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Aktuelle Entwicklungen in der Automobilbranche

Die Automobilindustrie stellt das stärkste Bein der steirischen Wirtschaft dar.

Mag. Dr. Matthias Kunsch im Interview über Potenziale und Herausforderungen im Automotive-Sektor

Wie beurteilen Sie den Wandel in der Automobilbranche? Wie steht die österreichische Bevölkerung dazu?

Jeder Wandel birgt gleichzeitig Chancen und Risiken. Aktuell befindet sich die Automobilbranche in einem großen Umbruch. Themen, die die Branchen am häufigsten beschäftigen, sind: autonomes Fahren, connected vehicles, Elektrifizierung und shared transportation bzw. neue Mobilitätskonzepte. In all diese Bereiche investiert die Branche sehr hohe Beträge - die Bevölkerung steht diesen Entwicklungen allerdings sowohl global, als auch in Österreich noch skeptisch gegenüber.

Ist die österreichische Gesellschaft bereit für autonomes Fahren?

In Österreich besteht ein sehr großes Interesse am Thema autonomes Fahren. Allerdings hat sich der positive Trend der vergangenen Jahre insbesondere durch die negativen Schlagzeilen, die im letzten Jahr durch Unfälle getrieben wurden, verlangsamt beziehungsweise sogar leicht rückläufig entwickelt. Aktuelle Studien zeigen, dass rund 43% der Befragten autonomes Fahren als unsicher einstufen. Dies ist ein globales Phänomen.

Vor welchen großen Herausforderungen stehen momentan steirische Unternehmen im Automotive-Sektor?

Nicht nur die steirischen sondern alle österreichischen Unternehmen, die in der Automobilindustrie tätig sind, sind sehr stark von den großen Original Equipment Manufacturer (OEM) bzw. der globalen Automobilwirtschaft abhängig. Ein großer Umbruch findet momentan insbesondere bei technischen Neurungen statt. Es werden zukünftig neue Player ins Spiel kommen, die bislang nicht direkt mit der Automobilbranche in Verbindung standen. Dies ist auch aus der Anzahl der angemeldeten Patente eindeutig ersichtlich.

Welche Potenziale bleiben bislang in der Automobilbranche ungenützt? wie sollte Ihrer Meinung nach die regionale Automotive-Industrie gefördert werden? 

Ich persönlich denke, dass wir in Österreich mit Förderungen grundsätzlich gut aufgestellt sind. Neben den Förderungstöpfen der EU gibt es auch eigene Förderungen von Bund, Ländern und Gemeinden. Darüber hinaus gibt es die Forschungsförderungsprämie, die Innovationen in Österreich fördert. Es wäre allerdings wünschenswert, dass die Hürden, die Förderungsanträge oftmals mit sich bringen, weiter reduziert werden. Häufig scheitert es auch an mangelndem Wissen über die existierenden Förderungsmöglichkeiten. Deloitte bietet mit dem Förderungsquickcheck rasche Unterstützung an.

Was würde ein harter Brexit für Österreichs Autobranche bedeuten?

Das ist eine Frage, die man aus heutiger Sicht noch nicht eindeutig beantworten kann. Die österreichische Automobilbranche ist jedenfalls sehr Export getrieben und somit von den internationalen Entwicklungen abhängig. Großbritannien ist nach Deutschland der zweitgrößte Exportmarkt der Branche. Insofern würde ein harter Brexit auf jeden Fall negative Auswirkungen haben. Wie gravierend diese tatsächlich wären, darüber sind sich die Studien nicht einig. Eine Studie von Deloitte Österreich aus dem Jahr 2018 besagt, dass rund 480 MEUR an Umsätzen verloren gehen würden und bis zu 1.000 Jobs gefährdet sein könnten, während eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bis zu 6.000 österreichische Arbeitsplätzte als gefährdet einstuft.

Wie sollte die Automobilbranche auf neue Markteinsteiger und neue Technologien reagieren, um nicht ins Hintertreffen zu geraten?

Markteinsteiger bringen insbesondere im Bereich autonomes Fahren die Branche schwer in Bedrängnis. Hier handelt es sich erneut um einen globalen Trend. Selbst in Deutschland, wo das Vertrauen in die großen Automobilhersteller traditionsbedingt sehr hoch ist, hat dieser Trend Einzug gehalten. Waren es 2017 noch 51 % der Befragten, die den klassischen Autoherstellern vertraut haben, so sind es 2019 nur mehr 33 %. Das sollte ein Warnzeichen für die gesamte Branche sein. Auch die österreichische Bevölkerung steht neuen Entwicklungen in den Bereichen autonomes Fahren und Vernetzte Fahrzeuge aktuell skeptisch gegenüber. Die Branche ist daher gefordert, die Vorteile von neuen Technologien klar und verständlich zu kommunizieren und Sicherheitsbedenken durch Fakten zu entkräften.

Was ist aus Ihrer Sicht sonst noch zu sagen?

Die Branche darf nicht darauf vergessen, Kundenwünsche zu erfüllen. Unternehmen sollten nicht den Fehler machen und hohe Summen in Bereiche investieren, für die der Markt noch nicht bereit ist. Dies geht auch aus unserer jüngsten Automotive Studie hervor: Ein Großteil der Befragten ist entweder kaum oder gar nicht bereit für zusätzliche Leistungen, wie beispielsweise für vernetzte Technologien, mehr zu bezahlen. Hier kann es durch die vorgelagerten, enorm hohen Entwicklungskosten zu ernsthaften finanziellen Herausforderungen für Unternehmen kommen.

Mag. Dr. Matthias Kunsch
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