Perspektiven

Technologie Trends 2022: Die Schweizer Regierungsperspektive

Deloitte hat seinen kürzlich veröffentlichten Bericht Global Tech Trends 2022 durch die Brille der Verwaltungsbehörden betrachtet und untersuchte, welche Trends für die Behörden am relevantesten sein könnten, und inwieweit sie bereit sind, diese zu nutzen. Sechs Trends kristallisierten sich als die wichtigsten für die nächsten 18-24 Monate heraus:

  • Datenaustausch leicht gemacht
  • Cloud wird vertikal
  • Blockchain: Bereit für die geschäftliche Nutzung
  • Cyber-KI: Reale Verteidigung
  • IT, "zerstör dich selbst": Automatisierung in großem Maßstab
  • Der Tech-Stack wird physisch

Auf der Grundlage der globalen Studie untersuchte Deloitte Schweiz die Relevanz dieser Schlüsseltrends für die öffentliche Verwaltung in der Schweiz, den Grad der Bereitschaft innerhalb der öffentlichen Verwaltung in der Schweiz, diese Trends zu übernehmen, sowie einige Aktivitäten, die bereits in Bund, Kantonen und Gemeinden im Gange sind.

Der potenzielle Wert, der durch die gemeinsame Nutzung von Daten freigesetzt werden kann, ist seit langem bekannt, aber Covid-19 hat dies noch deutlicher gemacht: Weltweit spielten die Möglichkeiten der gemeinsamen Nutzung von Daten eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von Regierungsbehörden, Krankenhäusern, Apotheken und Arzneimittelherstellern bei der Koordinierung und Durchführung wichtiger Gesundheitsprogramme wie u. a. Impfungen.

Obwohl es für den Staat in der Schweiz immer wichtiger wird, Daten institutionenübergreifend und mit dem Privatsektor zu koordinieren und zu teilen, sind die Erfolge in diesem Bereich bisher überschaubar. Obwohl die 2018 verabschiedete Bundesstrategie eHealth Schweiz 2.0 als eines ihrer übergeordneten Ziele die Koordination der Digitalisierung des Gesundheitswesens vorsieht, um die Mehrfachnutzung von Daten und Infrastrukturen zu ermöglichen, wurden nur langsam Fortschritte erzielt.

So gab es - abgesehen davon, dass sich das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der Kanton Zürich im Rahmen von Covid-19 auf eine Zusammenarbeit bei der Verwaltung der Kontaktdaten von Flugreisenden aus Covid-19-Risikogebieten geeinigt haben - nur wenige Beispiele für eine erfolgreiche digitale Zusammenarbeit. Tatsächlich war der Datenaustausch zwischen den Spitälern, den Kantonen und dem Bund während der Corona-Krise ein ständiger Anlass zur Sorge. Abgesehen davon, dass das System nicht in der Lage war, den Datenschutz zu gewährleisten, war es auch nicht in der Lage, genaue Informationen für die Ressourcenplanung oder die Überwachung der Zahl der bestätigten Infektionen zu liefern. Ärzte und Labore waren gezwungen, positive Ergebnisse über veraltete Verfahren wie Fax zu melden, was dazu führte, dass die Regierung Schwierigkeiten hatte, Fallberichte zu erfassen.

Diese Erfahrung hat gezeigt, wie wichtig es für die Dienstleistungsanbieter und die öffentliche Verwaltung in der Schweiz ist, ihre Fähigkeiten zum Datenaustausch auf allen Ebenen des öffentlichen Dienstes (Bund, Kantone und Gemeinden) und darüber hinaus zu verbessern.

Da Cloud-Anbieter verstärkt modularisierte, vertikal-spezifische Unternehmensdienstleistungen anbieten, wird es mehr Möglichkeiten zur Konfiguration und Zusammenstellung von Systemen geben. Infolgedessen werden Regierungen auf der ganzen Welt in der Lage sein, bestehende Anwendungen und Portfolios im Vergleich zu moderneren technologischen Möglichkeiten zu bewerten, die sie übernehmen und ausbauen können.

Die Schweizer Regierung hat bereits erkannt, dass Cloud-Dienste eine wichtige Komponente beim Aufbau der für die digitale Transformation der Bundesverwaltung erforderlichen Infrastrukturen sind.

Die Cloud-Strategie 2020 sieht eine geordnete, sichere und effiziente Nutzung von privaten und öffentlichen Cloud-Diensten vor, und es wird klar erkannt, dass Cloud-Dienste das Potenzial haben, die Innovation und Agilität in der Schweizer Verwaltung erheblich zu verbessern. Der Datenschutz ist ein wichtiger und kritischer Bestandteil der Strategie.

Die jüngste WTO-Ausschreibung "Public Clouds Bund" ermöglicht es der Regierung, künftig hochskalierbare Cloud-Dienste flexibel zu beziehen. Der Zugang zu Diensten von fünf großen Cloud-Anbietern (Amazon, IBM, Microsoft, Oracle und Alibaba), die kostengünstige und hoch skalierbare Infrastruktur- und Plattformdienste sowie eine breite Palette neuester Technologien und Dienste anbieten, ist gesichert. Diese jüngste Entwicklung steht im Einklang mit dem zunehmenden Bedürfnis der Schweizer Behörden, wirtschaftliche und innovative Verwaltungsdienstleistungen zum Nutzen der Bevölkerung und der Wirtschaft zu erbringen.

Da Sicherheit und Datenschutz stets Priorität haben, wird die Evaluation einer nationalen "Swiss Cloud" - einer unabhängigen technischen Infrastruktur für öffentliche Dienste - weiter geprüft. Eine solche Cloud könnte bei Bedarf die Anforderungen an eine erhöhte Datensouveränität erfüllen und die Abhängigkeit von internationalen Cloud-Anbietern verringern.

Blockchain und dezentrale Kontobuchführungstechnologien (DLT) verändern die Art der Geschäftsabwicklung über Organisationsgrenzen hinweg. Unternehmen, einschließlich Regierungen, finden zunehmend neue und kreative Wege zur Verbesserung der Produktivität und zur Schaffung neuer Wertschöpfungsströme mithilfe dieser Technologien.

Einige kantonale Verwaltungen in der Schweiz haben Kryptowährungen und Blockchain-Dienste schon früh eingeführt. Der Kanton Zug möchte mit gutem Beispiel vorangehen in einer Region, die sich zu einer Drehscheibe für den Finanztechnologie-Sektor (Fintech) im Land entwickelt hat. So akzeptiert Zug bereits Kryptowährungen für Steuerzahlungen, bietet Blockchain-basierte eIDs an und hat eVoting-Pilotprojekte durchgeführt.

Die Blockchain-basierten digitalen IDs, die den Zuger Bürgerinnen und Bürgern angeboten werden, sind eine Alternative zu den Identitätsmanagement-Diensten von Internetfirmen. Die Bürgerinnen und Bürger registrieren sich über die uPort-App und ein Online-Portal, bestätigen, dass sie in Zug wohnhaft sind, und ihre Identität wird nach der Genehmigung öffentlich auf der Ethereum-Blockchain beglaubigt. In einem anderen Beispiel ermöglicht die Schaffhauser eID+ den Kantonseinwohnern, eine elektronische Identität auf ihrem Smartphone einzurichten und die Daten offiziell bestätigen zu lassen - dies ermöglicht dann einen sicheren und einfachen Zugang zu verschiedenen elektronischen Behördendiensten, ohne zusätzliche Logins und Passwörter. Die ersten Anwender von Blockchain und DLT hoffen, in- und ausländische Unternehmen sowie mehr Investitionen anzulocken, indem sie die Gründung von Unternehmen an diesen Standorten erleichtern und ihren Mitarbeitern den Zugang zu lokalen Behördendiensten ermöglichen.

Diese wenigen kommunalen und kantonalen Beispiele sind jedoch noch Einzelfälle. Eine weitere Verbreitung von Blockchain und DLT wird erwartet, da der Bundesrat das Bundesgesetz über die Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register im Jahr 2021 vollständig in Kraft gesetzt hat.

Die Zunahme von Cyberangriffen auf der ganzen Welt bedeutet, dass Regierungen noch wachsamer sein müssen als bisher. Angesichts des Umfangs und der Raffinesse der Angriffe müssen die Regierungen zunehmend die Möglichkeiten der Cyber-KI in Betracht ziehen, um schneller und proaktiver reagieren und die Erkennung von Angriffen und die Reaktion darauf automatisieren zu können.

Als Reaktion auf die Zunahme von Cyber-Angriffen hat der Bundesrat im April 2018 die "Nationale Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyber-Risiken (NCS) 2018-2022" verabschiedet. Anfang 2019 wurde ein Kompetenzzentrum für Cybersicherheit geschaffen und 2020 trat die Verordnung über den Schutz vor Cyber-Risiken in Kraft, mit der das Nationale Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) gegründet wurde. Das NCSC ist das Kompetenzzentrum für Cybersicherheit und dient als erste Anlaufstelle für Unternehmen, öffentliche Verwaltungen, Bildungseinrichtungen und die breite Öffentlichkeit in Cyberfragen.

Bis vor kurzem hat die Bundesverwaltung KI-Technologien nur selten gezielt für die Cybersicherheit eingesetzt, doch angesichts der zunehmenden Cyberangriffe wird die Rolle von KI mit Deep/Machine Learning-gestützten Systemen von der Regierung zunehmend anerkannt - sowohl für die Erkennung von Cyberbedrohungen als auch für die Prüfung und Prävention von Cyberangriffen. Der Mitte 2020 begonnene Aufbau eines Kompetenznetzwerks KI ist ein wichtiger Schritt zum Aufbau einer breiten Basis von KI-Expertise, die schnell und kostengünstig genutzt werden kann und auch zur Attraktivität des Standorts Schweiz beitragen wird.

Der Trend zur Abkehr von manuellen Verwaltungssystemen hin zu einer Kombination aus Technik, Automatisierung und Selbstbedienung bedeutet, dass die Behörden zunehmend in der Lage sein werden, komplexe Systeme effizienter zu verwalten und die Kundenerfahrung durch verbesserte Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit zu verbessern.

In der Schweiz hat die Regierung bereits ein neues Kompetenzzentrum - den Lenkungssektor Digitale Transformation und IKT (DTI) - eingerichtet, um das Vorgehen bei der digitalen Transformation in der Bundesverwaltung zu koordinieren. Ziel ist es, die Geschäftsprozesse besser zu integrieren und die Daten innerhalb der Verwaltung besser zu nutzen sowie IKT-Anwendungen möglichst wirtschaftlich und effizient einzusetzen. Die Verwaltungseinheiten können nun zwischen verschiedenen Spezifikationen von Standarddiensten wählen - derzeit sind dies Datenkommunikation, Büroautomation, Verzeichnisdienste, Identitäts- und Zugriffsmanagement des Bundes (IAM Bund) und GEVER (Geschäftsverwaltungssystem) - weitere Dienste sind geplant.

Während das Büroautomationsprogramm des Bundes die verschiedenen technischen und organisatorischen Bereiche der Büroautomation (OA) in der Verwaltung bereits harmonisiert hat, ist klar geworden, dass Cloud-Dienste in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen werden. Das Projekt Cloud Enabling OA (CEBA) wurde gestartet, um die verschiedenen Auswirkungen der Nutzung von Cloud-Diensten zu untersuchen.

Innerhalb der Verwaltung ist GEVER ein Beispiel für die Automatisierung im großen Stil. Es dient der elektronischen Verwaltung der geschäftsrelevanten Informationen, die in den verschiedenen Verwaltungseinheiten anfallen - inklusive Aktenführung, Prozessmanagement und Geschäftskontrolle. Dieses digitale Verwaltungssystem bildet die Grundlage für durchgängige und automatisierte organisations- und systemübergreifende Geschäftsprozesse.

Die zunehmende Automatisierung physischer Aufgaben und die steigende Zahl intelligenter Geräte bedeutet, dass die sich rasch entwickelnde Technologie ein Höchstmaß an Systemverfügbarkeit und -stabilität sowie einen neuen Ansatz für die Verwaltung und Überwachung erfordert. Die IT-Abteilungen der Behörden müssen zunehmend die Geräte verwalten, Standards festlegen, Sicherheit bieten und Implementierungen unterstützen.

Mehrere Städte in der Schweiz investieren derzeit in IKT-Infrastrukturen, die "intelligente Geräte" mit Organisationen und Menschen verbinden sollen. Die LoRaWAN-Technologie (Long Range Wide Area Network) gibt es derzeit in 8 Schweizer Städten und ist Teil mehrerer "Smart City"-Strategien/-Pläne (z. B. Zürich, Schaffhausen, St. Gallen, Aarau usw.). Die Schweizer Städte bauen ihr Netzwerk aus und tauschen ihre Ideen über Initiativen wie den Smart City Hub Switzerland.
Im Rahmen ihrer Smart-City-Strategie setzt die Stadt Zürich auf intelligente Netzwerke, die Daten und Sensoren miteinander verbinden, sowie auf Anwendungen, die neue, effizientere Lösungen für Nutzerinnen und Nutzer sowie für den Betrieb von Infrastrukturen ermöglichen. Ziel ist es, Menschen, Organisationen oder Infrastrukturen so zu vernetzen, dass ein sozialer, ökologischer oder wirtschaftlicher Mehrwert entsteht. Diese verstärkten Netzwerke sollen den Kontakt zwischen Bevölkerung und Verwaltung fördern und Partizipationsmöglichkeiten schaffen.

Das Elektrizitätswerk ewz der Stadt Zürich hat ein stadtweites LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) auf der Basis des Glasfasernetzes realisiert. Das LoRa-Netz ist eine technische Basis für verschiedene Smart-City- und Internet-of-Things-Anwendungen und ermöglicht die einfache und kosteneffiziente Erfassung von Daten oder Informationen. Es wurden bereits Pilotprojekte zur Messung der Luftqualität, des Wasserstands und anderer Wasserparameter sowie zur Verwaltung von Parkplätzen (Smart Parking) durchgeführt. Die Erkenntnisse aus den Pilotprojekten haben wertvolle Einsichten für den Aufbau des LoRa-Netzes und die Entwicklung eines LoRaWAN-Dienstes geliefert.

Andere Beispiele sind: Die Smart-City-Strategie der Stadt Schaffhausen, die darauf abzielt, Schaffhausen durch den Einsatz von Digitalisierung und neuen Technologien als lebenswerte und nachhaltige Stadt der Zukunft zu positionieren. Die Stadt St. Gallen hat das Pilotprojekt "Smartnet" abgeschlossen, in dem die Langstrecken-Funktechnologie (Lora) getestet wurde. Basierend auf dem Nachweis der hohen Zuverlässigkeit, der kostengünstigen Hardware, der langen Lebensdauer und der Verschlüsselungstechnologie ist 'Smartnet' nun ein wesentlicher Eckpfeiler für das Ziel, St. Gallen zu einer Smart City zu machen.

Die Schweizer Verwaltung scheint gut aufgestellt zu sein, wenn es darum geht, die neuesten Technologietrends zum Nutzen der Bürger einzusetzen. Einige der Lösungen wurden bereits implementiert, wenn auch eher in kleineren Bereichen oder als einzelne Anwendungsfälle. Auch wenn die Fortschritte in den einzelnen Kantonen unterschiedlich sind, scheint es immer mehr föderale Rahmenbedingungen zu geben, auf die die Standorte bei der Entwicklung ihrer Strategien zurückgreifen können. Nachdem einige Gemeinden und Kantone in Bereichen wie Cloud-Services und Blockchain schon früh an diesem Trend teilgenommen haben, ergeben sich für die gesamte öffentliche Verwaltung der Schweiz deutliche Vorteile. Die Fähigkeit zur gemeinsamen Nutzung von Daten gibt jedoch nach wie vor Anlass zur Sorge und ist ein Schlüsselelement, das zur Optimierung der anderen sich beschleunigenden Technologietrends, mit denen die öffentliche Verwaltung in naher Zukunft konfrontiert sein wird, geregelt werden muss. Die größte Herausforderung für die Digitalisierung im öffentlichen Sektor besteht darin, das Potenzial auf allen Ebenen des öffentlichen Dienstes (Bund, Kantone und Gemeinden) zu nutzen.

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