Perspektiven

Krisenbewältigung oder Schutz des guten Rufs: Wie ist der Stand der Dinge?

Seit einem Jahrzehnt sind Unternehmen verstärkt verschiedenen Arten von Krisen ausgesetzt: beispielsweise im Zusammenhang mit Produktmängeln, Naturkatastrophen, Skandalen, sozialen und Führungskrisen. Der Druck der einzelnen Interessengruppen (zum Beispiel von Kunden, Mitarbeitern oder Aktionären) nimmt zu. Unternehmen werden vermehrt an der Art und Weise gemessen, wie sie Schwierigkeiten bewältigen und ob sie dabei die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen.

In den meisten Fällen sind Unternehmen und öffentliche Einrichtungen nicht auf den Umgang mit solchen Krisen vorbereitet, da sie die Methoden und Instrumente zu deren Bewältigung nicht kennen. Die Folgen sind bekannt: verspätete Reaktion, ineffektive Planungsaktivitäten, unkontrollierte Kommunikation, Imageschaden, Verlust von Marktanteil und Ansehensverlust sind nur einige Beispiele.

In der heutigen Zeit gibt es keine Unternehmensorganisation, die sich nicht mit Krisensituationen und deren Bewältigung befasst, da die Folgen eines fehlenden Krisenmanagements oder einer ungeeigneten Handhabung im Hinblick auf Einfluss, Markenimage, Reputation und finanzielle Verluste mit sehr hohen Kosten verbunden sind. Unternehmen im öffentlichen sowie im Privatsektor gehen mittlerweile sehr sorgfältig bei der Analyse ihrer Risiken sowie dem eigentlichen Krisenprozess vor. Das Konzept der Resilienz setzt sich allmählich in Unternehmensorganisationen durch. So werden von den Experten, die die Unternehmensführung in Krisensituationen unterstützen, schulen und beraten, inzwischen geeignetere und effizientere Methoden und Instrumente empfohlen und umgesetzt.

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Das Prinzip der Resilienz

Eine Krisensituation kann als Chance betrachtet werden, und zwar nicht mit dem Ziel, die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts zu verringern, sondern um mit diesen Situationen besser umzugehen. Ein neuer Ansatz besteht darin, dass man Krisen aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und als Krisenmanager und proaktiver Stakeholder zur Krisenbewältigung beiträgt. Aus diesem Grund sollte man sich mit dem Prinzip der Resilienz befassen, welches eng mit der Krise selbst verbunden ist.

Tatsächlich ist eine Krise Voraussetzung für die Einführung eines Bewältigungsprozesses. Der Mensch entwickelt jedoch keine Krisen-Resilienz, nur weil eine Krise existiert. Das Prinzip der Resilienz beinhaltet die Fähigkeit, gestärkt aus einem Trauma hervorzugehen. Resilienz könnte den Unternehmensorganisationen erlauben, ihr Gleichgewicht, also ihren ursprünglichen Zustand, oder ein neues Gleichgewicht wiederzufinden, um nach einer Krise weiterhin zu funktionieren.

In der Gesellschafts-, Wirtschafts- und Verhaltensforschung hat das Konzept der Resilienz rasch Anhänger gefunden, doch seine Analyse auf organisatorischer Ebene steht noch aus. Die Frage nach der Belastbarkeit von Resilienz als Prozess oder Kompetenz ist nach wie vor unbeantwortet. Resilienz mag als ein Konzept erscheinen, dessen Analyse komplex ist, da es von mehreren Parametern und verschiedenen zusammenlaufenden Variablen abhängig ist. Resilienz sollte jedoch mehr als Entwicklungsprozess begriffen werden, in dem interne und externe Bedingungen der Organisation interagieren.

Gibt es so etwas wie organisatorische Resilienz? Eine zuverlässige Organisation ist in der Lage, formelle und informelle Verfahren sowie einen operativen Modus zu entwickeln, der potenzielle Fehler erkennen und vorwegnehmen kann. Zu beachten ist, dass die Resilienz von Organisationen eine systematischen Beurteilung und Transparenz des Krisenmanagements voraussetzt.

Effizientere und geeignetere Methoden und Instrumente

Sei es ein Betriebsunfall, ein Skandal in den Medien, Geldwäsche oder ein grossangelegter Rückruf fehlerhafter Produkte, nicht selten beginnt eine Krise mit dem Eintritt eines aussergewöhnlichen oder ungewöhnlichen Ereignisses, das die Organisation aus dem Gleichgewicht und möglicherweise in eine Situation bringt, in der Zweifel an ihrer Nachhaltigkeit aufkommen könnten. In diesen Fällen sind Notfallpläne, Krisenteams, Risikoanalysen oder Krisenszenarien geeignete Instrumente, um auf Notfälle zu reagieren und Entscheidungen und Massnahmen der verschiedenen Akteure zu koordinieren. Hier hat das Krisenmanagement grosse Fortschritte gemacht und die Unternehmensorganisationen in die Lage versetzt, sehr viel schneller auf kritische Situationen zu reagieren.

Wirksamere Prävention durch Messen und Simulieren

Obschon die Präventionsphase eine entscheidende Rolle bei der Krisenbewältigung darstellt, erkennt dennoch die überwiegende Mehrheit dieser Institutionen erst allmählich, wie wichtig die Einführung dieser Phase ist. Sie sieht eine Gesamtbeurteilung der Organisation und eine Einstufung der verschiedenen bestehenden Prozesse, Verfahren und Pläne vor, um ihren Nutzen zu ermitteln und ihre Mängel zu identifizieren. Allzu häufig müssen Organisationen unter dem Druck einer Krise mittels Notfallmassnahmen reagieren, da diese als Vorkehrung zur Krisenvermeidung dienende Phase vernachlässigt und sogar ignoriert wurde.

Auch Simulationsübungen werden immer beliebter. Krisensimulationen, die seit langem in militärischen Strategien Verwendung finden, zwingen Geschäftsleitungen, auf der Grundlage von Szenarien zu handeln, Krisenauslösende Faktoren zu identifizieren und angemessene Gegenmassnahmen festzulegen. Die Fähigkeit einer Organisation, in einer Krise rasch die richtigen Entscheidungen zu treffen, stellt einen entscheidenden Erfolgsfaktor für die bestmögliche Bewältigung der Krise dar. Verständlicherweise wird das Treffen von «richtigen» Entscheidungen durch die Einführung von Instrumenten und Verfahren zur Entscheidungsfindung wesentlich vereinfacht und verbessert.

Instrumente für die richtige Entscheidung

Warum setzen die einzelnen Unternehmen und Einrichtungen unterschiedliche Notfallpläne ein? Warum werden in einer Krise mehr oder minder riskante Entscheidungen getroffen? Die Begründung liegt darin, dass eine Vielzahl spezifischer Faktoren bei der individuellen Analyse und Auswahl der unterschiedlichen Szenarien und der daraus resultierenden Entscheidungen eine grosse Rolle spielen.

Nutzung der Organisation und der Prozesse zur Objektivierung der Entscheidung

Es ist wichtig, der Organisation mit einem Entscheidungsprozess auszustatten, der es ermöglicht, in einer Krise die verschiedenen Interessengruppen einfach zu integrieren, verschiedene Szenarien mit höchstmöglicher Objektivität zu beurteilen und rasch Entscheidungen zu treffen. Wenn sich eine Unternehmensorganisation Zeit für die Identifikation der im Verlauf der Krisenbewältigung zu treffenden Entscheidungen nimmt, kann sie die Vorbereitung dieser Entscheidungen vorwegnehmen. Damit hat das Krisenteam ausreichend Zeit zur Verfügung, um alle Entscheidungen entsprechend vorzubereiten und zeitnah umzusetzen. Zudem ist das Team in der Lage, die strategischen Entscheidungen zu identifizieren, bei denen möglicherweise Schiedsinstanzen einzubeziehen sind.

„Not too big to fail“ – Nicht zu gross, um zu scheitern

Keine Institution ist angesichts einer weitreichenden Krise zu gross. In den letzten Jahren haben sich die Beispiele hierfür gehäuft. Grösse spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle mehr.

Verwaltungsräte erkennen heute besser die Gefahr, die von einer Krise für den Fortbestand ihres Unternehmens ausgeht, und auch die Notwendigkeit, sich darauf vorzubereiten. Das Wissen darum reicht nicht mehr aus, sondern eine umfangreiche Vorbereitung ist ebenfalls erforderlich. Inzwischen bemühen sich Unternehmensführungen um einen klardefinierten Ansatz bei der Schaffung eines Krisenbewältigungsprozesses: definierte Schritte, erfahrene Mitarbeiter und einen strukturierten Kommunikationsplan. Sie halten diese Aktionen nicht mehr für Zeitvergeudung, sondern für eine sinnvolle Investition. Physische Schäden und Wertverlust sind greifbare und leicht zu messende Parameter. Die Quantifizierung einer Erosion von Vermögenswerten wie z.B. Moral oder Reputation hingegen ist deutlich schwieriger. Unternehmensorganisationen können dies messen, indem sie diese Vermögenswerte durch die Weiterentwicklung von der Erkennung hin zur Resilienz greif- und messbar machen. Dieser Entwicklungsprozess erfolgt durch Messung, Simulation und Planung.

Deloitte organisierte im November 2016 eine Krisensimulation für Verwaltungsräte und Direktoren von Banken. Die Teilnehmer wurden in eine Situation versetzt, die auf realen Fakten (Cyberattacken) basiert, und dabei durch die Deloitte Simulationsexperten unterstützt wurden. Während dieser Simulation haben die Teilnehmer gemeinsam einen Ansatz für die Bewältigung einer unmittelbaren Krise und deren Folgen erarbeitet und reflektiert.

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