Posted: 29 May 2024 5 min Lesezeit

Automotive Industry Briefing

Abomodelle und Konnektivitätsdienste – die neuen Mobilitätsformeln?

Traditionelle Geschäftsmodelle in der Automobilindustrie werden zukünftig mehr und mehr an Bedeutung verlieren. Früher beruhte der Großteil des Geschäftsvolumens auf dem Verkauf von Fahrzeugen, mit einem gewissen Anteil an Leasing und After Sales. Heute zeigen vor allem jüngere Verbraucher:innen ein größeres Interesse an Abomodellen und Konnektivitätsdiensten rund um das Fahrzeug. In Zeiten, in denen sich Automobilhersteller tendenziell zu Mobilitätsanbietern und Autos zu „Computern auf Rädern“ entwickeln, sind dies gute Nachrichten für OEMs. Gleichzeitig ergeben sich für die Branche neue Monetarisierungsmöglichkeiten. Wird der stolze Besitz eines Autos bald nur noch eine nostalgische Erinnerung sein? Und welchen Wert sieht die ältere Generation in neuen Konnektivitäts- und Abodiensten? Diese und weitere Themen stehen im Zentrum der im Januar veröffentlichten Deloitte Global Automotive Consumer Study 2024,  für die weltweit über 27.000 Konsument:innen aus 26 Ländern befragt wurden, rund 1.500 davon in Deutschland. Der folgende Deep Dive liefert weitere Einblicke in den deutschen Markt.

Wird Besitz zum Auslaufmodell?

Rund 19 Prozent der Verbraucher:innen in Deutschland wären bereit, den Besitz  eines Autos gegen ein Fahrzeugabo zu tauschen (s. Abb. 1). Bei den 18- bis 34-Jährigen ist das Interesse mit 29 Prozent besonders hoch, mit steigendem Alter der Befragten nimmt es dagegen kontinuierlich ab. Somit ist klar: Eine bedeutende Anzahl junger Menschen in Deutschland bevorzugt zunehmend flexible, bedarfsorientierte Mobilitätslösungen, die ohne langfristige Bindungen oder hohe Anfangsinvestitionen auskommen.  Im Gegensatz dazu lassen sich solche Angebote bislang nur in sehr geringem Umfang an ältere Konsument:innen adressieren. Aber nicht nur die grundsätzliche Offenheit für solche Dienste ist wichtig für ihren Erfolg. Die Verbraucher:innen müssen außerdem bereit sein, dafür zu zahlen. Dies ist nur möglich, wenn sie den Mehrwert erkennen können.

Abomodelle haben somit Potenzial: Sie können den Einstieg in die Elektromobilität erleichtern, eignen sich gleichzeitig aber auch gut für die Zweitverwertung von Leasingrückläufern. Da es für die Automobilhersteller derzeit noch schwierig ist, mit dem Verkauf von Elektroautos Geld zu verdienen, können solche zusätzlichen Monetarisierungsoptionen den Business Case unterstützen . Sie machen nicht nur eine hohe Anfangsinvestition überflüssig, sondern können auch dazu beitragen, die Gewinnmargen zu verbessern, indem Dienstleistungen über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs angeboten werden. Premiumdienste im Bereich der vernetzten Fahrzeuge  sind ein weiteres Beispiel dafür.  Dennoch gibt es im Konnektivitäts kontext  aus Konsumentenperspektive noch einige Herausforderungen zu bewältigen. 

Konnektivitätsdienste? Ja, aber nicht um jeden Preis

Expert:innen sind sich einig: Die Autos der Zukunft werden nicht nur Transportmittel sein, sondern auch als interaktive und vernetzte Technologieplattformen dienen. Wie unsere im Januar veröffentlichte Global Automotive Consumer Study 2024  zeigt, sind Updates zu Verkehrsstaus und alternative Routenvorschläge, aber auch Wartungs-Updates und Berichte über den Zustand des Fahrzeugs bereits heute für über 50 Prozent  der Konsument:innen in Deutschland interessant. Die Konnektivität von Fahrzeugen gewinnt daher als zentraler Aspekt bei der Fahrzeugwahl immer mehr an Bedeutung.  Jedoch ist die Bereitschaft, für solche Dienstleistungen zu zahlen, insbesondere bei der älteren Generation noch relativ limitiert. So ist nur jeder zehnte Deutsche über 55 Jahre bereit, für solche zusätzlichen Konnektivitätsfunktionen zu zahlen. Bei den 18- bis 34-Jährigen dagegen würde ein Drittel die Mehrkosten in Kauf nehmen. 

Insgesamt zeigen die Zahlen, dass die Zahlungsbereitschaft für zusätzliche Konnektivitätsfunktionen mit dem Alter variiert, wobei die jüngeren Altersgruppen im Allgemeinen eher bereit sind, zusätzliche Kosten zu tragen. Dies ist  darauf zurückzuführen, dass Autofahrer:innen dieser Altersgruppe Dienste wie Navigation, Musik-Streaming oder Sprachassistenten aktiver nutzen, teilweise sogar für unverzichtbar halten und daher höher bewerten. Andererseits ist die mangelnde Zahlungsbereitschaft der über 55-Jährigen darin begründet, dass sie keinen Mehrwert in den Konnektivitätsdiensten erkennen. 

Datenschutz auch beim Autokauf noch ein großes Thema

Mit steigender Verbreitung von Konnektivität in Fahrzeugen steigt auch die Menge an Daten, welche die Verbraucher:innen für die Nutzung solcher Angebote teilen müssen. In einem Szenario, in dem die Befragten ein vernetztes Auto besäßen, würden hierzulande 32 Prozent keinem Unternehmen die darüber generierten Daten anvertrauen wollen. In China liegt dieser Anteil dagegen bei gerade einmal 6 Prozent. Datenschutz und Datensicherheit haben für die Deutschen also einen viel höheren Stellenwert als etwa für Menschen im asiatischen Raum. Auch hier gibt es im Generationenvergleich Unterschiede in der Akzeptanz. Bei Deutschen unter 35 Jahren würden lediglich 19 Prozent weder Fahrzeugherstellern noch anderen Akteuren in diesem Bereich vertrauen (s. Abb. 3). Dem gegenüber steigt diese Zahl auf über ein Drittel bei den Konsument:innen zwischen 35 und 54 Jahre n. Dies zeigt, dass jüngere Verbraucher:innen eher bereit sind, ihre Daten weiterzugeben, und sich daher weniger Sorgen um den Datenschutz machen als ältere Generationen. Für die Automobilunternehmen besteht somit noch eine gute Chance, das Vertrauen der Konsument:innen zu stärken und sich durch mehr Transparenz und einen sicheren Umgang mit Daten von der Konkurrenz abzuheben, um auch die skeptischeren Verbraucher:innen zu erreichen.  

Im Gegensatz zu Asien, wo große digitale Ökosysteme den Alltag schon lange erleichtern und effiziente Mobilität ermöglichen, ist hierzulande die Digitalisierung in diesem Bereich noch nicht Mainstream.  Die zersplitterte Landschaft verschiedener, nicht miteinander verbundener Standalone-Apps für Konnektivitäts- und Mobilitätsdienste, die oft nur lokal verfügbar sind, zeigt, dass Deutschland in puncto digitaler Mobilitätslösungen noch Nachholbedarf hat.

Fazit

Der Wandel der Automobilbranche weg vom transaktionalen Geschäftsmodell des Fahrzeugverkaufs hin zu Mobilitäts- und Technologieplattformen ist bereits im Gange . Doch während die jüngere Generation offener und zahlungsbereiter für Abomodelle und Konnektivitätsdienste ist, scheinen die älteren Verbraucher:innen den Mehrwert noch nicht zu sehen. Dadurch bleibt ihre Zahlungsbereitschaft gering. Um die Penetrationsrate solcher Dienste über alle Altersgruppen hinweg zu erhöhen, muss ihr Wert klar kommuniziert und erkennbar sein. Dann werden die Verbraucher:innen bereit sein, dafür Geld auszugeben.

Auf der anderen Seite stehen ältere Generationen der Weitergabe persönlicher Daten und der Nutzung von Connected-Car-Funktionen noch skeptisch gegenüber. Hier liegt eine große Herausforderung für die Automobilindustrie: Sie muss mithilfe von Transparenz und einer personalisierten Kontrolle über die eigenen Daten Vertrauen aufbauen. Darüber hinaus kann die Bereitschaft, persönliche Daten weiterzugeben, erst gesteigert werden, wenn den Verbraucher:innen klar ist, dass dies zu einem besseren, auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmten Fahrerlebnis führt. 

Schlussendlich hängt der Erfolg des aktuellen Wandels also davon ab, wie gut es den Unternehmen gelingt, Lösungen zu implementieren, die einen echten Mehrwert bieten und für die Nutzer:innen wahrnehmbar sind. Einerseits müssen die Bedenken hinsichtlich Datenschutz und -sicherheit durch transparente Kommunikation beseitigt werden. Andererseits gilt es, Abomodelle als komplementäres Vermarktungsmodell zu etablieren. Nur so können sich Unternehmen als echte Mobilitätsanbieter von der Konkurrenz abheben.

 

Autor

Nicolas Zauner

Senior | Automotive Insights

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Dr. Harald Proff

Dr. Harald Proff

Sector Lead Automotive

Harald Proff arbeitet seit 2015 bei Deloitte und ist Automotive Sektorleiter für Global/DCE/Deutschland. Sein Fokus liegt auf Transformationsprogrammen und neuen Geschäftsmodellen der industriellen Fertigung sowie der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung von Industrieunternehmen. Er ist der Gründer der Deloitte Digital Factory in Düsseldorf. Neben Deutschland hat er auch länger in Südkorea und Brasilien gelebt und gearbeitet. Nach seinem Studium in der Fachrichtung Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau und anschließender Promotion an der TU Darmstadt startete er als Manager für Industrialisierungsprojekte bei Mercedes Benz in das Berufsleben. Der Automobilindustrie ist er auch als Berater immer treu geblieben. Vor seiner Rolle als Automotive Sektorleiter war Herr Proff Lead Partner Operations Deutschland.