swissVR Monitor: Welche Rolle kommt dem Verwaltungsrat beim Thema Nachhaltigkeit zu?
Regula Wallimann: Der Verwaltungsrat ist für die Gesamtstrategie des Unternehmens verantwortlich, und dabei muss die Nachhaltigkeit in die Gesamtstrategie eingebettet sein. Die Nachhaltigkeit muss alle Aspekte berücksichtigen: Umwelt, Soziales und Governance. Der Verwaltungsrat definiert zusammen mit der Geschäftsleitung die sinnvollen und erreichbaren Ziele für alle Aspekte. Er kann zusätzliche Impulse geben und für die Umsetzung der Ziele unterstützend wirken. Wichtig ist für mich, das Thema Nachhaltigkeit nicht nur als Risiko, sondern vor allem als Chance für das Unternehmen zu verstehen.
Es kann Sinn machen, in Ausschüssen gewisse Themen (z. B. das Audit Committee für das Risk Management und das regulierte Reporting, das HR-Committee für die sozialen Ziele) vorzubereiten, da in den Ausschüssen mehr Zeit bleibt für Diskussionen und die Mitglieder sich in ein Thema vertiefen können. Am Ende muss jedoch der gesamte Verwaltungsrat entscheiden und die Nachhaltigkeitsstrategie kennen und mittragen.
Eine regelmässige externe und interne Kommunikation (beispielsweise über die Social-Media-Kanäle und Webseite) stärkt die Reputation. Die nachhaltige Unternehmensführung und eine starke Nachhaltigkeitsstrategie schaffen Wettbewerbsvorteile, wirken attraktiv auf Arbeitskräfte und erhöhen dadurch die Chancen am Arbeitsmarkt.
swissVR Monitor: Welche Massnahmen empfehlen Sie Verwaltungsräten, wenn es um die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit des Unternehmens geht?
Regula Wallimann: Nicht jedes Unternehmen ist gleich stark exponiert in Umweltbelangen. Deshalb kommt es auf das Unternehmen und die Industrie an. Bei produzierenden Unternehmen finde ich wichtig, zukünftige Investitionen in nachhaltige Produktionsprozesse und -technologien neu zu definieren. Soziale und ökonomische Nachhaltigkeit sind wesentliche Aspekte für alle Unternehmen. Die Mitarbeitenden wollen heute für ein Unternehmen arbeiten, das sich stark macht für das Wohlbefinden und die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden. Also ist es wichtig, diese Themen aktiv voranzutreiben und dort zu investieren, wo die Resultate sichtbar sind. Mit dem starken Wettbewerb am Arbeitsmarkt muss ein Unternehmen sich positionieren und differenzieren. Die Unternehmen bemühen sich heute um die Fachkräfte, was früher noch umgekehrt war. Diese Themen gehören deshalb auf die Agenda des Verwaltungsrats und die regelmässige Kommunikation über Aktivitäten und Fortschritte ist essenziell.
swissVR Monitor: What do you think constitutes appropriate management reporting on sustainability?
Regula Wallimann: Ideally, management will report regularly – once or twice a year – to the Board of Directors on the progress it is making towards achieving its targets and on the obstacles it faces. I myself would like to see a succinct but informative system of reporting, perhaps using a traffic light system, so that I as a Board member can see whether the company is on green, amber or red in relation to a particular issue. Where targets are proving very difficult to meet, I would like to understand the reasons for that and to be briefed on how management plans to improve the situation. Of course, targets are sometimes over-ambitious and need to be adjusted, but they should generally be ambitious and facilitate real progress. In terms of both internal and external communications, it is important that companies actually describe what is being done rather than simply announce goals that are not then linked to appropriate activities.
swissVR Monitor: Wie sieht aus Ihrer Sicht eine adäquate Berichterstattung der Geschäftsleitung an den Verwaltungsrat zur Nachhaltigkeit aus?
Regula Wallimann: Idealerweise berichtet die Geschäftsleitung in regelmässigen Abständen an den Verwaltungsrat, das heisst ein- bis zweimal pro Jahr, über die Fortschritte und die Herausforderungen auf dem Weg zur Zielerreichung. Ich persönlich mag eine kurze, prägnante Berichterstattung, gerne mit «Ampelsystem», so dass ich als Verwaltungsrätin sehe, wo wir auf grün, gelb oder rot stehen. Wenn Ziele sehr schwierig zu erreichen sind, dann möchte ich die Gründe dafür verstehen und die Pläne zur Verbesserung der Situation kennen. Es kann vorkommen, dass Ziele zu ambitioniert gesetzt worden sind und dass deshalb eine Korrektur auf der Zeitachse sinnvoll wird. Doch generell sollten die Ziele ambitiös gesetzt sein und echte Fortschritte aufgezeigt werden können. Für die interne und externe Kommunikation ist wichtig, dass man sagt, was man tut, und sich nicht zu gut darstellt für Aspekte, für die noch keine Aktivitäten gemacht werden
swissVR Monitor: Die Straumann Gruppe hat Nachhaltigkeit zu einem ihrer strategischen Schwerpunkte gemacht. Wie hat sich dieser Prozess auf Ebene des Verwaltungsrats gestaltet respektive wie ist man vorgegangen (besonders im Vergleich zu Ihren anderen VR-Mandaten)?
Regula Wallimann: Die Straumann Gruppe hat anfangs 2021 eine «ESG-Taskforce» (Environmental, Social und Governance) gegründet, um das Thema mit neuem Schwung anzukurbeln. In der Taskforce haben drei VR-Mitglieder zusammen mit ausgewählten Geschäftsleitungsmitgliedern, mit dem Nachhaltigkeitsteam und dem Kommunikationsteam über zwei Jahre aktiv zusammengearbeitet. Die Nachhaltigkeitsstrategie wurde überarbeitet, die Nachhaltigkeitsziele neu definiert und die Nachhaltigkeits-Governance verstärkt. In 2023 wurden die Themen auf die bestehenden VR-Ausschüsse verteilt und weiter vorangetrieben. Durch die temporäre Taskforce gab es ein neues Momentum in der Organisation, das Thema Nachhaltigkeit war viel präsenter als zuvor, und das hat zum besseren Verständnis beigetragen über das WIE und WARUM wir Zielvorgaben setzen und mit viel Energie daran arbeiten. Wir sind überzeugt, dass wir uns mit einer ambitionierten Nachhaltigkeitsstrategie im Wettbewerb differenzieren.
Regula Wallimann
Verwaltungsratsmitglied von Adecco Group, Helvetia Group, Straumann Group, Swissgrid und Swissport
Regula Wallimann ist Finanz- und Prüfungsexpertin und als unabhängige Verwaltungsrätin tätig. Sie ist Vorsitzende des Finanz- und Risikoausschusses bei mehreren Firmen. Ihre Mandate umfassen börsenkotierte (Straumann, Adecco, Helvetia) und privat gehaltene Firmen (Swissgrid, Swissport). Sie ist Ökonomin mit einem Abschluss von der Universität St. Gallen (lic.oec HSG) und diplomierte Wirtschaftsprüferin (Schweiz und USA). Ihre exekutive Tätigkeit hat sie als globale Partnerin Wirtschaftsprüfung bei KPMG verbracht, wobei sie vorwiegend für grosse, internationale sowohl börsenkotierte wie private Industriekonzerne Verantwortung trug. Ihre Expertise umfasst die Bereiche Finanzen, finanzielle und nicht-finanzielles Berichterstattung, Compliance, Governance, Risk Management und interne und externe Prüfung. Sie ist regelmässig Gastrednerin an der Universität St. Gallen im Rahmen von VR-Lehrgängen.