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IFRS 17 – der neue Standard für Versicherungsverträge

Warum sich auch Nichtversicherungsunternehmen mit IFRS 17 auseinandersetzen sollten

IFRS 17, der neue Standard für Versicherungsverträge, ist erstmalig für Geschäftsjahre ab dem 01.01.2023 anzuwenden. Während die Notwendigkeit der Anwendung für Versicherungsunternehmen offensichtlich ist, ist vielen Nichtversicherungsunternehmen nicht bewusst, dass der Standard auch sie betreffen kann. Erfahren Sie in diesem Artikel, inwiefern IFRS 17 Auswirkungen auf Ihr Unternehmen hat.

IFRS 17 – kein Branchenstandard nur für Versicherungen

Entgegen der verbreiteten Auffassung handelt es sich bei IFRS 17 nicht um einen Branchenstandard für Versicherungsunternehmen. Stattdessen ist        IFRS 17 grundsätzlich auf sämtliche ausgegebenen Verträge anzuwenden, welche die Definition von Versicherungsverträgen erfüllen.

Zwar sind Versicherungsunternehmen die primären Adressaten dieses neuen Standards. Nichtsdestotrotz führt die Definition von Versicherungsverträgen dazu, dass beispielsweise bestimmte Garantien sowie Service- oder Wartungsverträge in den Anwendungsbereich von IFRS 17 fallen könnten. Für diese sieht IFRS 17 einige eng umrissene Ausnahmen vom Anwendungsbereich vor. Ob diese Anwendung finden, gilt es im Einzelfall zu prüfen.

Versicherungsverträge im Sinne von IFRS 17 – alles eine Frage der Definition

Eine Bilanzierung nach den Vorschriften des IFRS 17 ist grundsätzlich immer dann vorzunehmen, wenn die Definition eines Versicherungsvertrags erfüllt ist. Verträge erfüllen diese Definition, wenn eine Partei ein signifikantes Versicherungsrisiko von einer anderen Partei übernimmt, indem sie sich verpflichtet, den Versicherungsnehmer zu entschädigen, wenn ein festgelegtes, ungewisses künftiges Ereignis den Versicherungsnehmer nachteilig betrifft. Diese Definition klingt zwar auf den ersten Blick sehr versicherungsspezifisch, allerdings fallen auf den zweiten Blick Fälle unter diese Definition, in denen der Verkäufer von Produkten oder Dienstleistungen ein signifikantes nicht-finanzielles Risiko seines Kunden übernimmt, das bereits vor Vertragsabschluss bestand (z.B. wenn Verkäufer die Funktionsfähigkeit ihrer Maschinen über entsprechende Serviceverträge sicherstellen). Für Nichtversicherungsunternehmen ist daher zu analysieren, welche Verträge im Unternehmen die Definition eines Versicherungsvertrags erfüllen und nicht vom Anwendungsbereich des IFRS 17 ausgenommen sind. In diesem Zusammenhang stellen sich beispielsweise die folgenden Fragen:

  • Bei welchen bestehenden Verträgen liegt ein Versicherungsrisiko vor?
  • Woran bemisst sich bei Dienstleistungsverträgen oder Garantien, ob das Versicherungsrisiko des potenziellen Versicherungsvertrags signifikant ist?
  • Welche Auswirkungen haben vertraglich vereinbarte Preisanpassungsklauseln bei Schadenseintritt auf die Beurteilung, ob Ihr Unternehmen das Versicherungsrisiko des Kunden übernimmt?
  • Nach welchen Kriterien ist zu beurteilen, ob das Versicherungsrisiko bereits vor Vertragsabschluss bestand?

Von einer Bilanzierung nach IFRS 17 ausgenommen sind sogenannte Katalogausnahmen. Darüber hinaus können Verträge über Dienstleistungen, die gegen ein fixes Entgelt erbracht werden, vom Anwendungsbereich ausgenommen sein, sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. 

Ausnahmen vom Anwendungsbereich

Ausgegebene Garantien auf Produkte, Dienstleistungen oder Restwerte von Leasinggegenständen erfüllen in der Regel die Definition eines Versicherungsvertrags. Für bestimmte Garantien sieht IFRS 17 Katalogausnahmen vor, die nicht nach den Vorschriften des IFRS 17 zu bilanzieren sind. Für die Beurteilung, ob Ihre Verträge unter diese Ausnahmevorschriften fallen, sollten Sie sich unter anderem die folgenden Fragen stellen:

  • Gibt Ihr Unternehmen zeitlich versetzt zum Verkauf von Waren oder Dienstleistungen entsprechende Garantien aus?
  • Vertreiben Sie als Hersteller, Groß- oder Einzelhändler Waren oder Dienstleistungen im Rahmen einer Agentenstellung nach IFRS 15 und geben zugleich Garantien für diese Waren oder Dienstleistungen aus?
  • Haben Ihre Kunden die Möglichkeit, mittels Zubuchoptionen nachträglich die bei Ihnen erworbenen Produkte oder Dienstleistungen zu versichern?

Bilanzierung nach IFRS 15 für bestimmte Festpreis-Serviceverträge

Service- oder Wartungsverträge können die Definition von Versicherungsverträgen erfüllen, sofern das vom Kunden auf den Leistungserbringer übertragene Versicherungsrisiko signifikant ist. Für solche Arten von Verträgen gewährt IFRS 17 das Wahlrecht, jene Dienstleistungen, die gegen ein fixes Entgelt erbracht werden, nach IFRS 15 zu bilanzieren („Festpreis-Serviceverträge“). Dieses Wahlrecht können Sie allerdings nur dann ausüben, wenn Sie zum einen Ihre Preissetzung unabhängig vom individuellen Kundenrisiko festlegen. Zum anderen müssen Sie primär Dienstleistungen erbringen, deren Kosten der Höhe nach fix sind und bei denen sich das Risiko primär aus der Inanspruchnahme der Services und nicht aus der Unsicherheit über die Kosten der Serviceleistung ergibt. Beispiele für derartige Verträge, die unter Berücksichtigung des Einzelfalls unter diese Ausnahmeregelung fallen könnten, sind:

  • Wartungsverträge für Maschinen oder Software gegen ein fixes Entgelt, das im Vorfeld in Abhängigkeit von der insgesamt erwarteten Zahl von Fehlfunktionen kalkuliert wurde. Die Ausübung des Wahlrechts setzt voraus, dass die Kosten für Wartungsarbeiten der Höhe nach fix sind und das Risiko lediglich darin besteht, wie häufig diese Arbeiten ausgeführt werden müssen.
  • Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug, die im Rahmen des Verkaufs oder der Vermietung angeboten werden und gegen ein fixes Entgelt dazu gebucht werden können. Hierunter fällt bspw. ein Abschleppdienst, der im Schadensfall sicherstellt, dass das Fahrzeug in die nächstgelegene Werkstatt befördert wird.

In der Praxis können sich für Sie komplexe Fragestellungen ergeben, beispielsweise:

  • Fällt ein Vertrag auch dann unter die Ausnahmeregelung für Festpreis-Serviceverträge, wenn Sie Ersatzprodukte bereitstellen, weil eine Reparatur für Sie unwirtschaftlich ist?
  • Inwieweit führen Risikoaudits im Großkundengeschäft, die bei der Bepreisung von Serviceleistungen das individuelle Kundenrisiko einschätzen, dazu, dass Sie das Wahlrecht für Festpreis-Serviceverträge, welches die Anwendung von IFRS 15 erlaubt, nicht mehr ausüben können?
  • Sind Ihre Verträge nach IFRS 17 zu bilanzieren, wenn Sie Entschädigungen zahlen müssen, sofern Sie eine Serviceleistung nicht erbringen können?

Vereinfachtes Modell für bestimmte Versicherungsverträge erleichtert die Bewertung

Verträge, die nach IFRS 17 zu bilanzieren sind, dürfen vereinfachend nach dem sog. Prämienallokationsansatz bilanziert werden, sofern eine Vertragslaufzeit von zwölf Monaten nicht überschritten wird oder zwischen dem Prämienallokationsansatz und dem allgemeinen Bewertungsmodell keine wesentlichen Bewertungsunterschiede bestehen. Dieser Ansatz führt zu einer vereinfachten, mit IFRS 15 vergleichbaren Bilanzierung. Gleichzeitig sind jedoch auch hier Anhangangaben nach IFRS 17 zu machen.

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