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Digitalisierung in der Speditionsbranche

Was kommt nach dem Plattform-Hype?

Die aktuelle Deloitte Studie untersucht, warum Plattformen bei der Digitalisierung der Transportbranche bislang noch keine umfassende Disruption bewirkt haben, und zeigt auf, welche Plattformderivate sich im Transportwesen der Zukunft zu relevanten Geschäftsmodellen entwickeln werden.

In der Speditionsbranche lässt sich seit Jahren ein wahrer Plattform-Hype beobachten. Immer mehr Akteure versuchten eine zentrale Plattform zu etablieren. Neue Akteure wie Uber Freight oder Freightos arbeiten aktiv an der Transformation der Branche. Dazu kommen Frachtführer wie Maersk, die mit DAMCO und Twill vorwärts integrieren und Kunden wie Amazon, die die klassischen Spediteure in einem ohnehin stark umkämpften Markt mit oftmals geringen Margen noch mehr unter Druck setzen. In diesem Zusammenhang wurde spezielle die Rolle der Spediteure als Vermittler zwischen Versender und Frachtführer bereits als veraltet und zukünftig überflüssig deklariert. Stattdessen sollten intelligente Plattformen die direkte Interaktion zwischen Frachtführern und Versendern ermöglichen. Doch trotz zahlreicher Versuche haben die bisherigen Plattform-Bemühungen bisher keine bahnbrechenden Effekte erzielt, und der Speditionsmarkt ist so fragmentiert wie eh und je.

Diese Veränderungen waren Anlass für eine umfassende Studie zur Digitalisierung der Speditionsbranche, um die Gründe für den (bisherigen) Mangel an durchschlagendem Erfolg der Plattformen in Bezug auf die Branche besser zu verstehen. Dazu haben wir mit Praktikern von Spediteuren, Start-ups, Frachtführern und Versendern gesprochen und herausgefunden, warum bisherige Plattform-Bemühungen bisher (noch) keine Disruption bewirkt haben, so wie wir das aus anderen Branchen kennen (z.B. Hotellerie, Taxigewerbe). Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse konnten zudem die relevanten zukünftigen Geschäftsmodelle identifiziert werden.

Plattformen in der Speditionsbranche

Es gibt branchenspezifische Faktoren, die einem reinen Plattform Geschäftsmodell entgegenstehen:

1) Der Anpassungsdruck an individuelle Bedarfe des Versenders kann nur schwer von einer Plattform wahrgenommen werden. Kenntnisse darüber, wo genau tatsächlich Paletten abzuholen oder anzuliefern sind, und spezielle Eingangskontrollen auf Kundenhöfen bleiben eine Herausforderung für die Digitalisierung der Speditionsbranche. Dazu kommen die vom Spediteur garantierte Preis- und Ladekapazität sowie konsolidierte Rechnungsstellung – Leistungen, die genau nicht in der Natur einer Plattform liegen und wofür es eine Zahlungsbereitschaft seitens des Kunden gibt.

2) Robuste und strenge Haftungsanforderungen zwischen den verschiedenen, am Transport beteiligten Parteien sind über Jahrhunderte gewachsen und befinden sich in vielen Fällen in einem fein austarierten Gleichgewicht. Die Plattform als reine Vermittlungsleistung ohne Haftung scheint vor allem für wertvolle B2B-Sendungen unattraktiv.

3) Die Notwendigkeit der Einbeziehung vieler verschiedener Kategorien von Akteuren bei einem Transport stellt selbst erfahrene Speditionen vor Herausforderungen, da immer wieder aufs Neue Dutzende unterschiedliche Rechträume und Dokumentanforderungen kundespezifisch zusammengebracht werden müssen.

4) Traditionelle Spediteure entwickelten sich in der analogen Welt und haben oftmals eine kurzfristige Investitionskultur. Sie lässt wenig Anreize und Spielraum für das mittlere Management, um die oftmals langwierige Technologieentwicklung voranzutreiben, die in Zeiten die Digitalisierung unentbehrlich ist.

5) Nicht zuletzt der aktuell noch anhaltende Mangel an Talenten, die sowohl exzellente digitale als auch logistische Kompetenzen aufweisen und somit das Beste aus beiden Welten gewinnbringend für die Speditionen umsetzen können.


Die Zukunft der Speditionsbranche

Angesichts dieser branchenspezifischen Faktoren deuten unsere Analysen darauf hin, dass Speditionen in Zukunft als Geschäftsmodell nicht überflüssig werden. Vielmehr werden sich in Zukunft voraussichtlich drei Plattformderivate als relevante Geschäftsmodelle im Transportwesen entwickeln werden. Erstens Nischenplattformen, die in bestimmten spezifischen Bereich einen Wettbewerb unter Gleichen ermöglichen. Zweitens regionale Ökosysteme, die vor allem durch ihre digitale DNA in verschiedenen Branchen, darunter auch Logistik & Transport ihre Datenmacht verwenden werden. Zuletzt werden die digitalen Speditionen gebraucht werden – Unternehmen, die es schaffen, Speditionsexzellenz digital zu optimieren und so weiterhin erste Wahl für viele Versender bleiben werden. Diese Erkenntnisse helfen Transportunternehmen, sich in einem zunehmend wettbewerbsorientierten Branchenuniversum zurechtzufinden und so noch besser auf die Bedrohungen und Chancen der Digitalisierung zu reagieren.

Erfahren Sie alle Untersuchungsergebnisse in der Studie „Digitalization in Freight Forwarding – Beyond the Platform Hype“ zum Download. 

Ihr Ansprechpartner 

Dorothea Haas
Technology Strategy & Architecture
dhaas@deloitte.de 
+49 (0)69 9713 7153

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