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Rentenalter: Ältere Menschen lehnen jegliche Erhöhung ab – allen voran Frauen und Romands – Flexibilisierung tut not
Zürich/Genf, 7. Oktober 2019
Bundesrat und Wirtschaft sind sich einig: Eine langfristige Sicherung der Altersvorsorge scheint ohne Erhöhung des Rentenalters kaum möglich. Die 50- bis 70-Jährigen in der Schweiz sind allerdings skeptisch. Deloitte hat in einer aktuellen Umfrage dieser Altersgruppe fünf Erhöhungsvorschläge präsentiert, keiner fand eine Mehrheit. Auch die reine Angleichung des Frauenrentenalters wird abgelehnt. Die Ergebnisse zeigen, welch schwierige Aufgabe auf das neue Parlament wartet. Ein flexibles Rentenalter wie in Schweden und Kanada könnte eine Lösung sein.
Die Schweiz altert – jedes Jahr steigt der Anteil der Pensionierten an der Gesamtbevölkerung. Diese Entwicklung stellt das Schweizer Rentensystem vor grosse finanzielle Probleme. Nun nimmt der Bundesrat einen neuen Anlauf zur AHV-Reform und will vorerst das Rentenalter von Frauen auf 65 Jahre anheben. Wirtschaftskreise und Jungfreisinnige wollen noch einen Schritt weitergehen: Sie fordern Rentenalter 66 für alle.
Die grosse Frage ist, ob eine Rentenalterserhöhung an der Urne eine Mehrheit finden wird. Entscheidend für den Ausgang einer Abstimmung wird das Stimmverhalten der 50-70-Jährigen sein. Sie machen 36% der stimmberechtigten Bevölkerung aus und legen zudem eine überdurchschnittlich hohe Stimmbeteiligung an den Tag. «Wenn wir es nicht schaffen, die direkt Betroffenen von der Notwendigkeit einer vorsichtigen Anhebung des Rentenalters zu überzeugen, wird eine langfristige Sanierung der AHV schwierig. Diese ist jedoch ein grosses Anliegen der Wirtschaft», sagt Deloitte Schweiz CEO Reto Savoia.
Tiefer Graben zwischen Geschlechtern und Sprachregionen
Deloitte Schweiz hat im Juni 2019 eine nach Alter, Geschlecht und Region repräsentative Umfrage unter 1'000 50- bis 70-Jährigen durchgeführt. Den Umfrageteilnehmenden wurden fünf Varianten einer Rentenalterser-höhung vorgelegt (siehe Abbildung). Die Ergebnisse zeigen, dass nur 47% der Befragten für eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 sind. Bei den Frauen liegt die Zustimmungsrate gerade einmal bei 32%, bei den Männern bei 60%. «Frauen stehen allen Varianten einer Rentenalterserhöhung signifikant ablehnender gegenüber, am meisten dort wo sie von der Erhöhung stärker betroffen wären. Ein weiterer Grund für die grossen Unterschiede könnte sein, dass Frauen neben der Arbeit nach wie vor stärker mit Haushalt und Familie belastet sind und sich ein Teil von ihnen in der Arbeitswelt benachteiligt fühlt. Hier sind die Unternehmen gefordert, Massnahmen zur Gleichstellung konsequent umzusetzen sowie die Arbeitsplätze stärker den Bedürfnissen von Familien anzupassen», führt Savoia aus.
Abbildung: Fragen nach Zustimmung zu verschiedenen Varianten einer Erhöhung des Rentenalters.
Die Umfrage zeigt zudem, dass bei einer erneuten Abstimmung über die Rentenalterserhöhung ein Röstigraben resultieren könnte. Nur gerade 24% der Befragten aus der Westschweiz stimmen einer Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre zu. In der Deutschschweiz liegt die Zustimmungsquote bei 55%. Solche Unterschiede gibt es auch bei den anderen Varianten einer Rentenalterserhöhung. «Für Menschen aus der Deutschschweiz scheint eine nachhaltige Finanzierbarkeit der Altersvorsorge wichtiger, Romands hingegen erwarten tendenziell wohl mehr Leistungen vom Staat. Die unterschiedlichen Einstellungen in der Sozialpolitik sind zwar bekannt, die Tiefe des Röstigrabens bei dieser zentralen Frage gibt aber zu denken», so Reto Savoia.
Von Schweden und Kanada lernen
Auch wenn eine knappe Mehrheit der 50-70-Jährigen die Erhöhung des Frauenrentenalters um ein Jahr ablehnt, dürfte die Vorlage des Bundesrates realistische Chancen an der Urne haben, insbesondere wegen der hohen Zustimmung der jüngeren Altersgruppen, wie wir aus verschiedenen Befragungen wissen. Alle weitergehenden Vorschläge – die für eine langfristige Sanierung wohl unabdingbar sind – dürften es aufgrund der geringen Unterstützung der Altersgruppe 50-70 zum jetzigen Zeitpunkt allerdings sehr schwer haben.
Wie die Sanierung der Altersvorsorge langfristig zu sichern wäre, zeigt ein Blick nach Schweden und Kanada. Beide Länder haben das Rentenalter weitgehend flexibilisiert und verzichten auf ein fixes Alter für den Renteneintritt. Zudem gilt dort: Je länger man arbeitet, desto höher die Rente. Auch in der Schweiz könnte man einen Alterskorridor von 60 bis 70 Jahren einführen und darüber hinaus die Auszahlung der Renten an die durchschnittliche Lebenserwartung koppeln. «Ohne ein fixes Rentenalter im Kopf werden Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen flexibler: erstere bei Anstellungen und zweitere bei der Jobsuche. Unternehmen erhielten generell mehr Anreize, ältere Menschen einzustellen und Mitarbeitende länger zu beschäftigen. Angesichts des Austritts der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt und des sich dadurch abzeichnenden Arbeitskräftemangels wäre dies eine erfreuliche Nebenwirkung eines flexibilisierten Rentenalters», erklärt Savoia.
- Sie finden die detaillierten Resultate und einen längeren Artikel zum Thema Rentenalter auf unserer Webseite.
- Die vollständige Studie «Alternde Schweiz: Wie das Arbeitskräftepotenzial der Altersgruppe 50plus besser ausgeschöpft werden kann» wird im November 2019 veröffentlicht.
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