Perspektiven

Gasbranche Schweiz

Immer mehr Gaskunden wollen ihren Lieferanten wählen

Die Schweizer Gasbranche weist auch heute noch eine vergleichsweise dezentrale und komplexe Struktur auf. Der Marktzugang ist nicht mehr ganz zeitgemäss und entspricht nicht den Bedürfnissen der Marktteilnehmenden. Auf die Unternehmen kommen neue Herausforderungen zu.

Die Schweiz importiert praktisch das gesamte verbrauchte Gas aus dem Ausland - nicht zuletzt darum ist die Regulierung des Netzzugangs sehr wichtig. Aktuell ist dieser aber nur sehr rudimentär in Form einer Transportpflicht geregelt. Das Rohrleitungsgesetz von 1964 sieht vor, dass «ein Unternehmen verpflichtet ist, vertraglich Transporte für Dritte (im Hochdrucknetz) zu übernehmen, wenn sie technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sind, und wenn der Dritte eine angemessene Gegenleistung anbietet». 2012 haben die Gasindustrie und die industriellen Bezieher von Prozessgas – vertreten durch die Interessensgemeinschaft Erdgas und die Interessensgemeinschaft energieintensiver Branchen – die Konditionen und Abläufe für den Netzzugang im Rahmen einer Verbändevereinbarung geregelt. Zentrale Voraussetzungen waren hier unter anderem ein Mindestverbrauch (aktuell 150 Normkubikmeter pro Stunde), dass das bezogene Erdgas vornehmlich als Prozessgas eingesetzt wird und dass eine Lastgangmessung mit Datenfernübertragung beim drittbelieferten Endkunden installiert ist.

Regulierungsvorhaben auf Bundes- und Verbandsebene stocken

Die Gasindustrie wollte diese Verbändevereinbarung überarbeiten, um beispielsweise den Marktzugang durch die Schaffung eines einheitlichen Marktgebiets zu vereinfachen, doch dazu ist es bislang noch nicht gekommen. Seit dem Marschhalt in diesem Projekt häufen sich gemäss Medienberichten bei der Koordinationsstelle Durchleitung (KSDL) von Swissgas die Gesuche für eine Drittbelieferung von Gas in die Schweiz. Zudem stellen mittlerweile nicht nur industrielle Betriebe Durchleitungsanfragen für Prozessgas: So hat beispielsweise auch das Luxushotel Dolder in Zürich ein Gesuch eingereicht und das Recht auf freie Durchleitung von Erdgas für die Beheizung des umfangreichen Wellness-Bereichs erhalten. Bei einem negativen Bescheid der KSDL schalten Verbraucher sowie potentielle Lieferanten immer häufiger die Wettbewerbskommission (WEKO) ein. Je mehr unzufriedene Verbraucher an die WEKO gelangen, desto grösser wird der Druck auf das Bundesamt für Energie, den Entwurf des neuen Gasversorgungsgesetzes (GasVG) wie in der Legislaturplanung 2015-2019 vorgesehen weiter voranzutreiben. Der ursprüngliche Zeitplan, Ende 2017 eine Vernehmlassungsvorlage vorzustellen, hat das Bundesamt bereits verstreichen lassen.
Andererseits besteht auch die Möglichkeit, dass die WEKO einem klagenden Kunden erlauben könnte, für seinen Bedarf einen neuen Gaslieferanten auswählen zu können, was ein Präjudiz darstellen würde. Diesen Fall hat es in der Stromwirtschaft 2001 bereits einmal gegeben. Seinerzeit hat der Migros-Genossenschaftsbund mit der Watt-Gruppe einen Vertrag über Stromlieferungen an 26 Betriebsstätten der Migros abgeschlossen, darunter an zwei im Kanton Freiburg liegende Standorte. Die WEKO ist dabei zum Schluss gekommen, dass die Freiburger Elektrizitätswerke keine Gründe gelten machen konnten, die die Weigerung der Durchleitung gerechtfertigt hätte.

Aktuell führen nur schon die vereinzelten Durchleitungszusagen für Drittlieferanten zu neuen Herausforderungen – wie beispielsweise die Abwicklung eines Lieferantenwechsels oder die Datenfernübertragung. Im Falle einer wie im neuen GasVG geplanten Öffnung des Schweizer Gasmarktes werden die Herausforderungen noch markant zunehmen.

Aus organisatorischer Sicht steht der angestammten Gasindustrie mit dem neuen Gesetz voraussichtlich eine Entflechtung (Unbundling) bevor. Als Konsequenz erwarten wir, dass:

  1. die momentan gültigen Vorschriften zur Berechnung der lokalen Netzentgelte (NEMO) dann überarbeitet werden dürften und auf einen fixen kalkulatorischen Zinssatz für das im Gasnetz gebundene Kapital (WACC) hinauslaufen.
  2. die Flexibilität der umschaltbaren Erdgaskunden (so genannte Zweistoffkunden, die zwischen Erdgas und Erdöl wechseln können) nicht mehr über günstigere Gaspreise, sondern neu in den Netznutzungspreis miteingerechnet werden müssen. 
  3. durch den steigenden Wettbewerb die Margen der Gasindustrie insbesondere im Grosskundengeschäft und je nach Ausgestaltung des neuen GasVG auch im Privatkundengeschäft abnehmen werden.

Steigender Innovationsdruck auf Gasversorger

Gleichzeitig steigt der Innovations- und Transparenzdruck auf die angestammte Gasindustrie: Eine stetig wachsende Anzahl von Gaskunden erwartet beispielsweise Interaktionsmöglichkeiten mit ihrem Lieferanten. Zudem verlangen Regulatoren zu Gunsten der Gaskunden eine möglichst hohe Transparenz. Mit der steigenden Anzahl der Kundenwechsel kommt auf die angestammte Gasindustrie darüber hinaus auch ein erhöhter Verwaltungsaufwand und ein erweitertes Datenmanagement zu (Stammdaten, Nominierungen, etc.).

Wann bereitet sich Ihr Unternehmen auf die neuen Herausforderungen im neuen Schweizer Gasmarkt vor? Nehmen Sie Kontakt mit uns auf – wir gehen gern in einem Gespräch auf Ihre spezielle Situation ein und erarbeiten mit Ihnen basierend auf unserem reichhaltigen Erfahrungsschatz mögliche Vorgehensweisen.