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Finanzinstrumente und COVID-19

Auswirkungen auf die Berichterstattung von Finanzinstrumenten

Die seit Anfang 2020 ergriffenen Maßnahmen der einzelnen Länder zur Eindämmung der Pandemie haben erhebliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die globale Weltwirtschaft. Diese Auswirkungen betreffen wiederum direkt die Finanzberichterstattung der Unternehmen. In diesem Beitrag haben wir Ihnen die wichtigsten Punkte, die bei der Bilanzierung von Finanzinstrumenten zu berücksichtigen sind, übersichtsartig zusammengestellt.

Erfassung erwarteter Verluste

Die Berücksichtigung der Folgen von COVID-19 bei der Ermittlung erwarteter Verluste (Expected Credit Losses) nach IFRS 9 betrifft nahezu alle Unternehmen. Der Anwendungsbereich ist groß und umfasst neben allen finanziellen Vermögenswerten, die zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden (z.B. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) oder erfolgsneutral zum Fair Value (z.B. Anleihen) auch Leasingforderungen nach IFRS 16, Aktive Vertragsposten gem. IFRS 15 sowie Kreditzusagen und Finanzgarantien, die nicht erfolgswirksam zum Fair Value bewertet werden.

Für alle Finanzinstrumente, die im Rahmen des Expected Credit Loss-Modells der Stufe 1 zugeordnet sind, muss zu jedem Abschlussstichtag überprüft werden, ob sich das Kreditrisiko signifikant erhöht hat. Sofern dies der Fall ist, werden die erwarteten Verluste nicht für Ausfallereignisse innerhalb der nächsten 12 Monate erfasst, sondern über die gesamte Restlaufzeit des jeweiligen Finanzinstruments. Dies entspricht dann einer Zuordnung der Stufe 2. Sobald noch objektive Hinweise auf eine Wertminderung hinzukommen, erfolgt die Zuordnung zu Stufe 3.

Anhaltspunkte für eine signifikante Erhöhung des Kreditrisikos können u.a. eine Verschlechterung der relevanten ökonomischen Bedingungen sein, eine Veränderung ausfallrisikobezogener Marktdaten (z.B. Credit Default Swaps des Schuldners) oder eine Veränderung der Kreditkonditionen bei Neuabschlüssen. Das sind nur einige Beispiele an Faktoren, die sich in den zurückliegenden Wochen dramatisch verändert haben und zu einem Stufentransfer des jeweiligen Finanzinstruments führen können. 

Zur Unterstützung der Unternehmen wurden vielfältige staatliche Hilfspakete ins Leben gerufen. Die Maßnahmen umfassen z.B. Moratorien zur Rückzahlung von Krediten, Kreditgarantien und Kreditlinien. Diese Maßnahmen können auf vielfältige Weise Unternehmen betreffen und es ist daher erforderlich, genau zu evaluieren, inwiefern diese Hilfsmaßnahmen sich auf die zu bilanzierenden Finanzinstrumente auswirken.

Die ESMA (European Securities and Market Authority) hat in ihrer Stellungnahme vom 25. März 2020 erläutert, dass Hilfspakete, die sich direkt auf das Kreditrisiko eines finanziellen Vermögenswertes auswirken, auch bei der Beurteilung der Veränderung des Kreditrisikos Berücksichtigung finden sollen. Insbesondere sollen Maßnahmen, wie z.B. die genannten Moratorien, nicht automatisch eine signifikante Erhöhung des Kreditrisikos hervorrufen. Weiterhin kann die Widerlegbarkeit der Vermutung, dass nach 30 Tagen Zahlungsverzug eine signifikante Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt, durch die Hilfsmaßnahmen beeinflusst werden. Hier ist eine genaue Analyse vorzunehmen, um die staatlichen Maßnahmen und deren Effekte auf das jeweilige Unternehmen zu beurteilen.

Weiterhin weist die ESMA darauf hin, dass Garantien und Sicherheiten bei der Beurteilung des Anstiegs des Kreditrisikos keine Berücksichtigung finden. Hingegen können diese Sicherheiten aber einen Einfluss auf die Höhe der erwarteten Verluste haben, sofern sie integraler Bestandteil des jeweiligen finanziellen Vermögenswertes sind. 

Ferner sind für die Ermittlung der erwarteten Verluste gem. IFRS 9 verschiedene Zukunftsprognosen zu berücksichtigen. Die aktuelle Situation erschwert es den Unternehmen, hinreichend verlässliche ökonomische Schätzungen einfließen zu lassen. In diesem Zusammenhang wurde von der ESMA darauf hingewiesen, dass unter den aktuellen Umständen eine größere Gewichtung auf langfristige Szenarien gelegt werden kann und die ergriffenen staatlichen Maßnahmen angemessen in die Betrachtung einfließen sollen. Schlussendlich muss von den Unternehmen evaluiert werden, inwiefern die Pandemie einen vorübergehenden Schock darstellt, der aber durch die initiierten staatlichen Maßnahmen gedämpft werden kann, und wie dieser auf lange Sicht das Kreditrisiko des einzelnen Vermögenswertes beeinflusst.

Für die dazugehörigen Angaben nach IFRS 7 und IAS 1 ist zu beachten, dass Unternehmen genau darstellen, in welcher Weise zukunftsgerichtete Informationen in die Ermittlung der erwarteten Verluste einfließen. Insbesondere sind wesentliche Änderungen in Bezug auf Annahmen und Schätzungen sowie Ermessensentscheidungen anzugeben. Diese dürften bedingt durch die weitreichenden Folgen von COVID-19 sehr umfangreich ausfallen.

Die ausführliche Stellungnahme finden Sie auf der ESMA-Website.

IFRS fokussiert: Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Ermittlung von erwarteten Kreditverlusten nach IFRS 9

Modifikationen

IFRS-Bilanzierer müssen darüber hinaus auch die Auswirkungen der staatlichen Hilfsmaßnahmen sowie bilateraler Vertragsanpassungen auf bereits bilanzierte Finanzinstrumente genau untersuchen. Dies beinhaltet insbesondere die Beurteilung gem. IFRS 9, ob in Folge einer Modifikation eine Ausbuchung des jeweiligen Finanzinstruments vorzunehmen ist (sog. substanzielle Modifikation) oder ob die Modifikation ohne Ausbuchung erfolgswirksam zu erfassen ist. 

Für finanzielle Verbindlichkeiten ist grundsätzlich sowohl durch Berücksichtigung von qualitativen Faktoren als auch anhand einer quantitativen Untersuchung („10 Prozent-Test“) zu beurteilen, ob eine substanzielle Modifikation vorliegt. Die Vorgaben des IFRS 9 für finanzielle Verbindlichkeiten können nach herrschender Meinung auch auf finanzielle Vermögenswerte übertragen werden. Das Vorgehen hat ein Unternehmen entsprechend als Rechnungslegungsmethode gemäß IAS 8 festzulegen und darzustellen. Liegt eine substanzielle Modifikation vor, so hat dies eine Ausbuchung des jeweiligen Finanzinstruments zur Folge.

Die ESMA weist in ihrer o.g. Stellungnahme darauf hin, dass bei der Beurteilung, ob eine substanzielle Modifikation von finanziellen Vermögenswerten vorliegt, die Auswirkungen von staatlichen Hilfsmaßnahmen sorgfältig zu berücksichtigen sind. Dabei sind nach Auffassung der ESMA auch bei finanziellen Vermögenswerten sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien einzubeziehen, zudem können wesentliche Ermessensentscheidungen nötig sein.

Aus Sicht der ESMA können die staatlichen Hilfsmaßnahmen dazu führen, dass eine Modifikation wahrscheinlich nicht als substanziell einzustufen ist, wenn aufgrund dieser dem betroffenen Schuldner eine vorübergehende finanzielle Erleichterung verschafft werden kann und der „net economic value“ des Darlehens nicht signifikant beeinflusst wird.

Ergänzend weist die ESMA darauf hin, dass die durch ein Unternehmen zur Beurteilung von Modifikationen von finanziellen Vermögenswerten festgelegten Rechnungslegungsmethoden offenzulegen sind, wenn diese zum Verständnis des Abschlusses relevant sind. Ebenso sind Ermessensentscheidungen mit signifikanten Auswirkungen offenzulegen. 

Klassifizierung finanzieller Vermögenswerte

Eine Verschlechterung der Kreditqualität eines Schuldners kann dazu führen, dass Investitionen, die gem. IFRS 9 dem Geschäftsmodell „Halten“ zugeordnet sind, zunehmend verkauft werden. Ein Verkauf, der allein durch den Anstieg des Kreditrisikos des Schuldners begründet ist, ist dabei i.d.R. nicht schädlich für das Geschäftsmodell „Halten“. 

Auch ein Anstieg der Verkaufsaktivitäten ist nicht automatisch schädlich für das Geschäftsmodell „Halten“. Das Unternehmen muss gute Gründe dafür aufweisen und darstellen, dass die Häufigkeit der Verkäufe in der Zukunft wieder reduziert wird. Zum Beispiel kann ein Unternehmen in erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten geraten, da aufgrund von COVID-19 die Absatzprodukte nicht mehr nachgefragt werden (z.B. Produkte aus der Automobilzulieferindustrie). Ein solcher Verkauf, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken, könnte nicht schädlich für das Geschäftsmodell „Halten“ sein.

Fair Value Measurement

Die Pandemie kann auch Auswirkungen auf die Bewertung von Finanzinstrumenten zum Fair Value haben. Nach dem relevanten Standard IFRS 13 ist bei der Bewertung die Zielsetzung zu verfolgen, einen Preis zu schätzen, der sich unter den zum Bemessungsstichtag herrschenden Marktbedingungen im Rahmen eines geordneten Geschäftsvorfalls zwischen Marktteilnehmern ergeben würde. Beobachtbare Informationen wie bspw. Marktpreise und Zinssätze (Level 1 und Level 2 in der Bemessungshierarchie des IFRS 13) sind dabei als Inputfaktoren zu priorisieren, auch wenn diese, bedingt durch die aktuellen Marktunsicherheiten aufgrund von COVID-19, vorübergehend stark gefallen oder hoch volatil sind. 

Besondere Aufmerksamkeit ist für Unternehmen bei Verwendung von nicht beobachtbaren Inputfaktoren (Level 3-Inputs) wie beispielsweise unternehmensinternen Informationen geboten. Hier muss sichergestellt werden, dass sich in diesen Inputs die Auswirkungen der Pandemie zum Bemessungsstichtag so widerspiegeln, wie diese auch durch Marktteilnehmer bei der Erwartungsbildung berücksichtigt würden. 

Die Folgen der gegenwärtigen Entwicklungen auf die Fair Value Ermittlung sind im Anhang darzustellen. Beispielweise sind hier Auswirkungen auf die Sensitivitätsanalysen denkbar, die für Bewertungen gefordert sind, welche dem Level 3 der Bewertungshierarchie zugeordnet sind.

Cash Flow Hedges

Bei Cash Flow Hedges ergeben sich insbesondere Auswirkungen auf die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des gesicherten Grundgeschäftes. Das Ausmaß und die Dauer der Pandemie können u.a. zu Engpässen auf dem Beschaffungsmarkt bestimmter Produkte führen. Sofern der Eintritt einer gesicherten erwarteten Transaktion, wie z.B. der Bezug von Waren oder Rohstoffen, nicht mehr hochwahrscheinlich ist, so ist diese Sicherungsbeziehung prospektiv zu beenden. Alle weiteren Fair Value Änderungen des dazugehörigen Sicherungsinstrumentes sind dann ergebniswirksam zu erfassen. 

Beträge, die bis zum Zeitpunkt der Änderung in der Cash Flow Hedge-Rücklage erfasst wurden, verbleiben in dieser bis das gesicherte Grundgeschäft eintritt. Sofern davon auszugehen ist, dass der Eintritt des Grundgeschäfts nicht länger wahrscheinlich ist, muss der Betrag der bisher in der Cash Flow Hedge-Rücklage erfasst wurde ergebniswirksam in die Gewinn- und Verlustrechnung umgegliedert werden.

IFRS 7 Angaben und Angaben nach IAS 34

Die meisten Unternehmen werden die aktuellen Auswirkungen von COVID-19 bereits in ihren Zwischenabschlüssen verarbeiten müssen. In einem Zwischenabschluss werden grundsätzlich die Veränderungen zum letzten Geschäftsbericht dargestellt. Dabei sind auch die Umstände zu erläutern, die zu wesentlichen Änderungen im Vergleich zum Geschäftsbericht geführt haben. Aus diesem Grund dürften sich bereits im Zwischenabschluss umfangreiche Angaben ergeben, die die Auswirkungen der Pandemie auf das berichtende Unternehmen darstellen.

Gemäß der IFRS 7 Anforderungen muss ein Unternehmen zu verschiedenen Risiken im Anhang Stellung nehmen. Es sind u.a. Angaben zum Kreditrisiko, Liquiditätsrisiko, Währungsrisiko, weitere Preisrisiken sowie Auswirkungen auf das Hedge Accounting zu machen. Unter den aktuellen Umständen können hier umfangreiche Erläuterungen bzgl. der Veränderung dieser Risiken und das Management dieser Risiken erforderlich werden.

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