Posted: 20 Jan. 2023 5 min Lesezeit

Economic Trend Briefing: Konjunkturausblick 2023 – Fünf Trends

#1: Der Weltwirtschaft steht schwieriges erstes Halbjahr bevor

 

Aktuell deuten Frühindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex nach wie vor auf einen synchronen Abschwung in den größten Wirtschaftsräumen – USA, China, und Eurozone – hin. Die Gründe sind dabei allerdings unterschiedlich: Die Konjunktur in den USA kämpft mit den sehr schnellen Zinssteigerungen als Folge einer überhitzten Wirtschaft; die Eurozone leidet unter dem Energiepreisschock, hoher Inflation und der hohen Unsicherheit als Folge des Ukraine Krieges; Chinas Wirtschaft sieht sich mit Problemen im Immobiliensektor, sinkenden Konsumausgaben und den Folgen der COVID-Politik konfrontiert.

Infolgedessen werden sich diese drei Zentren der Weltwirtschaft in der ersten Jahreshälfte wahrscheinlich schwach entwickeln oder sogar in eine Rezession fallen. In der zweiten Jahreshälfte 2023 dürfte sich die Weltwirtschaft stabilisieren und schließlich wieder stärker wachsen. Deloitte geht von einer Wachstumsrate von 0,9 Prozent für die USA, einer Stagnation in der Eurozone und einem Wachstum in China von 4,5 Prozent aus, getrieben durch die Öffnung des Landes nach Abschaffung der Corona-bedingten Restriktionen. Insgesamt sind die Vorhersagen für das globale Wachstum deutlich pessimistisch. Die Weltbank geht von 1,7 Prozent Wachstum für 2023 aus, was das drittschlechteste Ergebnis der letzten 30 Jahre wäre; andere internationale Organisationen wie die OECD oder der IWF sehen Wachstumsraten von knapp über zwei Prozent voraus.

Mit dem schwachen globalen Wachstum geht einher, dass sich auch der Welthandel eher mäßig entwickeln dürfte. Die Welthandelsorganisation schätzt, dass dieser 2023 nur um ein Prozent wachsen wird, nach 3,5 Prozent im Jahr 2022. Somit können deutsche Exporteure im laufenden Jahr hier nur wenig Rückenwind erwarten. 

 

#2: Die Inflation sinkt, bleibt aber hoch

 

Die Rückkehr der Inflation war das wirtschaftlich prägendste Thema 2022. Die Inflationsraten in Deutschland und der Eurozone erreichten im Herbst Rekordraten. Mit 7,9 Prozent Preissteigerung in Deutschland lag die Teuerungsrate höher als jemals in der Nachkriegsgeschichte; 1951 wurden 7,8 Prozent erreicht, 1973 waren es 7,1 Prozent. Treiber waren der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die explodierenden Energiepreise. Zusätzlich war die Inflation bereits vor dem Krieg hoch und betrug im Januar 2022 bereits knapp fünf Prozent. Der Hauptauslöser damals waren die unterbrochenen Lieferketten.

Seit dem Höchststand von 10,4 Prozent im Oktober 2022 ist die Inflation etwas zurückgegangen und lag im Dezember 2022 bei 8,6 Prozent. Der derzeitige Rückgang ist jedoch auf die staatliche Gaspreisbremse zurückzuführen und weniger auf einen Rückgang der allgemeinen Inflationsdynamik. Die Kerninflation (ohne Energie- und Lebensmittelpreise), die die breitere Inflationsdynamik abbildet, stieg von 5,0 auf 5,6 Prozent.

Die Inflation dürfte im ersten Quartal 2023 weiter hoch bleiben. Allerdings ist damit zu rechnen, dass ab März ein Basiseffekt einsetzen wird. Im März vorigen Jahres sprang die Inflation das erste Mal über sieben Prozent und blieb konstant in diesem Bereich, bevor sie ab September auf über 10 Prozent anstieg. Diese Werte sind die Grundlage für die Berechnung der Inflation im laufenden Jahr. Die Preise müssten daher noch einmal sehr stark steigen, um eine ähnliche Preissteigerung zu erreichen. Die Inflation dürfte sich daher im Laufe des Jahres abschwächen. Dennoch bleibt sie auf das gesamte Jahr gesehen hoch, Deloitte Research rechnet mit 5,9 Prozent Preissteigerung im Jahr 2023.

 

#3: Auf den Konsumenten kommt es an

 

Eine entscheidende Rolle für die Konjunktur in Deutschland und der Eurozone werden die Konsumenten spielen. Vor dem Kriegsausbruch war die Erwartung, dass diese nach dem Ende der damaligen Omikron-Welle das Wachstum treiben werden. Hintergrund war, dass die Arbeitsmärkte stabil waren und die Haushalte nach der Pandemie über hohe Extra-Ersparnisse verfügten.

Auch 2023 werden die Arbeitsmärkte stabil bleiben. 2022 wurden trotz der wirtschaftlichen Belastungen neue Höchststände bei der Beschäftigung erreicht. Auch wenn die Geschwindigkeit des Beschäftigungsaufbaus zurückgeht, bleibt Personalmangel ein zentrales Thema für die Unternehmen. Im aktuellen Deloitte CFO Survey war Personalmangel unter den Top-3 Risiken für 2023. Dies ist sehr ungewöhnlich angesichts der weitverbreiteten Rezessionsängste und hat nicht zuletzt mit dem demographischen Wandel in Deutschland und dem Rückgang der Erwerbsbevölkerung zu tun. In jedem Fall stabilisieren die florierenden Arbeitsmärkte den privaten Konsum und damit die Konjunktur.

Wenn die Inflation nach dem ersten Quartal sinkt und die Realeinkommen wieder steigen, ist zu erwarten, dass der private Konsum ebenfalls wieder steigt. Entscheidend für die Erholung der Wirtschaft im zweiten Halbjahr wird sein, wie schnell und nachhaltig die Konsumlaune zurückkehrt. 

#4: Geopolitische Risiken bleiben auf dem Radar

 

Der Ukraine-Krieg hat die Risikolandkarte für die deutschen Unternehmen neu geordnet. Laut dem Deloitte CFO Survey vom Herbst 2022 sind geopolitische Risiken jetzt die wichtigste Risikokategorie für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro; sie rangieren damit vor Energie- und Arbeitskostenkosten, Personalmangel oder Sorgen um die nationale und internationale Nachfrage. 

Auch 2023 dürften die geopolitischen Risiken ihre überragende Relevanz behalten. Dabei zeichnen sich drei Themen ab: Erstens ist der Ausgang des Ukraine-Krieges völlig offen, und nach wie vor sind verschiedenste Szenarien vorstellbar mit ganz unterschiedlichen Konsequenzen für Konjunktur und Unternehmen. Zweitens: Der Konflikt zwischen den USA und China ist weit davon entfernt, sich zu entspannen, 2022 wurden sehr entschlossene Schritte in Richtung einer technologischen Abkopplung unternommen. Bisher am weitreichendsten ist die Einführung von US-Exportkontrollen für fortschrittliche Speicherchips nach China und der Versuch, diese für westliche Chips im Allgemeinen fortzusetzen. Gleichzeitig hat die Führung der kommunistischen Partei auf dem Parteitag ihren Anspruch auf Taiwan bekräftigt und angekündigt, diesen möglicherweise auch mit gewaltsamen Mitteln durchzusetzen.

Drittens sind auch die transatlantischen Beziehungen nicht völlig konfliktfrei. Während auf außenpolitischem Gebiet im Zuge des Ukraine-Kriegs große Einigkeit herrscht, sorgt der amerikanische Inflation Reduction Act für Spannungen. Vor allem die ausschließliche Subventionierung von Elektroautos aus amerikanischer Produktion (beziehungsweise von Importen aus Ländern, mit denen die USA Freihandelsabkommen geschlossen haben), der damit in Europa produzierte Fahrzeuge ausschließt, belastet die Beziehungen und die eigentlich beabsichtigte stärkere wirtschaftliche Kooperation.  

 

#5: Stagflation statt Rezession

 

Für die Konjunktur bedeuten diese Faktoren zusammengenommen, dass die deutsche Wirtschaft ein weiteres herausforderndes Jahr vor sich hat. Es gibt eine Vielzahl von Unsicherheiten, deren positive oder negative Entwicklung die Wirtschaft im Jahr 2023 prägen kann. Am stärksten dürfte ins Gewicht fallen, wie schnell und wie nachhaltig die Inflation sinkt, ob der Krieg in der Ukraine eskaliert oder ob er endet, und wie schnell sich der private Konsum erholt.

Im Basis-Szenario gibt es allerdings eine durchaus positive Nachricht. Eine schwere Rezession, die letzten Herbst noch vielerorts befürchtet wurde, wird zunehmend unwahrscheinlich. Dies liegt vor allem daran, dass eine Gasknappheit aufgrund des bisher warmen Winters und der erzielten Energieeinsparungen wahrscheinlich vermieden werden kann. Die Rezession dürfte sehr milde ausfallen und eher in Richtung Stagnation gehen. Die Wirtschaft in Deutschland wird 2023 voraussichtlich sehr leicht schrumpfen, Deloitte erwartet -0,1 Prozent Wachstum. Gekoppelt mit der nach wie vor hohen Inflation von 5,9 Prozent über das Gesamtjahr bedeutet das ausbleibende Wachstum, dass eine Stagflation zu erwarten ist. 

In gewisser Weise dürfte 2023 ein Jahr des Übergangs werden. Die Wirtschaftsleistung entwickelte sich im Jahr 2022 nach vorläufigen Berechnungen des statistischen Bundesamtes mit 1,9 Prozent zwar besser als erwartet,¹ trotzdem liegt die deutsche Wirtschaft damit nur 0,7 Prozent über dem Niveau des Vor-Corona Jahres 2019. Es gibt also noch ein erhebliches Aufholpotenzial und die Jahre nach der erwarteten Stagnation im Jahr 2023 werden zeigen, ob dieses Potenzial ausgeschöpft werden kann.

 

 

¹ Destatis. Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2022 um 1,9 Prozent gestiegen. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_020_811.html#:~:text=Trotz%20dieser%20nach%20wie%20vor,um%200%2C7%20%25%20h%C3%B6her.

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Dr. Alexander Börsch

Dr. Alexander Börsch

Chefökonom & Director Research

Dr. Alexander Börsch ist Chefökonom und Leiter Research Deloitte Deutschland. Sein Fokus liegt auf der Analyse ökonomischer Trends und ihren Auswirkungen auf Unternehmen und Unternehmensumfeld. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen Wachstum und Konjunktur, Brexit, digitale Ökonomie sowie Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Städten und Ländern.