie die Krise gezeigt hat. So hat das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich den Prozess rund um die Kurzarbeit innerhalb weniger Wochen digitalisiert.

Zu Beginn der Corona-Pandemie verzeichnete das AWA laut eigenen Angaben einen «massiven» Anstieg bei den Voranmeldungen von Kurzarbeit. Wo das Amt in normalen Zeiten etwa zehn Gesuche pro Monat bearbeiten musste, schnellte die Anzahl hoch auf 30.000. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Abteilung mit Mitarbeitenden anderer Abteilungen und sogar des Bundes aufgestockt, da der Prozess viele manuelle Eingriffe benötigte – eine effizientere Lösung wurde deshalb gesucht. Für die digitale Abwicklung der Kurzarbeit sorgt nun ein Webformular mit Robotics-gesteuertem Datentransfer in das Bundes-Abrechnungssystem, das das AWA sowie das kantonale Amt für Informatik im Einverständnis mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) entwickelt hat. Gemäss der Volkswirtschaftsdirektion beträgt die Effizienzsteigerung dank der digitalen Unterstützung bis zu 85 Prozent. Zürich sei gerne bereit, diese hilfreiche Anwendungen mit anderen Kantonen zu teilen.

Das Beispiel zeigt, dass die Effizienzgewinne durch Digitalisierung enorm sein können und sich innerhalb kurzer Zeit umsetzen lassen. Bürger und Verwaltungsmitarbeitende sind bereit dafür.  

Sehen Sie sich das Interview mit unserem Experten Rolf Bruegger an

Der Weg zum digitalen Wandel im öffentlichen Sektor

Über die Studie:

Die Online-Umfrage wurde zwischen dem 16. und 25. Mai 2020 durchgeführt. Sie ist repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Region. Befragt wurden 1500 Personen mit Wohnsitz in der Schweiz.

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